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Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

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Moritz. -- Lautlos wie eine Katze!
Ilse. Weil ich meine Ballschuhe anhabe. -- Mutter wird
Augen machen! -- Komm bis an unser Haus mit!
Moritz. Wo hast du wieder herumgestrolcht?
Ilse. In der Priapia.
Moritz. Priapia?
Ilse. Bei Nohl, bei Fehrendorf, bei Pradinsky,
bei Lenz, Rank, Spühler -- bei allen möglichen! -- Kling,
kling -- die wird springen!
Moritz. Malen sie dich?
Ilse. Fehrendorf malt mich als Säulenheilige. Ich
stehe auf einem korinthischen Kapitäl. Fehrendorf, sag' ich
dir, ist eine verhauene Nudel. Das letzte Mal zertrat ich ihm
eine Tube. Er wischt mir die Pinsel in's Haar. Ich versetze
ihm eine Ohrfeige. Er warf mir die Palette an den Kopf. Ich
schmiß die Staffelei um. Er mit dem Malstock hinter mir drein
über Divan, Tische, Stühle, ringsum durch's Atelier. Hinterm
Ofen lag eine Skizze: -- Artig sein, oder ich reiße sie durch! --
Er schwor Amnestie und hat mich dann schließlich noch schrecklich
-- schrecklich, sag' ich dir -- abgeküßt.
Moritz. Wo übernachtest du, wenn du in der Stadt bleibst?
Ilse. Gestern waren wir bei Nohl -- vorgestern bei Bojoke-
witsch
-- am Sonntag bei Oikonomopulos. Bei Padinsky
gab's Sekt. Valabregez hatte seinen Pestkranken verkauft.
Adelar trank aus der Zuckerdose. Lenz sang die Kinds-
mörderin
und Adolar schlug die Guitarre krumm. Ich war
so betrunken, daß sie mich zu Bett bringen mußten. -- -- Du
gehst immer noch zur Schule, Moritz?
Moritz. Nein, nein ... dieses Quartal nehme ich meine
Entlassung.
Moritz. — Lautlos wie eine Katze!
Ilſe. Weil ich meine Ballſchuhe anhabe. — Mutter wird
Augen machen! — Komm bis an unſer Haus mit!
Moritz. Wo haſt du wieder herumgeſtrolcht?
Ilſe. In der Priapia.
Moritz. Priapia?
Ilſe. Bei Nohl, bei Fehrendorf, bei Pradinsky,
bei Lenz, Rank, Spühler — bei allen möglichen! — Kling,
kling — die wird ſpringen!
Moritz. Malen ſie dich?
Ilſe. Fehrendorf malt mich als Säulenheilige. Ich
ſtehe auf einem korinthiſchen Kapitäl. Fehrendorf, ſag' ich
dir, iſt eine verhauene Nudel. Das letzte Mal zertrat ich ihm
eine Tube. Er wiſcht mir die Pinſel in's Haar. Ich verſetze
ihm eine Ohrfeige. Er warf mir die Palette an den Kopf. Ich
ſchmiß die Staffelei um. Er mit dem Malſtock hinter mir drein
über Divan, Tiſche, Stühle, ringsum durch's Atelier. Hinterm
Ofen lag eine Skizze: — Artig ſein, oder ich reiße ſie durch! —
Er ſchwor Amneſtie und hat mich dann ſchließlich noch ſchrecklich
— ſchrecklich, ſag' ich dir — abgeküßt.
Moritz. Wo übernachteſt du, wenn du in der Stadt bleibſt?
Ilſe. Geſtern waren wir bei Nohl — vorgeſtern bei Bojoke-
witſch
— am Sonntag bei Oikonomopulos. Bei Padinsky
gab's Sekt. Valabregez hatte ſeinen Peſtkranken verkauft.
Adelar trank aus der Zuckerdoſe. Lenz ſang die Kinds-
mörderin
und Adolar ſchlug die Guitarre krumm. Ich war
ſo betrunken, daß ſie mich zu Bett bringen mußten. — — Du
gehſt immer noch zur Schule, Moritz?
Moritz. Nein, nein … dieſes Quartal nehme ich meine
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[45/0061] Moritz. — Lautlos wie eine Katze! Ilſe. Weil ich meine Ballſchuhe anhabe. — Mutter wird Augen machen! — Komm bis an unſer Haus mit! Moritz. Wo haſt du wieder herumgeſtrolcht? Ilſe. In der Priapia. Moritz. Priapia? Ilſe. Bei Nohl, bei Fehrendorf, bei Pradinsky, bei Lenz, Rank, Spühler — bei allen möglichen! — Kling, kling — die wird ſpringen! Moritz. Malen ſie dich? Ilſe. Fehrendorf malt mich als Säulenheilige. Ich ſtehe auf einem korinthiſchen Kapitäl. Fehrendorf, ſag' ich dir, iſt eine verhauene Nudel. Das letzte Mal zertrat ich ihm eine Tube. Er wiſcht mir die Pinſel in's Haar. Ich verſetze ihm eine Ohrfeige. Er warf mir die Palette an den Kopf. Ich ſchmiß die Staffelei um. Er mit dem Malſtock hinter mir drein über Divan, Tiſche, Stühle, ringsum durch's Atelier. Hinterm Ofen lag eine Skizze: — Artig ſein, oder ich reiße ſie durch! — Er ſchwor Amneſtie und hat mich dann ſchließlich noch ſchrecklich — ſchrecklich, ſag' ich dir — abgeküßt. Moritz. Wo übernachteſt du, wenn du in der Stadt bleibſt? Ilſe. Geſtern waren wir bei Nohl — vorgeſtern bei Bojoke- witſch — am Sonntag bei Oikonomopulos. Bei Padinsky gab's Sekt. Valabregez hatte ſeinen Peſtkranken verkauft. Adelar trank aus der Zuckerdoſe. Lenz ſang die Kinds- mörderin und Adolar ſchlug die Guitarre krumm. Ich war ſo betrunken, daß ſie mich zu Bett bringen mußten. — — Du gehſt immer noch zur Schule, Moritz? Moritz. Nein, nein … dieſes Quartal nehme ich meine Entlaſſung.

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/61>, abgerufen am 24.11.2024.