Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_015.001 Inzwischen wirkten innerhalb der Wissenschaft selbst andere Kräfte in pwe_015.018 1 pwe_015.040
H. Rössner, Georgekreis und Literaturwissenschaft. Frankfurt a. M. 1938. pwe_015.001 Inzwischen wirkten innerhalb der Wissenschaft selbst andere Kräfte in pwe_015.018 1 pwe_015.040
H. Rössner, Georgekreis und Literaturwissenschaft. Frankfurt a. M. 1938. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0021" n="15"/><lb n="pwe_015.001"/> selber. Die Schule Stefan Georges<note xml:id="PWE_015_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_015.040"/> H. Rössner, <hi rendition="#i">Georgekreis und Literaturwissenschaft.</hi> Frankfurt a. M. 1938.</note> (<hi rendition="#k">Friedrich Gundolf, Ernst <lb n="pwe_015.002"/> Bertram, Max Kommerell</hi> u. a.) kam einerseits vom französischen Symbolismus, <lb n="pwe_015.003"/> anderseits von der antihistorischen Lebensphilosophie Nietzsches <lb n="pwe_015.004"/> her, fühlte sich aber, über <hi rendition="#k">Dilthey,</hi> auch dem Idealismus verpflichtet. Sie <lb n="pwe_015.005"/> erwarb sich das Verdienst, mit dem größten Nachdruck hinzuweisen auf <lb n="pwe_015.006"/> die Unbedingtheit der reinen dichterischen Gestalt, ihre maßgebende, werthafte <lb n="pwe_015.007"/> Bedeutung. In Konzentration auf verhältnismäßig wenige, aber z. T. <lb n="pwe_015.008"/> neu entdeckte monumentale Figuren gibt sie ihre Darstellung von einem <lb n="pwe_015.009"/> „archimedischen Punkt außerhalb des Zeitalters“ her, ja deklariert sie sogar <lb n="pwe_015.010"/> schließlich als „Mythus“. So überspringt sie das Problem der Historie. In <lb n="pwe_015.011"/> ihren monumentalen, von „innen“ geschriebenen Biographien werden allerdings <lb n="pwe_015.012"/> Werk und Person, als die <hi rendition="#i">eine</hi> Gestalt, kaum getrennt. Sie läuft <lb n="pwe_015.013"/> zwar Gefahr, im Stil ihrer Darstellung Wissenschaft und dichterischen <lb n="pwe_015.014"/> Mythus zu verwischen, aber hat dafür bis auf weiteres der literaturwissenschaftlichen <lb n="pwe_015.015"/> Sprache eine neue Würde und ein neues Verantwortungsgefühl <lb n="pwe_015.016"/> mitgeteilt.</p> <lb n="pwe_015.017"/> <p> Inzwischen wirkten innerhalb der Wissenschaft selbst andere Kräfte in <lb n="pwe_015.018"/> ähnlicher Richtung. Hatte die Dichtung selber versucht, die Urspünglichkeit <lb n="pwe_015.019"/> und Unersetzbarkeit des Kunstwerks zu legitimieren, so trat dieses <lb n="pwe_015.020"/> auch dem Betrachter als Gebilde eigenen Rechts entgegen. Es war zuerst <lb n="pwe_015.021"/> in der Kunstgeschichte der Fall, wo der Werkcharakter des Kunstgebildes <lb n="pwe_015.022"/> sich unmittelbarer aufdrängte als in der Literaturwissenschaft, die dem <lb n="pwe_015.023"/> Wesen des Wortes entsprechend eher dazu neigen mußte, das Mitgeteilte <lb n="pwe_015.024"/> anstelle der Mitteilung, den Dichter anstelle des Werks und die Idee anstelle <lb n="pwe_015.025"/> der Form zu betrachten. So waren es <hi rendition="#k">Wölfflins</hi> Grundbegriffe, die <lb n="pwe_015.026"/> zu Analogien literaturwissenschaftlicher Art verlockten, sei es zu einer entsprechend <lb n="pwe_015.027"/> entwickelten Typologie der Stile (<hi rendition="#k">Strichs</hi> <hi rendition="#i">Klassik und Romantik),</hi> <lb n="pwe_015.028"/> sei es überhaupt zur Parole einer „wechselseitigen Erhellung der <lb n="pwe_015.029"/> Künste“ (<hi rendition="#k">O. Walzel</hi>). Ein neues Sehen-Können, einen Sinn für das <lb n="pwe_015.030"/> Kunstgebilde der dichterischen Gattung und die „Gehörgröße“ des Verses <lb n="pwe_015.031"/> hatte inzwischen ein <hi rendition="#k">Andreas Heusler</hi> gleichsam in aller Stille praktisch <lb n="pwe_015.032"/> bewährt. Eine bloße Übertragung literaturfremder Kategorien aus der <lb n="pwe_015.033"/> Kunstgeschichte konnte allerdings auch zur Verwirrung, d. h. einer bloß <lb n="pwe_015.034"/> metaphorischen Terminologie führen; auch hat die Dichtung andere Formen <lb n="pwe_015.035"/> der geschichtlichen Tradition als die bildende Kunst (worüber neuerdings <lb n="pwe_015.036"/> <hi rendition="#k">E. R. Curtius</hi> handelt). So war der eigene Werkstoff der Dichtung, <lb n="pwe_015.037"/> d. h. die Sprache, mit ihren spezifischen Leistungen und Gesetzmäßigkeiten <lb n="pwe_015.038"/> in Untersuchung zu ziehen; stilistische Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie <lb n="pwe_015.039"/> (<hi rendition="#k">Bally, Vossler, Cassirer</hi>) wurden zur Grundlage auch der Literaturkritik. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0021]
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selber. Die Schule Stefan Georges 1 (Friedrich Gundolf, Ernst pwe_015.002
Bertram, Max Kommerell u. a.) kam einerseits vom französischen Symbolismus, pwe_015.003
anderseits von der antihistorischen Lebensphilosophie Nietzsches pwe_015.004
her, fühlte sich aber, über Dilthey, auch dem Idealismus verpflichtet. Sie pwe_015.005
erwarb sich das Verdienst, mit dem größten Nachdruck hinzuweisen auf pwe_015.006
die Unbedingtheit der reinen dichterischen Gestalt, ihre maßgebende, werthafte pwe_015.007
Bedeutung. In Konzentration auf verhältnismäßig wenige, aber z. T. pwe_015.008
neu entdeckte monumentale Figuren gibt sie ihre Darstellung von einem pwe_015.009
„archimedischen Punkt außerhalb des Zeitalters“ her, ja deklariert sie sogar pwe_015.010
schließlich als „Mythus“. So überspringt sie das Problem der Historie. In pwe_015.011
ihren monumentalen, von „innen“ geschriebenen Biographien werden allerdings pwe_015.012
Werk und Person, als die eine Gestalt, kaum getrennt. Sie läuft pwe_015.013
zwar Gefahr, im Stil ihrer Darstellung Wissenschaft und dichterischen pwe_015.014
Mythus zu verwischen, aber hat dafür bis auf weiteres der literaturwissenschaftlichen pwe_015.015
Sprache eine neue Würde und ein neues Verantwortungsgefühl pwe_015.016
mitgeteilt.
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Inzwischen wirkten innerhalb der Wissenschaft selbst andere Kräfte in pwe_015.018
ähnlicher Richtung. Hatte die Dichtung selber versucht, die Urspünglichkeit pwe_015.019
und Unersetzbarkeit des Kunstwerks zu legitimieren, so trat dieses pwe_015.020
auch dem Betrachter als Gebilde eigenen Rechts entgegen. Es war zuerst pwe_015.021
in der Kunstgeschichte der Fall, wo der Werkcharakter des Kunstgebildes pwe_015.022
sich unmittelbarer aufdrängte als in der Literaturwissenschaft, die dem pwe_015.023
Wesen des Wortes entsprechend eher dazu neigen mußte, das Mitgeteilte pwe_015.024
anstelle der Mitteilung, den Dichter anstelle des Werks und die Idee anstelle pwe_015.025
der Form zu betrachten. So waren es Wölfflins Grundbegriffe, die pwe_015.026
zu Analogien literaturwissenschaftlicher Art verlockten, sei es zu einer entsprechend pwe_015.027
entwickelten Typologie der Stile (Strichs Klassik und Romantik), pwe_015.028
sei es überhaupt zur Parole einer „wechselseitigen Erhellung der pwe_015.029
Künste“ (O. Walzel). Ein neues Sehen-Können, einen Sinn für das pwe_015.030
Kunstgebilde der dichterischen Gattung und die „Gehörgröße“ des Verses pwe_015.031
hatte inzwischen ein Andreas Heusler gleichsam in aller Stille praktisch pwe_015.032
bewährt. Eine bloße Übertragung literaturfremder Kategorien aus der pwe_015.033
Kunstgeschichte konnte allerdings auch zur Verwirrung, d. h. einer bloß pwe_015.034
metaphorischen Terminologie führen; auch hat die Dichtung andere Formen pwe_015.035
der geschichtlichen Tradition als die bildende Kunst (worüber neuerdings pwe_015.036
E. R. Curtius handelt). So war der eigene Werkstoff der Dichtung, pwe_015.037
d. h. die Sprache, mit ihren spezifischen Leistungen und Gesetzmäßigkeiten pwe_015.038
in Untersuchung zu ziehen; stilistische Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie pwe_015.039
(Bally, Vossler, Cassirer) wurden zur Grundlage auch der Literaturkritik.
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H. Rössner, Georgekreis und Literaturwissenschaft. Frankfurt a. M. 1938.
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