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Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

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Leibeskräften an Schlagsahne denken. Schlagsahne hält nicht
auf. Sie stopft und hinterläßt dabei doch einen angenehmen
Nachgeschmack ... Auch die Menschen hatte ich mir unendlich
schlimmer gedacht. Ich habe keinen gefunden, der nicht sein
bestes gewollt hätte. Ich habe manchen bemitleidet um meinet-
willen.

Ich wandle zum Altar wie der Jüngling im alten Etrurien,
dessen letztes Röcheln der Brüder Wohlergehen für das kommende
Jahr erkauft. -- Ich durchkoste Zug für Zug die geheimnißvollen
Schauer der Loslösung. Ich schluchze vor Wehmuth über mein
Loos. -- -- Das Leben hat mir die kalte Schulter gezeigt. Von
drüben her sehe ich ernste freundliche Blicke winken: die kopflose
Königin, die kopflose Königin -- Mitgefühl, mich mit weichen
Armen erwartend ... Eure Gebote gelten für Unmündige; ich
trage mein Freibillet in mir. Sinkt die Schale, dann flattert
der Falter davon; das Trugbild genirt nicht mehr. -- Ihr solltet
kein tolles Spiel mit dem Schwindel treiben! Der Nebel zerrinnt;
das Leben ist Geschmacksache.
Ilse (in abgerißenen Kleidern, ein buntes Tuch um den Kopf, faßt ihn von
rückwärts an der Schulter).
Was hast du verloren?
Moritz. Ilse?!
Ilse. Was suchst du hier?
Moritz. Was erschreckst du mich so?
Ilse. Was suchst du? -- Was hast du verloren?
Moritz. Was erschreckst du mich denn so entsetzlich?
Ilse. Ich komme aus der Stadt. -- Ich gehe nach Hause.
Moritz. Ich weiß nicht, was ich verloren habe.
Ilse. Dann hilft auch dein Suchen nichts.
Moritz. Sakerment, Sakerment!!
Ilse. Seit vier Tagen bin ich nicht zu Hause gewesen.
Leibeskräften an Schlagſahne denken. Schlagſahne hält nicht
auf. Sie ſtopft und hinterläßt dabei doch einen angenehmen
Nachgeſchmack … Auch die Menſchen hatte ich mir unendlich
ſchlimmer gedacht. Ich habe keinen gefunden, der nicht ſein
beſtes gewollt hätte. Ich habe manchen bemitleidet um meinet-
willen.

Ich wandle zum Altar wie der Jüngling im alten Etrurien,
deſſen letztes Röcheln der Brüder Wohlergehen für das kommende
Jahr erkauft. — Ich durchkoſte Zug für Zug die geheimnißvollen
Schauer der Loslöſung. Ich ſchluchze vor Wehmuth über mein
Loos. — — Das Leben hat mir die kalte Schulter gezeigt. Von
drüben her ſehe ich ernſte freundliche Blicke winken: die kopfloſe
Königin, die kopfloſe Königin — Mitgefühl, mich mit weichen
Armen erwartend … Eure Gebote gelten für Unmündige; ich
trage mein Freibillet in mir. Sinkt die Schale, dann flattert
der Falter davon; das Trugbild genirt nicht mehr. — Ihr ſolltet
kein tolles Spiel mit dem Schwindel treiben! Der Nebel zerrinnt;
das Leben iſt Geſchmackſache.
Ilſe (in abgerißenen Kleidern, ein buntes Tuch um den Kopf, faßt ihn von
rückwärts an der Schulter).
Was haſt du verloren?
Moritz. Ilſe?!
Ilſe. Was ſuchſt du hier?
Moritz. Was erſchreckſt du mich ſo?
Ilſe. Was ſuchſt du? — Was haſt du verloren?
Moritz. Was erſchreckſt du mich denn ſo entſetzlich?
Ilſe. Ich komme aus der Stadt. — Ich gehe nach Hauſe.
Moritz. Ich weiß nicht, was ich verloren habe.
Ilſe. Dann hilft auch dein Suchen nichts.
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[44/0060] Leibeskräften an Schlagſahne denken. Schlagſahne hält nicht auf. Sie ſtopft und hinterläßt dabei doch einen angenehmen Nachgeſchmack … Auch die Menſchen hatte ich mir unendlich ſchlimmer gedacht. Ich habe keinen gefunden, der nicht ſein beſtes gewollt hätte. Ich habe manchen bemitleidet um meinet- willen. Ich wandle zum Altar wie der Jüngling im alten Etrurien, deſſen letztes Röcheln der Brüder Wohlergehen für das kommende Jahr erkauft. — Ich durchkoſte Zug für Zug die geheimnißvollen Schauer der Loslöſung. Ich ſchluchze vor Wehmuth über mein Loos. — — Das Leben hat mir die kalte Schulter gezeigt. Von drüben her ſehe ich ernſte freundliche Blicke winken: die kopfloſe Königin, die kopfloſe Königin — Mitgefühl, mich mit weichen Armen erwartend … Eure Gebote gelten für Unmündige; ich trage mein Freibillet in mir. Sinkt die Schale, dann flattert der Falter davon; das Trugbild genirt nicht mehr. — Ihr ſolltet kein tolles Spiel mit dem Schwindel treiben! Der Nebel zerrinnt; das Leben iſt Geſchmackſache. Ilſe (in abgerißenen Kleidern, ein buntes Tuch um den Kopf, faßt ihn von rückwärts an der Schulter). Was haſt du verloren? Moritz. Ilſe?! Ilſe. Was ſuchſt du hier? Moritz. Was erſchreckſt du mich ſo? Ilſe. Was ſuchſt du? — Was haſt du verloren? Moritz. Was erſchreckſt du mich denn ſo entſetzlich? Ilſe. Ich komme aus der Stadt. — Ich gehe nach Hauſe. Moritz. Ich weiß nicht, was ich verloren habe. Ilſe. Dann hilft auch dein Suchen nichts. Moritz. Sakerment, Sakerment!! Ilſe. Seit vier Tagen bin ich nicht zu Hauſe geweſen.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/60>, abgerufen am 27.11.2024.