Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

Bild:
<< vorherige Seite

Gemeinwesen politisch konstituierten, - "frei" nicht im Sinne
der Freiheit von gewaltsamer Herrschaft, sondern im Sinne
von: Fehlen der kraft Tradition legitimen (meist religiös ge-
weihten) Fürstengewalt als ausschließlicher Quelle aller Auto-
rität. Sie haben geschichtlich ihre Heimstätte durchaus im
Okzident, und ihr Keim war: die Stadt als politischer Verband,
als welcher sie zuerst im mittelländischen Kulturkreis aufgetreten
ist. Wie sahen in all diesen Fällen die "hauptberuflichen" Politiker aus?

Es gibt zwei Arten, aus der Politik seinen Beruf zu
machen. Entweder: man lebt "für" die Politik - oder aber:
"von" der Politik. Der Gegensatz ist keineswegs ein exklusiver.
Jn aller Regel vielmehr tut man, mindestens ideell, meist aber
auch materiell, beides: wer "für" die Politik lebt, macht im
innerlichen Sinne "sein Leben daraus": er genießt entweder
den nackten Besitz der Macht, die er ausübt, oder er speist
sein inneres Gleichgewicht und Selbstgefühl aus dem Bewußt-
sein, durch Dienst an einer "Sache" seinem Leben einen Sinn
zu verleihen. Jn diesem innerlichen Sinn lebt wohl jeder
ernste Mensch, der für eine Sache lebt, auch von dieser
Sache. Die Unterscheidung bezieht sich also auf eine viel
massivere Seite des Sachverhaltes: auf die ökonomische. "Von"
der Politik als Beruf lebt, wer danach strebt, daraus eine
dauernde Einnahmequelle zu machen, - "für" die Politik
der, bei dem dies nicht der Fall ist. Damit jemand in diesem
ökonomischen Sinn "für" die Politik leben könne, müssen unter
der Herrschaft der Privateigentumsordnung einige, wenn Sie
wollen, sehr triviale Voraussetzungen vorliegen: er muß - unter
normalen Verhältnissen - ökonomisch von den Einnahmen,
welche die Politik ihm bringen kann, unabhängig sein. Das
heißt ganz einfach: er muß vermögend oder in einer privaten
Lebensstellung sein, welche ihm auskömmliche Einkünfte ab-
wirft. So steht es wenigstens unter normalen Verhältnissen.
Zwar die Gefolgschaft des Kriegsfürsten fragt ebensowenig nach
den Bedingungen normaler Wirtschaft wie die Gefolgschaft
des revolutionären Helden der Straße. Beide leben von Beute,
Raub, Konfiskationen, Kontributionen, Aufdrängung von wert-

Gemeinweſen politiſch konſtituierten, – „frei“ nicht im Sinne
der Freiheit von gewaltſamer Herrſchaft, ſondern im Sinne
von: Fehlen der kraft Tradition legitimen (meiſt religiös ge-
weihten) Fürſtengewalt als ausſchließlicher Quelle aller Auto-
rität. Sie haben geſchichtlich ihre Heimſtätte durchaus im
Okzident, und ihr Keim war: die Stadt als politiſcher Verband,
als welcher ſie zuerſt im mittelländiſchen Kulturkreis aufgetreten
iſt. Wie ſahen in all dieſen Fällen die „hauptberuflichen“ Politiker aus?

Es gibt zwei Arten, aus der Politik ſeinen Beruf zu
machen. Entweder: man lebt „für“ die Politik – oder aber:
„von“ der Politik. Der Gegenſatz iſt keineswegs ein exkluſiver.
Jn aller Regel vielmehr tut man, mindeſtens ideell, meiſt aber
auch materiell, beides: wer „für“ die Politik lebt, macht im
innerlichen Sinne „ſein Leben daraus“: er genießt entweder
den nackten Beſitz der Macht, die er ausübt, oder er ſpeiſt
ſein inneres Gleichgewicht und Selbſtgefühl aus dem Bewußt-
ſein, durch Dienſt an einer „Sache“ ſeinem Leben einen Sinn
zu verleihen. Jn dieſem innerlichen Sinn lebt wohl jeder
ernſte Menſch, der für eine Sache lebt, auch von dieſer
Sache. Die Unterſcheidung bezieht ſich alſo auf eine viel
maſſivere Seite des Sachverhaltes: auf die ökonomiſche. „Von“
der Politik als Beruf lebt, wer danach ſtrebt, daraus eine
dauernde Einnahmequelle zu machen, – „für“ die Politik
der, bei dem dies nicht der Fall iſt. Damit jemand in dieſem
ökonomiſchen Sinn „für“ die Politik leben könne, müſſen unter
der Herrſchaft der Privateigentumsordnung einige, wenn Sie
wollen, ſehr triviale Vorausſetzungen vorliegen: er muß – unter
normalen Verhältniſſen – ökonomiſch von den Einnahmen,
welche die Politik ihm bringen kann, unabhängig ſein. Das
heißt ganz einfach: er muß vermögend oder in einer privaten
Lebensſtellung ſein, welche ihm auskömmliche Einkünfte ab-
wirft. So ſteht es wenigſtens unter normalen Verhältniſſen.
Zwar die Gefolgſchaft des Kriegsfürſten fragt ebenſowenig nach
den Bedingungen normaler Wirtſchaft wie die Gefolgſchaft
des revolutionären Helden der Straße. Beide leben von Beute,
Raub, Konfiskationen, Kontributionen, Aufdrängung von wert-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="12"/>
Gemeinwe&#x017F;en politi&#x017F;ch kon&#x017F;tituierten, &#x2013; &#x201E;frei&#x201C; nicht im Sinne<lb/>
der Freiheit von gewalt&#x017F;amer Herr&#x017F;chaft, &#x017F;ondern im Sinne<lb/>
von: Fehlen der kraft Tradition legitimen (mei&#x017F;t religiös ge-<lb/>
weihten) Für&#x017F;tengewalt als aus&#x017F;chließlicher Quelle aller Auto-<lb/>
rität. Sie haben ge&#x017F;chichtlich ihre Heim&#x017F;tätte durchaus im<lb/>
Okzident, und ihr Keim war: die Stadt als politi&#x017F;cher Verband,<lb/>
als welcher &#x017F;ie zuer&#x017F;t im mittelländi&#x017F;chen Kulturkreis aufgetreten<lb/>
i&#x017F;t. Wie &#x017F;ahen in all die&#x017F;en Fällen die &#x201E;<hi rendition="#g">haupt</hi>beruflichen&#x201C; Politiker aus?</p><lb/>
        <p>Es gibt zwei Arten, aus der Politik &#x017F;einen Beruf zu<lb/>
machen. Entweder: man lebt &#x201E;für&#x201C; die Politik &#x2013; oder aber:<lb/>
&#x201E;von&#x201C; der Politik. Der Gegen&#x017F;atz i&#x017F;t keineswegs ein exklu&#x017F;iver.<lb/>
Jn aller Regel vielmehr tut man, minde&#x017F;tens ideell, mei&#x017F;t aber<lb/>
auch materiell, beides: wer &#x201E;für&#x201C; die Politik lebt, macht im<lb/><hi rendition="#g">inner</hi>lichen Sinne &#x201E;&#x017F;ein Leben daraus&#x201C;: er genießt entweder<lb/>
den nackten Be&#x017F;itz der Macht, die er ausübt, oder er &#x017F;pei&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ein inneres Gleichgewicht und Selb&#x017F;tgefühl aus dem Bewußt-<lb/>
&#x017F;ein, durch Dien&#x017F;t an einer &#x201E;Sache&#x201C; &#x017F;einem Leben einen <hi rendition="#g">Sinn</hi><lb/>
zu verleihen. Jn die&#x017F;em innerlichen Sinn lebt wohl jeder<lb/>
ern&#x017F;te Men&#x017F;ch, der für eine Sache lebt, auch von die&#x017F;er<lb/>
Sache. Die Unter&#x017F;cheidung bezieht &#x017F;ich al&#x017F;o auf eine viel<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;ivere Seite des Sachverhaltes: auf die ökonomi&#x017F;che. &#x201E;Von&#x201C;<lb/>
der Politik als Beruf lebt, wer danach &#x017F;trebt, daraus eine<lb/>
dauernde <hi rendition="#g">Einnahme</hi>quelle zu machen, &#x2013; &#x201E;für&#x201C; die Politik<lb/>
der, bei dem dies nicht der Fall i&#x017F;t. Damit jemand in die&#x017F;em<lb/>
ökonomi&#x017F;chen Sinn &#x201E;für&#x201C; die Politik leben könne, mü&#x017F;&#x017F;en unter<lb/>
der Herr&#x017F;chaft der Privateigentumsordnung einige, wenn Sie<lb/>
wollen, &#x017F;ehr triviale Voraus&#x017F;etzungen vorliegen: er muß &#x2013; unter<lb/>
normalen Verhältni&#x017F;&#x017F;en &#x2013; ökonomi&#x017F;ch von den Einnahmen,<lb/>
welche die Politik ihm bringen kann, unabhängig &#x017F;ein. Das<lb/>
heißt ganz einfach: er muß vermögend oder in einer privaten<lb/>
Lebens&#x017F;tellung &#x017F;ein, welche ihm auskömmliche Einkünfte ab-<lb/>
wirft. So &#x017F;teht es wenig&#x017F;tens unter normalen Verhältni&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Zwar die Gefolg&#x017F;chaft des Kriegsfür&#x017F;ten fragt eben&#x017F;owenig nach<lb/>
den Bedingungen normaler Wirt&#x017F;chaft wie die Gefolg&#x017F;chaft<lb/>
des revolutionären Helden der Straße. Beide leben von Beute,<lb/>
Raub, Konfiskationen, Kontributionen, Aufdrängung von wert-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0012] Gemeinweſen politiſch konſtituierten, – „frei“ nicht im Sinne der Freiheit von gewaltſamer Herrſchaft, ſondern im Sinne von: Fehlen der kraft Tradition legitimen (meiſt religiös ge- weihten) Fürſtengewalt als ausſchließlicher Quelle aller Auto- rität. Sie haben geſchichtlich ihre Heimſtätte durchaus im Okzident, und ihr Keim war: die Stadt als politiſcher Verband, als welcher ſie zuerſt im mittelländiſchen Kulturkreis aufgetreten iſt. Wie ſahen in all dieſen Fällen die „hauptberuflichen“ Politiker aus? Es gibt zwei Arten, aus der Politik ſeinen Beruf zu machen. Entweder: man lebt „für“ die Politik – oder aber: „von“ der Politik. Der Gegenſatz iſt keineswegs ein exkluſiver. Jn aller Regel vielmehr tut man, mindeſtens ideell, meiſt aber auch materiell, beides: wer „für“ die Politik lebt, macht im innerlichen Sinne „ſein Leben daraus“: er genießt entweder den nackten Beſitz der Macht, die er ausübt, oder er ſpeiſt ſein inneres Gleichgewicht und Selbſtgefühl aus dem Bewußt- ſein, durch Dienſt an einer „Sache“ ſeinem Leben einen Sinn zu verleihen. Jn dieſem innerlichen Sinn lebt wohl jeder ernſte Menſch, der für eine Sache lebt, auch von dieſer Sache. Die Unterſcheidung bezieht ſich alſo auf eine viel maſſivere Seite des Sachverhaltes: auf die ökonomiſche. „Von“ der Politik als Beruf lebt, wer danach ſtrebt, daraus eine dauernde Einnahmequelle zu machen, – „für“ die Politik der, bei dem dies nicht der Fall iſt. Damit jemand in dieſem ökonomiſchen Sinn „für“ die Politik leben könne, müſſen unter der Herrſchaft der Privateigentumsordnung einige, wenn Sie wollen, ſehr triviale Vorausſetzungen vorliegen: er muß – unter normalen Verhältniſſen – ökonomiſch von den Einnahmen, welche die Politik ihm bringen kann, unabhängig ſein. Das heißt ganz einfach: er muß vermögend oder in einer privaten Lebensſtellung ſein, welche ihm auskömmliche Einkünfte ab- wirft. So ſteht es wenigſtens unter normalen Verhältniſſen. Zwar die Gefolgſchaft des Kriegsfürſten fragt ebenſowenig nach den Bedingungen normaler Wirtſchaft wie die Gefolgſchaft des revolutionären Helden der Straße. Beide leben von Beute, Raub, Konfiskationen, Kontributionen, Aufdrängung von wert-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription.Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/12
Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/12>, abgerufen am 24.11.2024.