ihre ganze Beziehung zur Politik darauf. "Nebenberufliche" Politiker sind heute z. B. alle jene Vertrauensmänner und Vorstände von parteipolitischen Vereinen, welche diese Tätig- keit - wie es durchaus die Regel ist - nur im Bedarfsfalle ausüben und weder materiell noch ideell in erster Linie daraus "ihr Leben machen". Ebenso jene Mitglieder von Staats- räten und ähnlichen Beratungskörperschaften, die nur auf An- fordern in Funktion treten. Ebenso aber auch ziemlich breite Schichten unserer Parlamentarier, die nur in Zeiten der Session Politik treiben. Jn der Vergangenheit finden wir solche Schichten namentlich unter den Ständen. "Stände" sollen uns heißen die eigenberechtigten Besitzer militärischer oder für die Verwaltung wichtiger sachlicher Betriebsmittel oder per- sönlicher Herrengewalten. Ein großer Teil von ihnen war weit davon entfernt, sein Leben ganz oder auch nur vorzugs- weise oder mehr als gelegentlich in den Dienst der Politik zu stellen. Sie nützten vielmehr ihre Herrenmacht im Jnteresse der Erzielung von Renten oder auch geradezu von Profit und wurden politisch, im Dienst des politischen Verbandes, nur tätig, wenn der Herr oder wenn ihre Standesgenossen dies besonders verlangten. Nicht anders auch ein Teil jener Hilfskräfte, die der Fürst im Kampf um die Schaffung eines politischen Eigenbetriebes, der nur ihm zur Verfügung stehen sollte, heranzog. Die "Räte von Haus aus" und, noch weiter zurück, ein erheblicher Teil der in der "Curia" und den anderen beratenden Körperschaften der Fürsten zusammentretenden Rat- geber hatten diesen Charakter. Aber mit diesen nur gelegent- lichen oder nebenberuflichen Hilfskräften kam der Fürst natürlich nicht aus. Er mußte sich einen Stab von ganz und aus- schließlich seinem Dienst gewidmeten, also hauptberuflichen, Hilfskräften zu schaffen suchen. Davon, woher er diese nahm, hing zum sehr wesentlichen Teil die Struktur des entstehenden dynastischen politischen Gebildes und nicht nur sie, sondern das ganze Gepräge der betreffenden Kultur ab. Erst recht in die gleiche Notwendigkeit versetzt waren diejenigen politischen Verbände, welche unter völliger Beseitigung oder weitgehender Beschränkung der Fürstenmacht sich als (sogenannte) "freie"
ihre ganze Beziehung zur Politik darauf. „Nebenberufliche“ Politiker ſind heute z. B. alle jene Vertrauensmänner und Vorſtände von parteipolitiſchen Vereinen, welche dieſe Tätig- keit – wie es durchaus die Regel iſt – nur im Bedarfsfalle ausüben und weder materiell noch ideell in erſter Linie daraus „ihr Leben machen“. Ebenſo jene Mitglieder von Staats- räten und ähnlichen Beratungskörperſchaften, die nur auf An- fordern in Funktion treten. Ebenſo aber auch ziemlich breite Schichten unſerer Parlamentarier, die nur in Zeiten der Seſſion Politik treiben. Jn der Vergangenheit finden wir ſolche Schichten namentlich unter den Ständen. „Stände“ ſollen uns heißen die eigenberechtigten Beſitzer militäriſcher oder für die Verwaltung wichtiger ſachlicher Betriebsmittel oder per- sönlicher Herrengewalten. Ein großer Teil von ihnen war weit davon entfernt, ſein Leben ganz oder auch nur vorzugs- weiſe oder mehr als gelegentlich in den Dienſt der Politik zu ſtellen. Sie nützten vielmehr ihre Herrenmacht im Jntereſſe der Erzielung von Renten oder auch geradezu von Profit und wurden politiſch, im Dienſt des politiſchen Verbandes, nur tätig, wenn der Herr oder wenn ihre Standesgenoſſen dies beſonders verlangten. Nicht anders auch ein Teil jener Hilfskräfte, die der Fürſt im Kampf um die Schaffung eines politiſchen Eigenbetriebes, der nur ihm zur Verfügung ſtehen ſollte, heranzog. Die „Räte von Haus aus“ und, noch weiter zurück, ein erheblicher Teil der in der „Curia“ und den anderen beratenden Körperſchaften der Fürſten zuſammentretenden Rat- geber hatten dieſen Charakter. Aber mit dieſen nur gelegent- lichen oder nebenberuflichen Hilfskräften kam der Fürſt natürlich nicht aus. Er mußte ſich einen Stab von ganz und aus- ſchließlich ſeinem Dienſt gewidmeten, alſo hauptberuflichen, Hilfskräften zu ſchaffen ſuchen. Davon, woher er dieſe nahm, hing zum ſehr weſentlichen Teil die Struktur des entſtehenden dynaſtiſchen politiſchen Gebildes und nicht nur ſie, ſondern das ganze Gepräge der betreffenden Kultur ab. Erſt recht in die gleiche Notwendigkeit verſetzt waren diejenigen politiſchen Verbände, welche unter völliger Beſeitigung oder weitgehender Beſchränkung der Fürſtenmacht ſich als (ſogenannte) „freie“
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ihre ganze Beziehung zur Politik darauf. „Nebenberufliche“
Politiker ſind heute z. B. alle jene Vertrauensmänner und
Vorſtände von parteipolitiſchen Vereinen, welche dieſe Tätig-
keit – wie es durchaus die Regel iſt – nur im Bedarfsfalle
ausüben und weder materiell noch ideell in erſter Linie
daraus „ihr Leben machen“. Ebenſo jene Mitglieder von Staats-
räten und ähnlichen Beratungskörperſchaften, die nur auf An-
fordern in Funktion treten. Ebenſo aber auch ziemlich breite
Schichten unſerer Parlamentarier, die nur in Zeiten der Seſſion
Politik treiben. Jn der Vergangenheit finden wir ſolche
Schichten namentlich unter den Ständen. „Stände“ ſollen
uns heißen die eigenberechtigten Beſitzer militäriſcher oder für
die Verwaltung wichtiger ſachlicher Betriebsmittel oder per-
sönlicher Herrengewalten. Ein großer Teil von ihnen war
weit davon entfernt, ſein Leben ganz oder auch nur vorzugs-
weiſe oder mehr als gelegentlich in den Dienſt der Politik zu
ſtellen. Sie nützten vielmehr ihre Herrenmacht im Jntereſſe
der Erzielung von Renten oder auch geradezu von Profit und
wurden politiſch, im Dienſt des politiſchen Verbandes, nur
tätig, wenn der Herr oder wenn ihre Standesgenoſſen dies
beſonders verlangten. Nicht anders auch ein Teil jener
Hilfskräfte, die der Fürſt im Kampf um die Schaffung eines
politiſchen Eigenbetriebes, der nur ihm zur Verfügung ſtehen
ſollte, heranzog. Die „Räte von Haus aus“ und, noch weiter
zurück, ein erheblicher Teil der in der „Curia“ und den anderen
beratenden Körperſchaften der Fürſten zuſammentretenden Rat-
geber hatten dieſen Charakter. Aber mit dieſen nur gelegent-
lichen oder nebenberuflichen Hilfskräften kam der Fürſt natürlich
nicht aus. Er mußte ſich einen Stab von ganz und aus-
ſchließlich ſeinem Dienſt gewidmeten, alſo hauptberuflichen,
Hilfskräften zu ſchaffen ſuchen. Davon, woher er dieſe nahm,
hing zum ſehr weſentlichen Teil die Struktur des entſtehenden
dynaſtiſchen politiſchen Gebildes und nicht nur ſie, ſondern
das ganze Gepräge der betreffenden Kultur ab. Erſt recht
in die gleiche Notwendigkeit verſetzt waren diejenigen politiſchen
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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/11>, abgerufen am 16.02.2025.
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