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Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.

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konkreten Charakter ihres Gegenstandes, indem sie es liebt, statt von pwe_046.002
Werken der Dichtung von Werken der Sprache (Staiger) oder vom pwe_046.003
"sprachlichen Kunstwerk" (Kayser) zu reden. Daß der Geist der Sprache pwe_046.004
einer Nation auch der Geist ihrer Dichtung sei, ist ja die grundlegende pwe_046.005
Konzeption Herders und der jungen Geisteswissenschaften überhaupt gewesen. pwe_046.006
Wie darüber hinaus die Sprache allen Kulturbereichen und die pwe_046.007
Sprachwissenschaft allen Wissenschaften aufs engste verbunden ist, hat pwe_046.008
Leo Weisgerber1 in dem umfassenden Rundgang seiner eindrücklichen pwe_046.009
Abhandlungen neuerdings dargetan; auch ihre Funktion für das physische pwe_046.010
und psychische Selbstverständnis des Menschen ist bedeutend2.

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Das Hauptverdienst für die neue Annäherung von Sprach- und Literaturwissenschaften3 pwe_046.012
gebührt der sog. Genfer Schule der Linguistik (Fer- pwe_046.013
dinand de Saussure
und Charles Bally4), die vor allem im romanistischen pwe_046.014
Bereich gewirkt hat (neuere Werke von Marouzeau5, Spit- pwe_046.015
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6, Winkler7). Die synchronistische Betrachtung eines Sprachzustandes pwe_046.016
enthüllt die Sprache als lebendiges System von Ausdruckszeichen, das im pwe_046.017
Zusammenhang wieder des sozialen Lebens steht. Dabei ist Sprache, langue, pwe_046.018
von der Rede, parole, des einzelnen in ihrer aktuellen Verwendung zu pwe_046.019
unterscheiden. So wird auch der Blick frei für die ganz verschiedenartige pwe_046.020
Funktion der sprachlichen Mittel - ihre mehr rationale oder mehr emotionale pwe_046.021
Verwendung -, und die Aufgabe einer Unterscheidung der verschiedenen pwe_046.022
möglichen Symbolfunktionen des Sprachzeichens auf den verschiedenen pwe_046.023
Ebenen des Lautes, des Wortes, des Satzes neu gestellt. Sprache pwe_046.024
wird selbst ein Stilphänomen und tritt als solches, besonders wo es um die pwe_046.025
Untersuchung der gefühls- und willensmäßigen Aspekte geht, unter ähnliche pwe_046.026
Gesichtspunkte wie die dichterische Sprache. Ja man kann u. U. von pwe_046.027
der Einheit von Sprach- und Literaturwissenschaft sprechen, sofern ein

1 pwe_046.028
Leo Weisgerber, Die Stellung der Sprache im Aufbau der Gesamtkultur pwe_046.029
(Wörter und Sachen 15, 16).
Heidelberg 1934.
2 pwe_046.030
Ludwig Klages, Die Sprache als Quell der Seelenkunde. Zürich 1948. - pwe_046.031
Ernst Jünger, Sprache und Körperbau. Zürich (1947).
3 pwe_046.032
W. v. Wartburg, Einführung in die Problematik und Methodik der Sprachwissenschaft. pwe_046.033
Halle 1943.
4 pwe_046.034
Charles Bally, Linguistique generale et linguistique francaise. 2. Auflage. pwe_046.035
Bern 1944.
5 pwe_046.036
J. Marouzeau, Traite de stylistique latine. Paris 1946.
6 pwe_046.037
Leo Spitzer, Linguistics and Literary History. Essays in Stylistics. Princeton pwe_046.038
1948. - Ders., A Method of Interpreting Literature. Northampton, Mass. 1949.
7 pwe_046.039
Emil Winkler, Sprachtheoretische Studien (Berliner Beiträge zur roman. pwe_046.040
Philologie III, 2).
Jena und Leipzig 1933.

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konkreten Charakter ihres Gegenstandes, indem sie es liebt, statt von pwe_046.002
Werken der Dichtung von Werken der Sprache (Staiger) oder vom pwe_046.003
„sprachlichen Kunstwerk“ (Kayser) zu reden. Daß der Geist der Sprache pwe_046.004
einer Nation auch der Geist ihrer Dichtung sei, ist ja die grundlegende pwe_046.005
Konzeption Herders und der jungen Geisteswissenschaften überhaupt gewesen. pwe_046.006
Wie darüber hinaus die Sprache allen Kulturbereichen und die pwe_046.007
Sprachwissenschaft allen Wissenschaften aufs engste verbunden ist, hat pwe_046.008
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Abhandlungen neuerdings dargetan; auch ihre Funktion für das physische pwe_046.010
und psychische Selbstverständnis des Menschen ist bedeutend2.

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  Das Hauptverdienst für die neue Annäherung von Sprach- und Literaturwissenschaften3 pwe_046.012
gebührt der sog. Genfer Schule der Linguistik (Fer- pwe_046.013
dinand de Saussure
und Charles Bally4), die vor allem im romanistischen pwe_046.014
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enthüllt die Sprache als lebendiges System von Ausdruckszeichen, das im pwe_046.017
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wird selbst ein Stilphänomen und tritt als solches, besonders wo es um die pwe_046.025
Untersuchung der gefühls- und willensmäßigen Aspekte geht, unter ähnliche pwe_046.026
Gesichtspunkte wie die dichterische Sprache. Ja man kann u. U. von pwe_046.027
der Einheit von Sprach- und Literaturwissenschaft sprechen, sofern ein

1 pwe_046.028
Leo Weisgerber, Die Stellung der Sprache im Aufbau der Gesamtkultur pwe_046.029
(Wörter und Sachen 15, 16).
Heidelberg 1934.
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Zitationshilfe: Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wehrli_poetik_1951/52>, abgerufen am 22.11.2024.