Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.Sozialisten (Zimmerwalder Richtung) schon während des Hier, an diesem Problem der Heiligung der Mittel durch Sozialiſten (Zimmerwalder Richtung) ſchon während des Hier, an dieſem Problem der Heiligung der Mittel durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="58"/> Sozialiſten (Zimmerwalder Richtung) ſchon während des<lb/> Krieges zu dem Prinzip bekannten, welches man dahin präg-<lb/> nant formulieren konnte: „Wenn wir vor der Wahl ſtehen,<lb/> entweder noch einige Jahre Krieg und dann Revolution oder<lb/> jetzt Friede und keine Revolution, ſo wählen wir noch: einige<lb/> Jahre Krieg!“ Auf die weitere Frage: „Was kann dieſe Revo-<lb/> lution mit ſich bringen?“ würde jeder wiſſenſchaftlich geſchulte<lb/> Sozialiſt geantwortet haben: daß von einem Übergang zu<lb/> einer Wirtſchaft, die man ſozialiſtiſch nennen könnte in <hi rendition="#g">ſeinem</hi><lb/> Sinne, keine Rede ſei, ſondern daß eben wieder eine Bour-<lb/> geoiſiewirtſchaft entſtehen würde, die nur die feudalen Elemente<lb/> und dynaſtiſchen Reſte abgeſtreift haben könnte. – Für dies<lb/> beſcheidene Reſultat alſo: „noch einige Jahre Krieg“! Man<lb/> wird doch wohl ſagen dürfen, daß man hier auch bei ſehr<lb/> handfeſt ſozialiſtiſcher Überzeugung den Zweck ablehnen könne,<lb/> der derartige Mittel erfordert. Beim Bolſchewismus und<lb/> Spartakismus, überhaupt bei jeder Art von revolutionärem<lb/> Sozialismus, liegt aber die Sache genau ebenſo, und es iſt<lb/> natürlich höchſt lächerlich, wenn von dieſer Seite die „Gewalt-<lb/> politiker“ des alten Regimes wegen der Anwendung des<lb/> gleichen Mittels <hi rendition="#g">ſittlich</hi> verworfen werden, – ſo durchaus<lb/> berechtigt die Ablehnung ihrer <hi rendition="#g">Ziele</hi> ſein mag.</p><lb/> <p>Hier, an dieſem Problem der Heiligung der Mittel durch<lb/> den Zweck, ſcheint nun auch die Geſinnungsethik überhaupt<lb/> ſcheitern zu müſſen. Und in der Tat hat ſie logiſcherweiſe<lb/> nur die Möglichkeit: <hi rendition="#g">jedes</hi> Handeln, welches ſittlich gefähr-<lb/> liche Mittel anwendet, zu <hi rendition="#g">verwerfen</hi>. Logiſcherweiſe. Jn<lb/> der Welt der Realitäten machen wir freilich ſtets erneut die<lb/> Erfahrung, daß der Geſinnungsethiker plötzlich umſchlägt in<lb/> den chiliaſtiſchen Propheten, daß z. B. diejenigen, die ſoeben<lb/> „Liebe gegen Gewalt“ gepredigt haben, im nächſten Augenblick<lb/> zur Gewalt aufrufen, – zur <hi rendition="#g">letzten</hi> Gewalt, die dann den<lb/> Zuſtand der Vernichtung <hi rendition="#g">aller</hi> Gewaltſamkeit bringen würde,<lb/> – wie unſere Militärs den Soldaten bei jeder Offenſive<lb/> ſagten: es ſei die letzte, ſie werde den Sieg und dann den<lb/> Frieden bringen. Der Geſinnungsethiker erträgt die ethiſche<lb/> Jrrationalität der Welt nicht. Er iſt koſmiſch-ethiſcher „Ratio-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0058]
Sozialiſten (Zimmerwalder Richtung) ſchon während des
Krieges zu dem Prinzip bekannten, welches man dahin präg-
nant formulieren konnte: „Wenn wir vor der Wahl ſtehen,
entweder noch einige Jahre Krieg und dann Revolution oder
jetzt Friede und keine Revolution, ſo wählen wir noch: einige
Jahre Krieg!“ Auf die weitere Frage: „Was kann dieſe Revo-
lution mit ſich bringen?“ würde jeder wiſſenſchaftlich geſchulte
Sozialiſt geantwortet haben: daß von einem Übergang zu
einer Wirtſchaft, die man ſozialiſtiſch nennen könnte in ſeinem
Sinne, keine Rede ſei, ſondern daß eben wieder eine Bour-
geoiſiewirtſchaft entſtehen würde, die nur die feudalen Elemente
und dynaſtiſchen Reſte abgeſtreift haben könnte. – Für dies
beſcheidene Reſultat alſo: „noch einige Jahre Krieg“! Man
wird doch wohl ſagen dürfen, daß man hier auch bei ſehr
handfeſt ſozialiſtiſcher Überzeugung den Zweck ablehnen könne,
der derartige Mittel erfordert. Beim Bolſchewismus und
Spartakismus, überhaupt bei jeder Art von revolutionärem
Sozialismus, liegt aber die Sache genau ebenſo, und es iſt
natürlich höchſt lächerlich, wenn von dieſer Seite die „Gewalt-
politiker“ des alten Regimes wegen der Anwendung des
gleichen Mittels ſittlich verworfen werden, – ſo durchaus
berechtigt die Ablehnung ihrer Ziele ſein mag.
Hier, an dieſem Problem der Heiligung der Mittel durch
den Zweck, ſcheint nun auch die Geſinnungsethik überhaupt
ſcheitern zu müſſen. Und in der Tat hat ſie logiſcherweiſe
nur die Möglichkeit: jedes Handeln, welches ſittlich gefähr-
liche Mittel anwendet, zu verwerfen. Logiſcherweiſe. Jn
der Welt der Realitäten machen wir freilich ſtets erneut die
Erfahrung, daß der Geſinnungsethiker plötzlich umſchlägt in
den chiliaſtiſchen Propheten, daß z. B. diejenigen, die ſoeben
„Liebe gegen Gewalt“ gepredigt haben, im nächſten Augenblick
zur Gewalt aufrufen, – zur letzten Gewalt, die dann den
Zuſtand der Vernichtung aller Gewaltſamkeit bringen würde,
– wie unſere Militärs den Soldaten bei jeder Offenſive
ſagten: es ſei die letzte, ſie werde den Sieg und dann den
Frieden bringen. Der Geſinnungsethiker erträgt die ethiſche
Jrrationalität der Welt nicht. Er iſt koſmiſch-ethiſcher „Ratio-
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