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Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.

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heilswichtige Tatsachen - als solche also, welche eine sinn-
volle Lebensführung erst ermöglichen - schlechthin zu glauben
sind und daß bestimmte Zuständlichkeiten und Handlungen die
Qualität der Heiligkeit besitzen - das heißt: eine religiös-sinn-
volle Lebensführung oder doch deren Bestandteile bilden. Und
ihre Frage ist dann wiederum: Wie lassen sich diese schlechthin
anzunehmenden Voraussetzungen innerhalb eines Gesamtwelt-
bildes sinnvoll deuten? Jene Voraussetzungen selbst liegen dabei
für die Theologie jenseits dessen, was "Wissenschaft" ist. Sie
sind kein "Wissen" im gewöhnlich verstandenen Sinn, sondern
ein "Haben". Wer sie - den Glauben oder die sonstigen
heiligen Zuständlichkeiten - nicht "hat", dem kann sie keine
Theologie ersetzen. Erst recht nicht eine andere Wissenschaft.
Jm Gegenteil: in jeder "positiven" Theologie gelangt der
Gläubige an den Punkt, wo der Augustinische Satz gilt: credo
non quod, sed quia absurdum est
. Die Fähigkeit zu dieser
Virtuosenleistung des "Opfers des Jntellekts" ist das ent-
scheidende Merkmal des positiv religiösen Menschen. Und
daß dem so ist: - dieser Sachverhalt zeigt, daß trotz (viel-
mehr infolge) der Theologie (die ihn ja enthüllt) die Spannung
zwischen der Wertsphäre der "Wissenschaft" und der des reli-
giösen Heils unüberbrückbar ist.

Das "Opfer des Jntellekts" bringt rechtmäßigerweise nur
der Jünger dem Propheten, der Gläubige der Kirche. Noch
nie ist aber eine neue Prophetie dadurch entstanden (ich wieder-
hole dieses Bild, das manchen anstößig gewesen ist, hier ab-
sichtlich:) daß manche moderne Jntellektuelle das Bedürfnis
haben, sich in ihrer Seele sozusagen mit garantiert echten, alten
Sachen auszumöblieren und sich dabei dann noch daran er-
innern, daß dazu auch die Religion gehört hat, die sie nun
einmal nicht haben, für die sie nun aber eine Art von spiele-
risch mit Heiligenbildchen aus aller Herren Länder möblierter
Hauskapelle als Ersatz sich aufputzen oder ein Surrogat
schaffen in allerhand Arten des Erlebens, denen sie die Würde
mystischen Heiligkeitsbesitzes zuschreiben und mit dem sie -
auf dem Büchermarkt hausieren gehen. Das ist einfach:
Schwindel oder Selbstbetrug. Durchaus kein Schwindel, son-

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heilswichtige Tatſachen – als ſolche alſo, welche eine ſinn-
volle Lebensführung erſt ermöglichen – ſchlechthin zu glauben
ſind und daß beſtimmte Zuſtändlichkeiten und Handlungen die
Qualität der Heiligkeit beſitzen – das heißt: eine religiös-sinn-
volle Lebensführung oder doch deren Beſtandteile bilden. Und
ihre Frage iſt dann wiederum: Wie laſſen ſich dieſe ſchlechthin
anzunehmenden Vorausſetzungen innerhalb eines Geſamtwelt-
bildes ſinnvoll deuten? Jene Vorausſetzungen ſelbſt liegen dabei
für die Theologie jenſeits deſſen, was „Wiſſenſchaft“ iſt. Sie
ſind kein „Wiſſen“ im gewöhnlich verſtandenen Sinn, ſondern
ein „Haben“. Wer ſie – den Glauben oder die ſonſtigen
heiligen Zuſtändlichkeiten – nicht „hat“, dem kann ſie keine
Theologie erſetzen. Erſt recht nicht eine andere Wiſſenſchaft.
Jm Gegenteil: in jeder „poſitiven“ Theologie gelangt der
Gläubige an den Punkt, wo der Auguſtiniſche Satz gilt: credo
non quod, sed quia absurdum est
. Die Fähigkeit zu dieſer
Virtuoſenleiſtung des „Opfers des Jntellekts“ iſt das ent-
ſcheidende Merkmal des poſitiv religiöſen Menſchen. Und
daß dem ſo iſt: – dieſer Sachverhalt zeigt, daß trotz (viel-
mehr infolge) der Theologie (die ihn ja enthüllt) die Spannung
zwiſchen der Wertſphäre der „Wiſſenſchaft“ und der des reli-
giöſen Heils unüberbrückbar iſt.

Das „Opfer des Jntellekts“ bringt rechtmäßigerweiſe nur
der Jünger dem Propheten, der Gläubige der Kirche. Noch
nie iſt aber eine neue Prophetie dadurch entſtanden (ich wieder-
hole dieſes Bild, das manchen anſtößig geweſen iſt, hier ab-
ſichtlich:) daß manche moderne Jntellektuelle das Bedürfnis
haben, ſich in ihrer Seele ſozuſagen mit garantiert echten, alten
Sachen auszumöblieren und ſich dabei dann noch daran er-
innern, daß dazu auch die Religion gehört hat, die ſie nun
einmal nicht haben, für die ſie nun aber eine Art von ſpiele-
riſch mit Heiligenbildchen aus aller Herren Länder möblierter
Hauskapelle als Erſatz ſich aufputzen oder ein Surrogat
ſchaffen in allerhand Arten des Erlebens, denen ſie die Würde
myſtiſchen Heiligkeitsbeſitzes zuſchreiben und mit dem ſie –
auf dem Büchermarkt hausieren gehen. Das iſt einfach:
Schwindel oder Selbſtbetrug. Durchaus kein Schwindel, ſon-

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[35/0034] heilswichtige Tatſachen – als ſolche alſo, welche eine ſinn- volle Lebensführung erſt ermöglichen – ſchlechthin zu glauben ſind und daß beſtimmte Zuſtändlichkeiten und Handlungen die Qualität der Heiligkeit beſitzen – das heißt: eine religiös-sinn- volle Lebensführung oder doch deren Beſtandteile bilden. Und ihre Frage iſt dann wiederum: Wie laſſen ſich dieſe ſchlechthin anzunehmenden Vorausſetzungen innerhalb eines Geſamtwelt- bildes ſinnvoll deuten? Jene Vorausſetzungen ſelbſt liegen dabei für die Theologie jenſeits deſſen, was „Wiſſenſchaft“ iſt. Sie ſind kein „Wiſſen“ im gewöhnlich verſtandenen Sinn, ſondern ein „Haben“. Wer ſie – den Glauben oder die ſonſtigen heiligen Zuſtändlichkeiten – nicht „hat“, dem kann ſie keine Theologie erſetzen. Erſt recht nicht eine andere Wiſſenſchaft. Jm Gegenteil: in jeder „poſitiven“ Theologie gelangt der Gläubige an den Punkt, wo der Auguſtiniſche Satz gilt: credo non quod, sed quia absurdum est. Die Fähigkeit zu dieſer Virtuoſenleiſtung des „Opfers des Jntellekts“ iſt das ent- ſcheidende Merkmal des poſitiv religiöſen Menſchen. Und daß dem ſo iſt: – dieſer Sachverhalt zeigt, daß trotz (viel- mehr infolge) der Theologie (die ihn ja enthüllt) die Spannung zwiſchen der Wertſphäre der „Wiſſenſchaft“ und der des reli- giöſen Heils unüberbrückbar iſt. Das „Opfer des Jntellekts“ bringt rechtmäßigerweiſe nur der Jünger dem Propheten, der Gläubige der Kirche. Noch nie iſt aber eine neue Prophetie dadurch entſtanden (ich wieder- hole dieſes Bild, das manchen anſtößig geweſen iſt, hier ab- ſichtlich:) daß manche moderne Jntellektuelle das Bedürfnis haben, ſich in ihrer Seele ſozuſagen mit garantiert echten, alten Sachen auszumöblieren und ſich dabei dann noch daran er- innern, daß dazu auch die Religion gehört hat, die ſie nun einmal nicht haben, für die ſie nun aber eine Art von ſpiele- riſch mit Heiligenbildchen aus aller Herren Länder möblierter Hauskapelle als Erſatz ſich aufputzen oder ein Surrogat ſchaffen in allerhand Arten des Erlebens, denen ſie die Würde myſtiſchen Heiligkeitsbeſitzes zuſchreiben und mit dem ſie – auf dem Büchermarkt hausieren gehen. Das iſt einfach: Schwindel oder Selbſtbetrug. Durchaus kein Schwindel, ſon- 3*

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Zitationshilfe: Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_wissenschaft_1919/34>, abgerufen am 30.11.2024.