Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_131.001 Der entscheidende Einwand ist aber wohl auch hier, daß das dichterische pwe_131.015 pwe_131.001 Der entscheidende Einwand ist aber wohl auch hier, daß das dichterische pwe_131.015 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0137" n="131"/><lb n="pwe_131.001"/> zum schließlichen Paradies der klassenlosen Gesellschaft. Auch ein <lb n="pwe_131.002"/> Wunder wie die deutsche Klassik wird nur danach befragt und tritt nur <lb n="pwe_131.003"/> so weit in Erscheinung, als sie Wegbereiterin des dialektischen Materialismus <lb n="pwe_131.004"/> sein kann. Man hat sich bei <hi rendition="#k">Caudwell</hi> oder <hi rendition="#k">Lukacs</hi> immer wieder verwundert <lb n="pwe_131.005"/> über den Widerspruch zwischen dem scheuklappenartigen Schema <lb n="pwe_131.006"/> des primitiven gedanklichen Rahmens und dem Scharfsinn der oft glänzenden <lb n="pwe_131.007"/> Einzelbemerkungen, die hier nicht wegen, sondern trotz der marxistischen <lb n="pwe_131.008"/> Methode möglich scheinen – es sind sozusagen Literaturwissenschafter <lb n="pwe_131.009"/> malgré eux. Eine andere Erscheinungsform dieses Widerspruches <lb n="pwe_131.010"/> ist es, daß echter wissenschaftlicher Erkenntniswille sich mit ideologischem <lb n="pwe_131.011"/> Aktivismus vermischt und einschränkt. Wo im geistigen Leben bloße Ideologie <lb n="pwe_131.012"/> gesehen wird, kann sich auch die eigene Wissenschaft nicht der Ideologie <lb n="pwe_131.013"/> und Demagogie enthalten; sie hat sich dafür schon immer entschuldigt.</p> <lb n="pwe_131.014"/> <p> Der entscheidende Einwand ist aber wohl auch hier, daß das dichterische <lb n="pwe_131.015"/> Phänomen als solches negiert oder übersehen wird, daß Literaturbetrachtung <lb n="pwe_131.016"/> in den Dienst sachfremder Argumentation tritt. Wenn die Welt Weimars <lb n="pwe_131.017"/> um 1800 als eine geschichtlich – d. h. nach dem marxistischen Fahrplan <lb n="pwe_131.018"/> – „zurückgebliebene“ charakterisiert wird, so mag das im Rahmen <lb n="pwe_131.019"/> einer Entwicklungsgeschichte des Sozialismus richtig sein, hat aber mit <lb n="pwe_131.020"/> Goethe, Goethes Dichtung und Literaturgeschichte nichts mehr zu tun. Die <lb n="pwe_131.021"/> Frage einer historischen Erschließung der Dichtung als Dichtung wird sich <lb n="pwe_131.022"/> nur auf einer andern Ebene stellen und beantworten lassen.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0137]
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zum schließlichen Paradies der klassenlosen Gesellschaft. Auch ein pwe_131.002
Wunder wie die deutsche Klassik wird nur danach befragt und tritt nur pwe_131.003
so weit in Erscheinung, als sie Wegbereiterin des dialektischen Materialismus pwe_131.004
sein kann. Man hat sich bei Caudwell oder Lukacs immer wieder verwundert pwe_131.005
über den Widerspruch zwischen dem scheuklappenartigen Schema pwe_131.006
des primitiven gedanklichen Rahmens und dem Scharfsinn der oft glänzenden pwe_131.007
Einzelbemerkungen, die hier nicht wegen, sondern trotz der marxistischen pwe_131.008
Methode möglich scheinen – es sind sozusagen Literaturwissenschafter pwe_131.009
malgré eux. Eine andere Erscheinungsform dieses Widerspruches pwe_131.010
ist es, daß echter wissenschaftlicher Erkenntniswille sich mit ideologischem pwe_131.011
Aktivismus vermischt und einschränkt. Wo im geistigen Leben bloße Ideologie pwe_131.012
gesehen wird, kann sich auch die eigene Wissenschaft nicht der Ideologie pwe_131.013
und Demagogie enthalten; sie hat sich dafür schon immer entschuldigt.
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Der entscheidende Einwand ist aber wohl auch hier, daß das dichterische pwe_131.015
Phänomen als solches negiert oder übersehen wird, daß Literaturbetrachtung pwe_131.016
in den Dienst sachfremder Argumentation tritt. Wenn die Welt Weimars pwe_131.017
um 1800 als eine geschichtlich – d. h. nach dem marxistischen Fahrplan pwe_131.018
– „zurückgebliebene“ charakterisiert wird, so mag das im Rahmen pwe_131.019
einer Entwicklungsgeschichte des Sozialismus richtig sein, hat aber mit pwe_131.020
Goethe, Goethes Dichtung und Literaturgeschichte nichts mehr zu tun. Die pwe_131.021
Frage einer historischen Erschließung der Dichtung als Dichtung wird sich pwe_131.022
nur auf einer andern Ebene stellen und beantworten lassen.
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