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Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.

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Jugend sehr populäre Einstellung sich in den Dienst einiger
Götzen gestellt, deren Kult wir heute an allen Straßenecken
und in allen Zeitschriften sich breit machen finden. Jene
Götzen sind: die "Persönlichkeit" und das "Erleben". Beide
sind eng verbunden: die Vorstellung herrscht, das letztere mache
die erstere aus und gehöre zu ihr. Man quält sich ab zu "er-
leben", - denn das gehört ja zur standesgemäßen Lebens-
führung einer Persönlichkeit, - und gelingt es nicht, dann
muß man wenigstens so tun, als habe man diese Gnadengabe.
Früher nannte man dies "Erlebnis" auf deutsch: "Sensation".
Und von dem, was "Persönlichkeit" sei und bedeute, hatte
man eine - ich glaube - zutreffendere Vorstellung.

Verehrte Anwesende! "Persönlichkeit" auf wissenschaftlichem
Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient. Und nicht
nur auf wissenschaftlichem Gebiet ist es so. Wir kennen keinen
großen Künstler, der je etwas anderes getan hätte, als seiner
Sache und nur ihr zu dienen. Es hat sich, soweit seine Kunst
in Betracht kommt, selbst bei einer Persönlichkeit vom Range
Goethes gerächt, daß er sich die Freiheit nahm: sein "Leben"
zum Kunstwerk machen zu wollen. Aber mag man das be-
zweifeln, - jedenfalls muß man eben ein Goethe sein, um sich
das überhaupt erlauben zu dürfen, und wenigstens das wird
jeder zugeben: unbezahlt ist es auch bei jemand wie ihm, der
alle Jahrtausende einmal erscheint, nicht geblieben. Es steht
in der Politik nicht anders. Davon heute nichts. Auf dem
Gebiet der Wissenschaft aber ist derjenige ganz gewiß keine
"Persönlichkeit", der als Jmpresario der Sache, der er sich
hingeben sollte, mit auf die Bühne tritt, sich durch "Erleben"
legitimieren möchte und fragt: Wie beweise ich, daß ich etwas
anderes bin als nur ein "Fachmann", wie mache ich es, daß
ich, in der Form oder in der Sache, etwas sage, das so noch
keiner gesagt hat wie ich: - eine heute massenhaft auftretende
Erscheinung, die überall kleinlich wirkt, und die denjenigen
herabsetzt, der so fragt, statt daß ihn die innere Hingabe an
die Aufgabe und nur an sie auf die Höhe und zu der Würde
der Sache emporhöbe, der er zu dienen vorgibt. Auch das
ist beim Künstler nicht anders. -

Jugend ſehr populäre Einſtellung ſich in den Dienſt einiger
Götzen geſtellt, deren Kult wir heute an allen Straßenecken
und in allen Zeitſchriften ſich breit machen finden. Jene
Götzen ſind: die „Perſönlichkeit“ und das „Erleben“. Beide
ſind eng verbunden: die Vorſtellung herrſcht, das letztere mache
die erſtere aus und gehöre zu ihr. Man quält ſich ab zu „er-
leben“, – denn das gehört ja zur ſtandesgemäßen Lebens-
führung einer Perſönlichkeit, – und gelingt es nicht, dann
muß man wenigſtens ſo tun, als habe man dieſe Gnadengabe.
Früher nannte man dies „Erlebnis“ auf deutſch: „Senſation“.
Und von dem, was „Perſönlichkeit“ ſei und bedeute, hatte
man eine – ich glaube – zutreffendere Vorſtellung.

Verehrte Anweſende! „Perſönlichkeit“ auf wiſſenſchaftlichem
Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient. Und nicht
nur auf wiſſenſchaftlichem Gebiet iſt es ſo. Wir kennen keinen
großen Künſtler, der je etwas anderes getan hätte, als ſeiner
Sache und nur ihr zu dienen. Es hat ſich, ſoweit ſeine Kunſt
in Betracht kommt, ſelbſt bei einer Perſönlichkeit vom Range
Goethes gerächt, daß er ſich die Freiheit nahm: ſein „Leben“
zum Kunſtwerk machen zu wollen. Aber mag man das be-
zweifeln, – jedenfalls muß man eben ein Goethe ſein, um ſich
das überhaupt erlauben zu dürfen, und wenigſtens das wird
jeder zugeben: unbezahlt iſt es auch bei jemand wie ihm, der
alle Jahrtauſende einmal erſcheint, nicht geblieben. Es ſteht
in der Politik nicht anders. Davon heute nichts. Auf dem
Gebiet der Wiſſenſchaft aber iſt derjenige ganz gewiß keine
„Perſönlichkeit“, der als Jmpreſario der Sache, der er ſich
hingeben ſollte, mit auf die Bühne tritt, ſich durch „Erleben“
legitimieren möchte und fragt: Wie beweiſe ich, daß ich etwas
anderes bin als nur ein „Fachmann“, wie mache ich es, daß
ich, in der Form oder in der Sache, etwas ſage, das ſo noch
keiner geſagt hat wie ich: – eine heute maſſenhaft auftretende
Erſcheinung, die überall kleinlich wirkt, und die denjenigen
herabſetzt, der ſo fragt, ſtatt daß ihn die innere Hingabe an
die Aufgabe und nur an ſie auf die Höhe und zu der Würde
der Sache emporhöbe, der er zu dienen vorgibt. Auch das
iſt beim Künſtler nicht anders. –

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[13/0012] Jugend ſehr populäre Einſtellung ſich in den Dienſt einiger Götzen geſtellt, deren Kult wir heute an allen Straßenecken und in allen Zeitſchriften ſich breit machen finden. Jene Götzen ſind: die „Perſönlichkeit“ und das „Erleben“. Beide ſind eng verbunden: die Vorſtellung herrſcht, das letztere mache die erſtere aus und gehöre zu ihr. Man quält ſich ab zu „er- leben“, – denn das gehört ja zur ſtandesgemäßen Lebens- führung einer Perſönlichkeit, – und gelingt es nicht, dann muß man wenigſtens ſo tun, als habe man dieſe Gnadengabe. Früher nannte man dies „Erlebnis“ auf deutſch: „Senſation“. Und von dem, was „Perſönlichkeit“ ſei und bedeute, hatte man eine – ich glaube – zutreffendere Vorſtellung. Verehrte Anweſende! „Perſönlichkeit“ auf wiſſenſchaftlichem Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient. Und nicht nur auf wiſſenſchaftlichem Gebiet iſt es ſo. Wir kennen keinen großen Künſtler, der je etwas anderes getan hätte, als ſeiner Sache und nur ihr zu dienen. Es hat ſich, ſoweit ſeine Kunſt in Betracht kommt, ſelbſt bei einer Perſönlichkeit vom Range Goethes gerächt, daß er ſich die Freiheit nahm: ſein „Leben“ zum Kunſtwerk machen zu wollen. Aber mag man das be- zweifeln, – jedenfalls muß man eben ein Goethe ſein, um ſich das überhaupt erlauben zu dürfen, und wenigſtens das wird jeder zugeben: unbezahlt iſt es auch bei jemand wie ihm, der alle Jahrtauſende einmal erſcheint, nicht geblieben. Es ſteht in der Politik nicht anders. Davon heute nichts. Auf dem Gebiet der Wiſſenſchaft aber iſt derjenige ganz gewiß keine „Perſönlichkeit“, der als Jmpreſario der Sache, der er ſich hingeben ſollte, mit auf die Bühne tritt, ſich durch „Erleben“ legitimieren möchte und fragt: Wie beweiſe ich, daß ich etwas anderes bin als nur ein „Fachmann“, wie mache ich es, daß ich, in der Form oder in der Sache, etwas ſage, das ſo noch keiner geſagt hat wie ich: – eine heute maſſenhaft auftretende Erſcheinung, die überall kleinlich wirkt, und die denjenigen herabſetzt, der ſo fragt, ſtatt daß ihn die innere Hingabe an die Aufgabe und nur an ſie auf die Höhe und zu der Würde der Sache emporhöbe, der er zu dienen vorgibt. Auch das iſt beim Künſtler nicht anders. –

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Zitationshilfe: Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_wissenschaft_1919/12>, abgerufen am 28.11.2024.