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Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].

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Bemerkungen von Euch darüber, daß er sich in seinem
Verfolgungswahn den Hals abgeschnitten habe.
Alwa (das Porträt mit Lulu vergleichend). Der kindliche
Ausdruck in den Augen ist trotz allem, was sie seitdem
genossen hat, noch ganz derselbe. Aber der frische Tau,
der die Haut bedeckt, der duftige Hauch vor den Lippen,
das strahlende Licht, das sich von der weißen Stirne aus
verbreitet, und diese herausfordernde Pracht des jugend-
lichen Fleisches an Hals und Armen ...
Schigolch. Alles das ist mit dem Kehrichtwagen
gefahren. Sie kann wenigstens sagen: Das war ich mal!
Wem sie heute in die Hände gerät, der macht sich keinen
Begriff mehr von unserer Jugendzeit.
Alwa. Gott sei Dank merkt man den fortschreitenden
Verfall nicht, wenn man fortwährend miteinander verkehrt.
Das Weib blüht für uns in dem Moment, wo es den
Menschen auf Lebenszeit ins Verderben stürzen soll.
Das ist nun einmal so eine Naturbestimmung.
Schigolch. Unten im Laternenschimmer nimmt sie
es noch mit einem Dutzend dieser englischen Windmühlen
auf. Wer um diese Zeit noch eine Bekanntschaft machen
will, der sieht überhaupt nicht auf körperliche Qualitäten.
Er fragt nach den seelischen Vorzügen. Er entscheidet
sich für diejenige Person, von der er am wenigsten
Diebesgelüste zu fürchten hat.
Lulu. Ich werde es ja sehen, ob Du recht hast.
Adieu.
Alwa. Du gehst nicht mehr hinunter, so wahr
ich lebe!
Die Geschwitz. Wo willst Du hin?
Alwa. Sie will sich einen Kerl heraufholen.
Die Geschwitz. Lulu!
Alwa. Sie hat es heute schon einmal gethan.
Bemerkungen von Euch darüber, daß er ſich in ſeinem
Verfolgungswahn den Hals abgeſchnitten habe.
Alwa (das Porträt mit Lulu vergleichend). Der kindliche
Ausdruck in den Augen iſt trotz allem, was ſie ſeitdem
genoſſen hat, noch ganz derſelbe. Aber der friſche Tau,
der die Haut bedeckt, der duftige Hauch vor den Lippen,
das ſtrahlende Licht, das ſich von der weißen Stirne aus
verbreitet, und dieſe herausfordernde Pracht des jugend-
lichen Fleiſches an Hals und Armen …
Schigolch. Alles das iſt mit dem Kehrichtwagen
gefahren. Sie kann wenigſtens ſagen: Das war ich mal!
Wem ſie heute in die Hände gerät, der macht ſich keinen
Begriff mehr von unſerer Jugendzeit.
Alwa. Gott ſei Dank merkt man den fortſchreitenden
Verfall nicht, wenn man fortwährend miteinander verkehrt.
Das Weib blüht für uns in dem Moment, wo es den
Menſchen auf Lebenszeit ins Verderben ſtürzen ſoll.
Das iſt nun einmal ſo eine Naturbeſtimmung.
Schigolch. Unten im Laternenſchimmer nimmt ſie
es noch mit einem Dutzend dieſer engliſchen Windmühlen
auf. Wer um dieſe Zeit noch eine Bekanntſchaft machen
will, der ſieht überhaupt nicht auf körperliche Qualitäten.
Er fragt nach den ſeeliſchen Vorzügen. Er entſcheidet
ſich für diejenige Perſon, von der er am wenigſten
Diebesgelüſte zu fürchten hat.
Lulu. Ich werde es ja ſehen, ob Du recht haſt.
Adieu.
Alwa. Du gehſt nicht mehr hinunter, ſo wahr
ich lebe!
Die Geſchwitz. Wo willſt Du hin?
Alwa. Sie will ſich einen Kerl heraufholen.
Die Geſchwitz. Lulu!
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[74/0082] Bemerkungen von Euch darüber, daß er ſich in ſeinem Verfolgungswahn den Hals abgeſchnitten habe. Alwa (das Porträt mit Lulu vergleichend). Der kindliche Ausdruck in den Augen iſt trotz allem, was ſie ſeitdem genoſſen hat, noch ganz derſelbe. Aber der friſche Tau, der die Haut bedeckt, der duftige Hauch vor den Lippen, das ſtrahlende Licht, das ſich von der weißen Stirne aus verbreitet, und dieſe herausfordernde Pracht des jugend- lichen Fleiſches an Hals und Armen … Schigolch. Alles das iſt mit dem Kehrichtwagen gefahren. Sie kann wenigſtens ſagen: Das war ich mal! Wem ſie heute in die Hände gerät, der macht ſich keinen Begriff mehr von unſerer Jugendzeit. Alwa. Gott ſei Dank merkt man den fortſchreitenden Verfall nicht, wenn man fortwährend miteinander verkehrt. Das Weib blüht für uns in dem Moment, wo es den Menſchen auf Lebenszeit ins Verderben ſtürzen ſoll. Das iſt nun einmal ſo eine Naturbeſtimmung. Schigolch. Unten im Laternenſchimmer nimmt ſie es noch mit einem Dutzend dieſer engliſchen Windmühlen auf. Wer um dieſe Zeit noch eine Bekanntſchaft machen will, der ſieht überhaupt nicht auf körperliche Qualitäten. Er fragt nach den ſeeliſchen Vorzügen. Er entſcheidet ſich für diejenige Perſon, von der er am wenigſten Diebesgelüſte zu fürchten hat. Lulu. Ich werde es ja ſehen, ob Du recht haſt. Adieu. Alwa. Du gehſt nicht mehr hinunter, ſo wahr ich lebe! Die Geſchwitz. Wo willſt Du hin? Alwa. Sie will ſich einen Kerl heraufholen. Die Geſchwitz. Lulu! Alwa. Sie hat es heute ſchon einmal gethan.

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903], S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902/82>, abgerufen am 24.11.2024.