Hinsichtlich der busenförmigen Aufwölbung sei noch bemerkt, daß die mannigfachsten Formen vorkommen, wie die Fig. 439 in mehreren Beispielen veranschaulicht.
[Abbildung]
Fig. 439.
3. Das unter ad 4 besprochene sogenannte gothische Kreuzge- wölbe mit selbstständigen Graten (Rippen), die aus verklammerten Werksteinstücken bestehen, beruht auf dem Prinzip, daß die vor- her aufgestellten Rippen die Widerlager für die einzuwölbenden Kappen, deren Lagerfugen normal gegen die Rippen gerichtet sein müssen, bilden. Sobald der Rippenbogen, der bei spitzbogigen Ge- wölben meistens ein Halbkreis ist, unwandelbar feststeht, wird ein Einsturz der Kappen nicht zu befürchten sein, sollte jedoch ein Ver- schieben der einzelnen Lagerfugen dennoch stattfinden, so kommt die ganze Gewölbemasse in Bewegung. Bei Backsteindiagonalbögen kann eine solche Rutschung (falls die Stärke des Gratbogens nicht genügend angelegt ist) wohl geschehen und zwar besonders bei Kreuzgewölben ohne selbstständige Rippen, hängt die ganze Stabilität von der gegen- seitigen Stützung der Gewölbekappen ab, die nicht einmal gegen die Lagerflächen drücken.
Diese Mißstände der gewöhnlichen Einwölbungsart der Kreuzge- wölbe wohl erkennend, war man bei den Festungswerken in Mainz, besonders in dem Proviantmagazin zu Kassel, darauf bedacht, den Lagerfugen in den Gewölbekappen, also auch im Grat, einen mit den
Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Hinſichtlich der buſenförmigen Aufwölbung ſei noch bemerkt, daß die mannigfachſten Formen vorkommen, wie die Fig. 439 in mehreren Beiſpielen veranſchaulicht.
[Abbildung]
Fig. 439.
3. Das unter ad 4 beſprochene ſogenannte gothiſche Kreuzge- wölbe mit ſelbſtſtändigen Graten (Rippen), die aus verklammerten Werkſteinſtücken beſtehen, beruht auf dem Prinzip, daß die vor- her aufgeſtellten Rippen die Widerlager für die einzuwölbenden Kappen, deren Lagerfugen normal gegen die Rippen gerichtet ſein müſſen, bilden. Sobald der Rippenbogen, der bei ſpitzbogigen Ge- wölben meiſtens ein Halbkreis iſt, unwandelbar feſtſteht, wird ein Einſturz der Kappen nicht zu befürchten ſein, ſollte jedoch ein Ver- ſchieben der einzelnen Lagerfugen dennoch ſtattfinden, ſo kommt die ganze Gewölbemaſſe in Bewegung. Bei Backſteindiagonalbögen kann eine ſolche Rutſchung (falls die Stärke des Gratbogens nicht genügend angelegt iſt) wohl geſchehen und zwar beſonders bei Kreuzgewölben ohne ſelbſtſtändige Rippen, hängt die ganze Stabilität von der gegen- ſeitigen Stützung der Gewölbekappen ab, die nicht einmal gegen die Lagerflächen drücken.
Dieſe Mißſtände der gewöhnlichen Einwölbungsart der Kreuzge- wölbe wohl erkennend, war man bei den Feſtungswerken in Mainz, beſonders in dem Proviantmagazin zu Kaſſel, darauf bedacht, den Lagerfugen in den Gewölbekappen, alſo auch im Grat, einen mit den
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Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Hinſichtlich der buſenförmigen Aufwölbung ſei noch bemerkt, daß
die mannigfachſten Formen vorkommen, wie die Fig. 439 in mehreren
Beiſpielen veranſchaulicht.
[Abbildung Fig. 439.]
3. Das unter ad 4 beſprochene ſogenannte gothiſche Kreuzge-
wölbe mit ſelbſtſtändigen Graten (Rippen), die aus verklammerten
Werkſteinſtücken beſtehen, beruht auf dem Prinzip, daß die vor-
her aufgeſtellten Rippen die Widerlager für die einzuwölbenden
Kappen, deren Lagerfugen normal gegen die Rippen gerichtet ſein
müſſen, bilden. Sobald der Rippenbogen, der bei ſpitzbogigen Ge-
wölben meiſtens ein Halbkreis iſt, unwandelbar feſtſteht, wird ein
Einſturz der Kappen nicht zu befürchten ſein, ſollte jedoch ein Ver-
ſchieben der einzelnen Lagerfugen dennoch ſtattfinden, ſo kommt die
ganze Gewölbemaſſe in Bewegung. Bei Backſteindiagonalbögen kann
eine ſolche Rutſchung (falls die Stärke des Gratbogens nicht genügend
angelegt iſt) wohl geſchehen und zwar beſonders bei Kreuzgewölben
ohne ſelbſtſtändige Rippen, hängt die ganze Stabilität von der gegen-
ſeitigen Stützung der Gewölbekappen ab, die nicht einmal gegen die
Lagerflächen drücken.
Dieſe Mißſtände der gewöhnlichen Einwölbungsart der Kreuzge-
wölbe wohl erkennend, war man bei den Feſtungswerken in Mainz,
beſonders in dem Proviantmagazin zu Kaſſel, darauf bedacht, den
Lagerfugen in den Gewölbekappen, alſo auch im Grat, einen mit den
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wanderleys "Handbuch" erschien bereits 1872 in zw… [mehr]
Wanderleys "Handbuch" erschien bereits 1872 in zwei Bänden. Die Ausgabe von 1877/1878 ist die 2., gänzlich umgearbarbeitete und sehr vermehrte Auflage und wurde aufgrund der besseren verfügbarkeit für das DTA digitalisiert.
Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/440>, abgerufen am 22.11.2024.
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