Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895. Lulu. Jetzt habe ich noch fünf Kostüme vor mir: Dancinggirl, Ballerina, Königin der Nacht, Ariel und Lascaris ... (Tritt hinter die spanische Wand zurück.) Escerny. Würden Sie es für möglich halten, daß ich bei unserem ersten Rencontre nicht anders gewärtig war, als mit einer jungen Dame aus der litera- rischen Welt bekannt zu werden? -- -- -- (Setzt sich rechts neben den Mitteltisch, wo er bis zum Schluß der Scene sitzen bleibt.) Sollte ich mich in der Beurteilung Ihrer Natur irren, oder habe ich das Lächeln, das die dröhnenden Beifallsstürme auf Ihren Lippen hervor- rufen, richtig gedeutet? -- --: daß Sie unter der Notwendigkeit, Ihre Kunst vor Leuten von zweifel- haften Interessen entwürdigen zu müssen, leiden? -- -- -- (Da Lulu nicht antwortet:) Daß Sie den Schimmer der Öffentlichkeit jeden Augenblick gegen ein ruhiges, sonniges Glück in vornehmer Abge- schlossenheit eintauschen würden? -- -- -- (Da Lulu nicht antwortet:) Daß Sie Hoheit und Würde genug in sich fühlen, einen Mann zu Ihren Füßen zu fesseln -- um sich an seiner vollkommenen Hilf- losigkeit zu freuen? -- -- -- (Da Lulu nicht antwortet:) Daß Sie sich an einem würdigeren Platz als hier in einer mit reichlichem Komfort ausgestatteten Villa Lulu. Jetzt habe ich noch fünf Koſtüme vor mir: Dancinggirl, Ballerina, Königin der Nacht, Ariel und Lascaris … (Tritt hinter die ſpaniſche Wand zurück.) Eſcerny. Würden Sie es für möglich halten, daß ich bei unſerem erſten Rencontre nicht anders gewärtig war, als mit einer jungen Dame aus der litera- riſchen Welt bekannt zu werden? — — — (Setzt ſich rechts neben den Mitteltiſch, wo er bis zum Schluß der Scene ſitzen bleibt.) Sollte ich mich in der Beurteilung Ihrer Natur irren, oder habe ich das Lächeln, das die dröhnenden Beifallsſtürme auf Ihren Lippen hervor- rufen, richtig gedeutet? — —: daß Sie unter der Notwendigkeit, Ihre Kunſt vor Leuten von zweifel- haften Intereſſen entwürdigen zu müſſen, leiden? — — — (Da Lulu nicht antwortet:) Daß Sie den Schimmer der Öffentlichkeit jeden Augenblick gegen ein ruhiges, ſonniges Glück in vornehmer Abge- ſchloſſenheit eintauſchen würden? — — — (Da Lulu nicht antwortet:) Daß Sie Hoheit und Würde genug in ſich fühlen, einen Mann zu Ihren Füßen zu feſſeln — um ſich an ſeiner vollkommenen Hilf- loſigkeit zu freuen? — — — (Da Lulu nicht antwortet:) Daß Sie ſich an einem würdigeren Platz als hier in einer mit reichlichem Komfort ausgeſtatteten Villa <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0144" n="138"/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Jetzt habe ich noch fünf Koſtüme vor mir:<lb/> Dancinggirl, Ballerina, Königin der Nacht, Ariel<lb/> und Lascaris …</p> <stage>(Tritt hinter die ſpaniſche Wand zurück.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#ESC"> <speaker> <hi rendition="#b">Eſcerny.</hi> </speaker><lb/> <p>Würden Sie es für möglich halten, daß ich bei<lb/> unſerem erſten Rencontre nicht anders gewärtig<lb/> war, als mit einer jungen Dame aus der litera-<lb/> riſchen Welt bekannt zu werden? — — —</p> <stage>(Setzt<lb/> ſich rechts neben den Mitteltiſch, wo er bis zum Schluß der Scene<lb/> ſitzen bleibt.)</stage> <p>Sollte ich mich in der Beurteilung Ihrer<lb/> Natur irren, oder habe ich das Lächeln, das die<lb/> dröhnenden Beifallsſtürme auf Ihren Lippen hervor-<lb/> rufen, richtig gedeutet? — —: daß Sie unter der<lb/> Notwendigkeit, Ihre Kunſt vor Leuten von zweifel-<lb/> haften Intereſſen entwürdigen zu müſſen, leiden?<lb/> — — —</p> <stage>(Da Lulu nicht antwortet:)</stage> <p>Daß Sie den<lb/> Schimmer der Öffentlichkeit jeden Augenblick gegen<lb/> ein ruhiges, ſonniges Glück in vornehmer Abge-<lb/> ſchloſſenheit eintauſchen würden? — — —</p> <stage>(Da Lulu<lb/> nicht antwortet:)</stage> <p>Daß Sie Hoheit und Würde genug<lb/> in ſich fühlen, einen Mann zu Ihren Füßen zu<lb/> feſſeln — um ſich an ſeiner vollkommenen Hilf-<lb/> loſigkeit zu freuen? — — —</p> <stage>(Da Lulu nicht antwortet:)</stage><lb/> <p>Daß Sie ſich an einem würdigeren Platz als hier<lb/> in einer mit reichlichem Komfort ausgeſtatteten Villa<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0144]
Lulu.
Jetzt habe ich noch fünf Koſtüme vor mir:
Dancinggirl, Ballerina, Königin der Nacht, Ariel
und Lascaris … (Tritt hinter die ſpaniſche Wand zurück.)
Eſcerny.
Würden Sie es für möglich halten, daß ich bei
unſerem erſten Rencontre nicht anders gewärtig
war, als mit einer jungen Dame aus der litera-
riſchen Welt bekannt zu werden? — — — (Setzt
ſich rechts neben den Mitteltiſch, wo er bis zum Schluß der Scene
ſitzen bleibt.) Sollte ich mich in der Beurteilung Ihrer
Natur irren, oder habe ich das Lächeln, das die
dröhnenden Beifallsſtürme auf Ihren Lippen hervor-
rufen, richtig gedeutet? — —: daß Sie unter der
Notwendigkeit, Ihre Kunſt vor Leuten von zweifel-
haften Intereſſen entwürdigen zu müſſen, leiden?
— — — (Da Lulu nicht antwortet:) Daß Sie den
Schimmer der Öffentlichkeit jeden Augenblick gegen
ein ruhiges, ſonniges Glück in vornehmer Abge-
ſchloſſenheit eintauſchen würden? — — — (Da Lulu
nicht antwortet:) Daß Sie Hoheit und Würde genug
in ſich fühlen, einen Mann zu Ihren Füßen zu
feſſeln — um ſich an ſeiner vollkommenen Hilf-
loſigkeit zu freuen? — — — (Da Lulu nicht antwortet:)
Daß Sie ſich an einem würdigeren Platz als hier
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