Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.und nehmen dürfen. Bedenken Sie: es hängt der Wert des Sie werden schließlich die Frage stellen: wenn dem so ist, und nehmen dürfen. Bedenken Sie: es hängt der Wert des Sie werden ſchließlich die Frage ſtellen: wenn dem ſo iſt, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0029" n="30"/> und nehmen dürfen. Bedenken Sie: es hängt der Wert des<lb/> Menſchen ja nicht davon ab, ob er Führerqualitäten beſitzt. Und<lb/> jedenfalls ſind es nicht die Qualitäten, die jemanden zu einem<lb/> ausgezeichneten Gelehrten und akademiſchen Lehrer machen, die<lb/> ihn zum Führer auf dem Gebiet der praktiſchen Lebensorien-<lb/> tierung oder, ſpezieller, der Politik machen. Es iſt der reine<lb/> Zufall, wenn jemand auch dieſe Qualität beſitzt, und ſehr be-<lb/> denklich iſt es, wenn jeder, der auf dem Katheder ſteht, ſich<lb/> vor die Zumutung geſtellt fühlt, ſie in Anſpruch zu nehmen.<lb/> Noch bedenklicher, wenn es jedem akademiſchen Lehrer über-<lb/> laſſen bleibt, ſich im Hörſaal als Führer aufzuſpielen. Denn<lb/> die, welche ſich am meiſten dafür halten, ſind es oft am<lb/> wenigſten, und vor allem: ob ſie es ſind oder nicht, dafür bietet<lb/> die Situation auf dem Katheder ſchlechterdings keine Möglich-<lb/> keit der <hi rendition="#g">Bewährung</hi>. Der Profeſſor, der ſich zum Berater<lb/> der Jugend berufen fühlt und ihr Vertrauen genießt, möge im<lb/> perſönlichen Verkehr von Menſch zu Menſch mit ihr ſeinen<lb/> Mann ſtehen. Und fühlt er ſich zum Eingreifen in die Kämpfe<lb/> der Weltanſchauungen und Parteimeinungen berufen, ſo möge<lb/> er das draußen auf dem Markt des Lebens tun: in der Preſſe,<lb/> in Verſammlungen, in Vereinen, wo immer er will. Aber es<lb/> iſt doch etwas allzu bequem, ſeinen Bekennermut da zu zeigen,<lb/> wo die Anweſenden und vielleicht Andersdenkenden zum<lb/> Schweigen verurteilt ſind.</p><lb/> <p>Sie werden ſchließlich die Frage ſtellen: wenn dem ſo iſt,<lb/> was leiſtet denn nun eigentlich die Wiſſenſchaft Poſitives für<lb/> das praktiſche und perſönliche „Leben“? Und damit ſind wir<lb/> wieder bei dem Problem ihres „Berufs“. Zunächſt natürlich:<lb/> Kenntniſſe über die Technik, wie man das Leben, die äußeren<lb/> Dinge ſowohl wie das Handeln der Menſchen, durch Be-<lb/> rechnung beherrſcht: – nun, das iſt aber doch nur die Gemüſe-<lb/> frau des amerikaniſchen Knaben, werden Sie ſagen. Ganz<lb/> meine Meinung. Zweitens, was dieſe Gemüſefrau ſchon<lb/> immerhin nicht tut: Methoden des Denkens, das Handwerks-<lb/> zeug und die Schulung dazu. Sie werden vielleicht ſagen:<lb/> nun, das iſt nicht Gemüſe, aber es iſt auch nicht mehr als<lb/> das Mittel, ſich Gemüſe zu verſchaffen. Gut, laſſen wir das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0029]
und nehmen dürfen. Bedenken Sie: es hängt der Wert des
Menſchen ja nicht davon ab, ob er Führerqualitäten beſitzt. Und
jedenfalls ſind es nicht die Qualitäten, die jemanden zu einem
ausgezeichneten Gelehrten und akademiſchen Lehrer machen, die
ihn zum Führer auf dem Gebiet der praktiſchen Lebensorien-
tierung oder, ſpezieller, der Politik machen. Es iſt der reine
Zufall, wenn jemand auch dieſe Qualität beſitzt, und ſehr be-
denklich iſt es, wenn jeder, der auf dem Katheder ſteht, ſich
vor die Zumutung geſtellt fühlt, ſie in Anſpruch zu nehmen.
Noch bedenklicher, wenn es jedem akademiſchen Lehrer über-
laſſen bleibt, ſich im Hörſaal als Führer aufzuſpielen. Denn
die, welche ſich am meiſten dafür halten, ſind es oft am
wenigſten, und vor allem: ob ſie es ſind oder nicht, dafür bietet
die Situation auf dem Katheder ſchlechterdings keine Möglich-
keit der Bewährung. Der Profeſſor, der ſich zum Berater
der Jugend berufen fühlt und ihr Vertrauen genießt, möge im
perſönlichen Verkehr von Menſch zu Menſch mit ihr ſeinen
Mann ſtehen. Und fühlt er ſich zum Eingreifen in die Kämpfe
der Weltanſchauungen und Parteimeinungen berufen, ſo möge
er das draußen auf dem Markt des Lebens tun: in der Preſſe,
in Verſammlungen, in Vereinen, wo immer er will. Aber es
iſt doch etwas allzu bequem, ſeinen Bekennermut da zu zeigen,
wo die Anweſenden und vielleicht Andersdenkenden zum
Schweigen verurteilt ſind.
Sie werden ſchließlich die Frage ſtellen: wenn dem ſo iſt,
was leiſtet denn nun eigentlich die Wiſſenſchaft Poſitives für
das praktiſche und perſönliche „Leben“? Und damit ſind wir
wieder bei dem Problem ihres „Berufs“. Zunächſt natürlich:
Kenntniſſe über die Technik, wie man das Leben, die äußeren
Dinge ſowohl wie das Handeln der Menſchen, durch Be-
rechnung beherrſcht: – nun, das iſt aber doch nur die Gemüſe-
frau des amerikaniſchen Knaben, werden Sie ſagen. Ganz
meine Meinung. Zweitens, was dieſe Gemüſefrau ſchon
immerhin nicht tut: Methoden des Denkens, das Handwerks-
zeug und die Schulung dazu. Sie werden vielleicht ſagen:
nun, das iſt nicht Gemüſe, aber es iſt auch nicht mehr als
das Mittel, ſich Gemüſe zu verſchaffen. Gut, laſſen wir das
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