Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895.
fühlen würden -- bei unbegrenzten Mitteln -- um durchaus als Ihre eigene Herrin zu leben? Lulu (in kurzem hellem Plisse-Unterrock und weißem Atlaskorset, schwarze Schuhe und Strümpfe, Schellensporen unter den Absätzen, tritt hinter der spanischen Wand vor, mit dem Schnüren ihres Korsets beschäftigt). Wenn ich nur einen Abend mal nicht auftrete, dann träume ich die ganze Nacht hindurch, daß ich tanze, und fühle mich am folgenden Tag wie gerädert ... Escerny. Wenn Sie am Abend wirklich tanzen, dann spüren Sie am folgenden Tag keine Ermüdung? Lulu. Nein. -- Das heißt, ich schleppe mich vom Sofa zum Diwan, vom Diwan zur Chaiselongue und fühle mich wie im Himmel -- -- bis es mich am Abend wieder überkommt ... Escerny. Aber was könnte es Ihnen dabei ausmachen, statt dieses Pöbels nur einen Zuschauer vor sich zu sehen? Lulu. Das könnte mir gleichgültig sein. Ich sehe ja doch niemanden. Escerny. Es wird Ihnen schwer, sich hineinzudenken? -- Ein erleuchteter Gartensaal -- das Plätschern vom See herauf ...
fühlen würden — bei unbegrenzten Mitteln — um durchaus als Ihre eigene Herrin zu leben? Lulu (in kurzem hellem Pliſſé-Unterrock und weißem Atlaskorſet, ſchwarze Schuhe und Strümpfe, Schellenſporen unter den Abſätzen, tritt hinter der ſpaniſchen Wand vor, mit dem Schnüren ihres Korſets beſchäftigt). Wenn ich nur einen Abend mal nicht auftrete, dann träume ich die ganze Nacht hindurch, daß ich tanze, und fühle mich am folgenden Tag wie gerädert … Eſcerny. Wenn Sie am Abend wirklich tanzen, dann ſpüren Sie am folgenden Tag keine Ermüdung? Lulu. Nein. — Das heißt, ich ſchleppe mich vom Sofa zum Diwan, vom Diwan zur Chaiſelongue und fühle mich wie im Himmel — — bis es mich am Abend wieder überkommt … Eſcerny. Aber was könnte es Ihnen dabei ausmachen, ſtatt dieſes Pöbels nur einen Zuſchauer vor ſich zu ſehen? Lulu. Das könnte mir gleichgültig ſein. Ich ſehe ja doch niemanden. Eſcerny. Es wird Ihnen ſchwer, ſich hineinzudenken? — Ein erleuchteter Gartenſaal — das Plätſchern vom See herauf … <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#ESC"> <p><pb facs="#f0145" n="139"/> fühlen würden — bei unbegrenzten Mitteln —<lb/> um durchaus als Ihre <hi rendition="#g">eigene Herrin</hi> zu leben?</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu</hi> </speaker> <stage>(in kurzem hellem Pliſſ<hi rendition="#aq">é</hi>-Unterrock und weißem Atlaskorſet,<lb/> ſchwarze Schuhe und Strümpfe, Schellenſporen unter den Abſätzen,<lb/> tritt hinter der ſpaniſchen Wand vor, mit dem Schnüren ihres Korſets<lb/> beſchäftigt).</stage><lb/> <p>Wenn ich nur einen Abend mal nicht auftrete, dann<lb/> träume ich die ganze Nacht hindurch, daß ich tanze,<lb/> und fühle mich am folgenden Tag wie gerädert …</p> </sp><lb/> <sp who="#ESC"> <speaker> <hi rendition="#b">Eſcerny.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenn Sie am Abend wirklich tanzen, dann<lb/> ſpüren Sie am folgenden Tag keine Ermüdung?</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Nein. — Das heißt, ich ſchleppe mich vom<lb/> Sofa zum Diwan, vom Diwan zur Chaiſelongue<lb/> und fühle mich wie im Himmel — — bis es<lb/> mich am Abend wieder überkommt …</p> </sp><lb/> <sp who="#ESC"> <speaker> <hi rendition="#b">Eſcerny.</hi> </speaker><lb/> <p>Aber was könnte es Ihnen dabei ausmachen,<lb/> ſtatt dieſes Pöbels nur <hi rendition="#g">einen</hi> Zuſchauer vor ſich<lb/> zu ſehen?</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Das könnte mir gleichgültig ſein. Ich ſehe ja<lb/> doch niemanden.</p> </sp><lb/> <sp who="#ESC"> <speaker> <hi rendition="#b">Eſcerny.</hi> </speaker><lb/> <p>Es wird Ihnen ſchwer, ſich hineinzudenken? —<lb/> Ein erleuchteter Gartenſaal — das Plätſchern vom<lb/> See herauf …</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [139/0145]
fühlen würden — bei unbegrenzten Mitteln —
um durchaus als Ihre eigene Herrin zu leben?
Lulu (in kurzem hellem Pliſſé-Unterrock und weißem Atlaskorſet,
ſchwarze Schuhe und Strümpfe, Schellenſporen unter den Abſätzen,
tritt hinter der ſpaniſchen Wand vor, mit dem Schnüren ihres Korſets
beſchäftigt).
Wenn ich nur einen Abend mal nicht auftrete, dann
träume ich die ganze Nacht hindurch, daß ich tanze,
und fühle mich am folgenden Tag wie gerädert …
Eſcerny.
Wenn Sie am Abend wirklich tanzen, dann
ſpüren Sie am folgenden Tag keine Ermüdung?
Lulu.
Nein. — Das heißt, ich ſchleppe mich vom
Sofa zum Diwan, vom Diwan zur Chaiſelongue
und fühle mich wie im Himmel — — bis es
mich am Abend wieder überkommt …
Eſcerny.
Aber was könnte es Ihnen dabei ausmachen,
ſtatt dieſes Pöbels nur einen Zuſchauer vor ſich
zu ſehen?
Lulu.
Das könnte mir gleichgültig ſein. Ich ſehe ja
doch niemanden.
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Zitationshilfe: | Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erdgeist_1895/145>, abgerufen am 23.07.2024. |