Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.Frage, von einem Minister oder Beamten: er sei ein "poli- Der Staat ist, ebenso wie die ihm geschichtlich voraus- Es gibt der inneren Rechtfertigungen, also: der Legitimi- Frage, von einem Miniſter oder Beamten: er ſei ein „poli- Der Staat iſt, ebenſo wie die ihm geſchichtlich voraus- Es gibt der inneren Rechtfertigungen, alſo: der Legitimi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0005" n="5"/> Frage, von einem Miniſter oder Beamten: er ſei ein „poli-<lb/> tiſcher“ Beamter, von einem Entſchluß: er ſei „politiſch“ be-<lb/> dingt, ſo iſt damit immer gemeint: Machtverteilungs-, Macht-<lb/> erhaltungs- oder Machtverſchiebungsintereſſen ſind maßgebend<lb/> für die Antwort auf jene Frage oder bedingen dieſen Ent-<lb/> ſchluß oder beſtimmen die Tätigkeitsſphäre des betreffenden<lb/> Beamten. – Wer Politik treibt, erſtrebt Macht, – Macht<lb/> entweder als Mittel im Dienſt anderer Ziele – idealer oder<lb/> egoiſtiſcher – oder Macht „um ihrer ſelbſt willen“: um das<lb/> Preſtigegefühl, das ſie gibt, zu genießen.</p><lb/> <p>Der Staat iſt, ebenſo wie die ihm geſchichtlich voraus-<lb/> gehenden politiſchen Verbände, ein auf das Mittel der legi-<lb/> timen (das heißt: als legitim angeſehenen) Gewaltſamkeit ge-<lb/> ſtütztes <hi rendition="#g">Herrſchafts</hi>verhältnis von Menſchen über Menſchen.<lb/> Damit er beſtehe, müſſen ſich alſo die beherrſchten Menſchen<lb/> der beanſpruchten Autorität der jeweils herrſchenden <hi rendition="#g">fügen</hi>.<lb/> Wann und warum tun ſie das? Auf welche inneren Recht-<lb/> fertigungsgründe und auf welche äußeren Mittel ſtützt ſich<lb/> dieſe Herrſchaft?</p><lb/> <p>Es gibt der inneren Rechtfertigungen, alſo: der <hi rendition="#g">Legitimi-<lb/> täts</hi>gründe einer Herrſchaft – um mit ihnen zu beginnen –<lb/> im Prinzip drei. Einmal die Autorität des „ewig Geſtrigen“:<lb/> der durch unvordenkliche Geltung und gewohnheitsmäßige Ein-<lb/> ſtellung auf ihre Jnnehaltung geheiligten <hi rendition="#g">Sitte</hi>: „traditio-<lb/> nale“ Herrſchaft, wie ſie der Patriarch und der Patrimonial-<lb/> fürſt alten Schlages übten. Dann: die Autorität der außer-<lb/> alltäglichen perſönlichen <hi rendition="#g">Gnadengabe</hi> (Charisma), die<lb/> ganz perſönliche Hingabe und das perſönliche Vertrauen zu<lb/> Offenbarungen, Heldentum oder anderen Führereigenſchaften<lb/> eines einzelnen: „charismatiſche“ Herrſchaft, wie ſie der Pro-<lb/> phet oder – auf dem Gebiet des Politiſchen – der gekorene<lb/> Kriegsfürſt oder der plebiszitäre Herrſcher, der große Dem-<lb/> agoge und politiſche Parteiführer ausüben. Endlich: Herr-<lb/> ſchaft kraft „Legalität“, kraft des Glaubens an die Geltung<lb/> legaler <hi rendition="#g">Satzung</hi> und der durch rational geſchaffene Regeln<lb/> begründeten ſachlichen „Kompetenz“, alſo: der Einſtellung auf<lb/> Gehorſam in der Erfüllung ſatzungsmäßiger Pflichten: eine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [5/0005]
Frage, von einem Miniſter oder Beamten: er ſei ein „poli-
tiſcher“ Beamter, von einem Entſchluß: er ſei „politiſch“ be-
dingt, ſo iſt damit immer gemeint: Machtverteilungs-, Macht-
erhaltungs- oder Machtverſchiebungsintereſſen ſind maßgebend
für die Antwort auf jene Frage oder bedingen dieſen Ent-
ſchluß oder beſtimmen die Tätigkeitsſphäre des betreffenden
Beamten. – Wer Politik treibt, erſtrebt Macht, – Macht
entweder als Mittel im Dienſt anderer Ziele – idealer oder
egoiſtiſcher – oder Macht „um ihrer ſelbſt willen“: um das
Preſtigegefühl, das ſie gibt, zu genießen.
Der Staat iſt, ebenſo wie die ihm geſchichtlich voraus-
gehenden politiſchen Verbände, ein auf das Mittel der legi-
timen (das heißt: als legitim angeſehenen) Gewaltſamkeit ge-
ſtütztes Herrſchaftsverhältnis von Menſchen über Menſchen.
Damit er beſtehe, müſſen ſich alſo die beherrſchten Menſchen
der beanſpruchten Autorität der jeweils herrſchenden fügen.
Wann und warum tun ſie das? Auf welche inneren Recht-
fertigungsgründe und auf welche äußeren Mittel ſtützt ſich
dieſe Herrſchaft?
Es gibt der inneren Rechtfertigungen, alſo: der Legitimi-
tätsgründe einer Herrſchaft – um mit ihnen zu beginnen –
im Prinzip drei. Einmal die Autorität des „ewig Geſtrigen“:
der durch unvordenkliche Geltung und gewohnheitsmäßige Ein-
ſtellung auf ihre Jnnehaltung geheiligten Sitte: „traditio-
nale“ Herrſchaft, wie ſie der Patriarch und der Patrimonial-
fürſt alten Schlages übten. Dann: die Autorität der außer-
alltäglichen perſönlichen Gnadengabe (Charisma), die
ganz perſönliche Hingabe und das perſönliche Vertrauen zu
Offenbarungen, Heldentum oder anderen Führereigenſchaften
eines einzelnen: „charismatiſche“ Herrſchaft, wie ſie der Pro-
phet oder – auf dem Gebiet des Politiſchen – der gekorene
Kriegsfürſt oder der plebiszitäre Herrſcher, der große Dem-
agoge und politiſche Parteiführer ausüben. Endlich: Herr-
ſchaft kraft „Legalität“, kraft des Glaubens an die Geltung
legaler Satzung und der durch rational geſchaffene Regeln
begründeten ſachlichen „Kompetenz“, alſo: der Einſtellung auf
Gehorſam in der Erfüllung ſatzungsmäßiger Pflichten: eine
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Zitationshilfe: | Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/5>, abgerufen am 16.02.2025. |