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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

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[Spaltenumbruch] *448 Wei red a ok naben der Worhet. (Schles.) - Frommann, III, 408, 305.

*449 Zwischen uns sei Wahrheit.

Diese Worte, welche Orest in Goethe's Iphigenia (Act 3, Scene 1) an seine Schwester richtete, wandte Friedrich Wilhelm IV. von Preussen in der Thronrede an, die er am 11. April 1847 vor dem Vereinigten Landtage hielt, wodurch sie in den Volkmund gekommen ist. (Vgl. Büchmann, 9. Aufl., S. 293.)


Wahrlang.

In Wahrlang1 dauert der Hunger en Jaohrlang. - Schmidt, Jubelschrift, 21.

1) Kleine pommersche Stadt am Haff. (S. Penkun.)


Wahrlich.

*1 I wett koan Währle schwere. (Rottenburg.)

Ich wollte kein Wahrlich schwören, dass es nicht so sei.

*2 Warlich, ich wolt, es were nicht. - Agricola I, 582.

Betheuerungsformel. In Warschau jüdisch- deutsch: Usser (oder Osser, d. i. wahrlich nicht, bei Leibe nicht, fern von mir) is kein Schwüje (Schwur); Küsch in Tuches (= lecken) is kein Klule (Fluch).

*3 Warlich ynn allem guten. - Agricola I, 588.

Als Versicherung, dass jemandem irgendwo im Guten gedacht worden sei.


Währmann.

Währmann haben hilft nicht (bei Injurien). - Eiselein, 626; Graf, 352, 412.

"Die Berufung eines Schmähers auf dritte Personen als Gewährsleute wendet die Klage wegen Ehrenkränkung oder Verleumdung nicht ab; denn jeder muss seine Rede selbständig vertreten."


Wahrmann.

Wahrmanns hauss steht am lengsten. - Petri, II, 585; Latendorf II, 32; Simrock, 11139; Theatrum Diabolorum, 463a.


Wahrsagen.

1 Das Wahrsagen (Wahrheit sagen) bringt nur Klagen. - Parömiakon, 183.

Schwed.: Spamän ha tu wilkor. (Grubb, 757.)

2 Vom Wahrsagen kann man wol leben, aber nicht vom Wahrheit sagen.

"Vom Wahrsagen kann man wol noch hier und da in Deutschland leben, aber nicht vom Wahrheit sagen." (Lichtenberg, Hogarth, 8, 185.) "Wahrsagen steht noch jedem frei, doch mit der Wahrheit ist's vorbei." (Hoffmann von Fallersleben, Deutsche Lieder.)

Dän.: Sjelden fangen spaa-kone god skebne. (Prov. dan., 523.)

3 Wer nicht kan warsagen, der gibt einen bösen Zigeuner. - Petri, II, 741.

4 Wer wahrsagen lernen will, muss Koth von jungen Hühnern essen.

Spott auf diejenigen, die sich für Wahrsager ausgeben.

It.: Chi mangia merda di galetto, diventa indovina. (Biber.)

*5 Er hat im Wahrsagen kein Glück.

Um verhüllend zu sagen, dass er gern die Unwahrheit redet. Die Finnen: Ich gehöre nicht zu des Wahrsagers Geschlecht; ich bin kein Lappenkind. (Bertram, 53.)

Holl.: Hij is ongelukkig in het waarzeggen. (Harrebomee, II, 136b.)


Wahrsager.

1 Der beste Wahrsager ist, wer nicht zuräth.

2 Des Wahrsagers Kind ist an Haaren im Munde gestorben. (Surinam.)

Andern will er helfen, aber seinen eigenen Kindern kann er nicht helfen.

3 Ein Wahrsager kann's wol treffen, wenn er nicht lügt.

Lat.: Fatidicus verum fatur vel figmina rerum. (Reuterdahl, 319.)

Schwed.: Hwa so gaether han antigia lingher aeller sigher sant. (Reuterdahl, 319.)

4 Ein Wahrsager lebt besser als ein Wahrheitsager.

Dieser Ansicht war auch Lichtenberg. (Witzfunken, VIIIb, 217.)

5 Es ist der letzte Wahrsager, der die Dinge verkündet, wenn sie geschehen sind.

Frz.: Ce n'est pas un grand devin, qui devine les fetes quand elles sont venues. (Kritzinger, 231a.)

6 Es kann, kein Wahrsager den andern ansehen, ohne zu lachen.

Lat.: Cato mirari se ajebat, quod non rideret aruspex, aruspicem cum videret. (Cicero.)

[Spaltenumbruch] 7 Es sagt auch wol ein Wahrsager die Wahrheit, wenn er's trifft.

Dän.: Spaa-mand har to vilkaar at sige lögn eller sanden. (Prov. dan., 523.)

*8 Gib dem Wahrsager kein Geld dafür. - Burckhardt, 740.

Die Hoffnungen, welche der Wahrsager in dir erregt, sind nichtig und es wäre thöricht, ihn dafür zu bezahlen.


Wahrsagerin.

Eine Wahrsagerin nimmt selten ein gut Ende.

Lat.: Raro solet fieri bene fatidice mulieri. (Reuterdahl, 839.)

Schwed.: Siaellan fik spakona goda oendalykth. (Reuterdahl, 839.)


Wahrschaft.

Wahrschaft ist Mannschaft. - Graf, 468, 587.

Bei dem altdeutschen Rechtsverfahren war es für jedermann wünschenswerth, immer die erforderliche Anzahl Eideshelfer in Bereitschaft zu haben, mit Hülfe deren er seine angefochtene Unschuld herstellen oder den Gegner überwinden konnte. Sie waren für jeden die Mannschaft zur Vertheidigung und zur Gewinnung des Rechtssieges.

Fries.: Warschop dat is mannschop. (Richthofen, 570, 17.)


Wahrscheinlich.

Wahrscheinlich hend d' Gäns auch Waden, aber nur wol oben. (Nürtingen.)


Wahrt.

1 Einer ist's Wahrt, der ander der der Korb (?).

Lat.: Illic respiciens, sed hic remitte bona. (Sutor, 727.)

2 Es liegt mehr an der Wahrt als am Kosten. - Sutor, 398.


Währwolf, s. Werwolf.

Wahrzeichen.

1 Wahrzeichen muss man nehmen, wie man sie hat. - Graf, 84, 103.

Bezieht sich auf die Grenz- und Marksteine, welche zur Abgrenzung anstossender Fluren gesetzt wurden und die in streitigen Fällen den natürlichsten Anhaltpunkt zur Entscheidung von Grenzstreitigkeiten gaben.

Altfries.: Dene werne skelme nime sa ma thene het. (Richthofen, 155, 12.)

*2 Er hat das dresdener Wahrzeichen in seinem Hause. (Sachsen.)

*3 Er schickte sich gut ins dresdener Wahrzeichen.

*4 Er wird zum dresdener Wahrzeichen. (Sachsen.)

M. Hielscher (Dresdener Brückengeschichte vom Jahre 1729) beschreibt dies dresdener Stadtwahrzeichen (ein Steinbild) als: einen auf Händen und Füssen ein herkriechenden Mann, auf welchem ein galantes und junges Frauenzimmer sitzt, so denselben durch den ihm ins Maul gelegten Zaum nach ihrem Willen regiert, und ihm mit der Karbatsche Gehorsam lehrt. Nach der Sage soll sich der Besitzer des Hauses, über welchem das Steinbild von 1550-1714 als Wahrzeichen Dresdens gestanden hat, als in Jahren vorgeschrittener Witwer zu einer zweiten Heirath mit einer sehr jungen Frau entschlossen haben; da er in keiner Beziehung ihren Ansprüchen habe genügen können, sei er, um sie bei guter Laune zu erhalten, ein willenloser Spielball derselben geworden. (Vgl. Illustr. Zeitung 1857, Nr. 716, S. 254.)


Waidmann, s. Weidmann.

Waise.

1 Das seynd wol arm Waisen zu achten, welch jhre Eltern nichts haben lernen lassen. - Lehmann, 169, 14; Wirth, II, 504.

2 Den Waisen wird der Vetter bald fremd. (Wend. Lausitz.)

Die Osmanen: Der Magen der Waisen wird nicht satt (Schlechta, 90.)

3 Die Waise muss auf eigenen Beinen gehen.

Die Osmanen sagen um auszudrücken, dass es sich selber helfen müsse: Das Waisenkind schneidet sich selbst den Nabel.

4 Die Waisen gleichhalten den Weisen, heisst Gott preisen. - Parömiakon, 858.

5 Wenn die Waisen kommen in der Vormünder Hand, das ist, als wenn die Vögel kommen in der Kinder Hände. - Petri, II, 646.

6 Wer Waisen erzieht, pflanzt sich Kreuzblumen und Stachelpilze.

Böhm.: Schovanec, ma dvoji usta, jednemi, druhymi laje - Vypestuj sirotka, vytrhne ti oci. (Celakovsky, 51.)

7 Zur Waise wird geschwind ein spät geboren Kind.

Poln.: Sierota ciezsza niz kamien. (Celakovsky, 174.)

*8 Oesse armet Waiske mot op et Erdke pösse. (Goldapp.) - Frischbier2, 3965.


[Spaltenumbruch] *448 Wî red a ok naben der Wôrhêt. (Schles.) – Frommann, III, 408, 305.

*449 Zwischen uns sei Wahrheit.

Diese Worte, welche Orest in Goethe's Iphigenia (Act 3, Scene 1) an seine Schwester richtete, wandte Friedrich Wilhelm IV. von Preussen in der Thronrede an, die er am 11. April 1847 vor dem Vereinigten Landtage hielt, wodurch sie in den Volkmund gekommen ist. (Vgl. Büchmann, 9. Aufl., S. 293.)


Wahrlang.

In Wahrlang1 dauert der Hunger en Jaohrlang.Schmidt, Jubelschrift, 21.

1) Kleine pommersche Stadt am Haff. (S. Penkun.)


Wahrlich.

*1 I wett koan Währle schwere. (Rottenburg.)

Ich wollte kein Wahrlich schwören, dass es nicht so sei.

*2 Warlich, ich wolt, es were nicht.Agricola I, 582.

Betheuerungsformel. In Warschau jüdisch- deutsch: Usser (oder Osser, d. i. wahrlich nicht, bei Leibe nicht, fern von mir) is kein Schwüje (Schwur); Küsch in Tuches (= lecken) is kein Klule (Fluch).

*3 Warlich ynn allem guten.Agricola I, 588.

Als Versicherung, dass jemandem irgendwo im Guten gedacht worden sei.


Währmann.

Währmann haben hilft nicht (bei Injurien).Eiselein, 626; Graf, 352, 412.

„Die Berufung eines Schmähers auf dritte Personen als Gewährsleute wendet die Klage wegen Ehrenkränkung oder Verleumdung nicht ab; denn jeder muss seine Rede selbständig vertreten.“


Wahrmann.

Wahrmanns hauss steht am lengsten.Petri, II, 585; Latendorf II, 32; Simrock, 11139; Theatrum Diabolorum, 463a.


Wahrsagen.

1 Das Wahrsagen (Wahrheit sagen) bringt nur Klagen.Parömiakon, 183.

Schwed.: Spåmän ha tu wilkor. (Grubb, 757.)

2 Vom Wahrsagen kann man wol leben, aber nicht vom Wahrheit sagen.

„Vom Wahrsagen kann man wol noch hier und da in Deutschland leben, aber nicht vom Wahrheit sagen.“ (Lichtenberg, Hogarth, 8, 185.) „Wahrsagen steht noch jedem frei, doch mit der Wahrheit ist's vorbei.“ (Hoffmann von Fallersleben, Deutsche Lieder.)

Dän.: Sjelden fangen spaa-kone god skebne. (Prov. dan., 523.)

3 Wer nicht kan warsagen, der gibt einen bösen Zigeuner.Petri, II, 741.

4 Wer wahrsagen lernen will, muss Koth von jungen Hühnern essen.

Spott auf diejenigen, die sich für Wahrsager ausgeben.

It.: Chi mangia merda di galetto, diventa indovina. (Biber.)

*5 Er hat im Wahrsagen kein Glück.

Um verhüllend zu sagen, dass er gern die Unwahrheit redet. Die Finnen: Ich gehöre nicht zu des Wahrsagers Geschlecht; ich bin kein Lappenkind. (Bertram, 53.)

Holl.: Hij is ongelukkig in het waarzeggen. (Harrebomée, II, 136b.)


Wahrsager.

1 Der beste Wahrsager ist, wer nicht zuräth.

2 Des Wahrsagers Kind ist an Haaren im Munde gestorben. (Surinam.)

Andern will er helfen, aber seinen eigenen Kindern kann er nicht helfen.

3 Ein Wahrsager kann's wol treffen, wenn er nicht lügt.

Lat.: Fatidicus verum fatur vel figmina rerum. (Reuterdahl, 319.)

Schwed.: Hwa so gaether han antigia lingher aeller sigher sant. (Reuterdahl, 319.)

4 Ein Wahrsager lebt besser als ein Wahrheitsager.

Dieser Ansicht war auch Lichtenberg. (Witzfunken, VIIIb, 217.)

5 Es ist der letzte Wahrsager, der die Dinge verkündet, wenn sie geschehen sind.

Frz.: Ce n'est pas un grand devin, qui devine les fêtes quand elles sont venuës. (Kritzinger, 231a.)

6 Es kann, kein Wahrsager den andern ansehen, ohne zu lachen.

Lat.: Cato mirari se ajebat, quod non rideret aruspex, aruspicem cum videret. (Cicero.)

[Spaltenumbruch] 7 Es sagt auch wol ein Wahrsager die Wahrheit, wenn er's trifft.

Dän.: Spaa-mand har to vilkaar at sige løgn eller sanden. (Prov. dan., 523.)

*8 Gib dem Wahrsager kein Geld dafür.Burckhardt, 740.

Die Hoffnungen, welche der Wahrsager in dir erregt, sind nichtig und es wäre thöricht, ihn dafür zu bezahlen.


Wahrsagerin.

Eine Wahrsagerin nimmt selten ein gut Ende.

Lat.: Raro solet fieri bene fatidice mulieri. (Reuterdahl, 839.)

Schwed.: Siaellan fik spakona goda oendalykth. (Reuterdahl, 839.)


Wahrschaft.

Wahrschaft ist Mannschaft.Graf, 468, 587.

Bei dem altdeutschen Rechtsverfahren war es für jedermann wünschenswerth, immer die erforderliche Anzahl Eideshelfer in Bereitschaft zu haben, mit Hülfe deren er seine angefochtene Unschuld herstellen oder den Gegner überwinden konnte. Sie waren für jeden die Mannschaft zur Vertheidigung und zur Gewinnung des Rechtssieges.

Fries.: Warschop dat is mannschop. (Richthofen, 570, 17.)


Wahrscheinlich.

Wahrscheinlich hend d' Gäns auch Waden, aber nur wol oben. (Nürtingen.)


Wahrt.

1 Einer ist's Wahrt, der ander der der Korb (?).

Lat.: Illic respiciens, sed hic remitte bona. (Sutor, 727.)

2 Es liegt mehr an der Wahrt als am Kosten.Sutor, 398.


Währwolf, s. Werwolf.

Wahrzeichen.

1 Wahrzeichen muss man nehmen, wie man sie hat.Graf, 84, 103.

Bezieht sich auf die Grenz- und Marksteine, welche zur Abgrenzung anstossender Fluren gesetzt wurden und die in streitigen Fällen den natürlichsten Anhaltpunkt zur Entscheidung von Grenzstreitigkeiten gaben.

Altfries.: Dene werne skelme nime sa ma thene het. (Richthofen, 155, 12.)

*2 Er hat das dresdener Wahrzeichen in seinem Hause. (Sachsen.)

*3 Er schickte sich gut ins dresdener Wahrzeichen.

*4 Er wird zum dresdener Wahrzeichen. (Sachsen.)

M. Hielscher (Dresdener Brückengeschichte vom Jahre 1729) beschreibt dies dresdener Stadtwahrzeichen (ein Steinbild) als: einen auf Händen und Füssen ein herkriechenden Mann, auf welchem ein galantes und junges Frauenzimmer sitzt, so denselben durch den ihm ins Maul gelegten Zaum nach ihrem Willen regiert, und ihm mit der Karbatsche Gehorsam lehrt. Nach der Sage soll sich der Besitzer des Hauses, über welchem das Steinbild von 1550-1714 als Wahrzeichen Dresdens gestanden hat, als in Jahren vorgeschrittener Witwer zu einer zweiten Heirath mit einer sehr jungen Frau entschlossen haben; da er in keiner Beziehung ihren Ansprüchen habe genügen können, sei er, um sie bei guter Laune zu erhalten, ein willenloser Spielball derselben geworden. (Vgl. Illustr. Zeitung 1857, Nr. 716, S. 254.)


Waidmann, s. Weidmann.

Waise.

1 Das seynd wol arm Waisen zu achten, welch jhre Eltern nichts haben lernen lassen.Lehmann, 169, 14; Wirth, II, 504.

2 Den Waisen wird der Vetter bald fremd. (Wend. Lausitz.)

Die Osmanen: Der Magen der Waisen wird nicht satt (Schlechta, 90.)

3 Die Waise muss auf eigenen Beinen gehen.

Die Osmanen sagen um auszudrücken, dass es sich selber helfen müsse: Das Waisenkind schneidet sich selbst den Nabel.

4 Die Waisen gleichhalten den Weisen, heisst Gott preisen.Parömiakon, 858.

5 Wenn die Waisen kommen in der Vormünder Hand, das ist, als wenn die Vögel kommen in der Kinder Hände.Petri, II, 646.

6 Wer Waisen erzieht, pflanzt sich Kreuzblumen und Stachelpilze.

Böhm.: Schovanéc, má dvojí ústa, jednĕmí, druhými laje – Vypĕstuj sirotka, vytrhne ti oči. (Čelakovsky, 51.)

7 Zur Waise wird geschwind ein spät geboren Kind.

Poln.: Sierota cięźsza niź kamień. (Čelakovsky, 174.)

*8 Oesse armet Waiske mot op et Erdke pösse. (Goldapp.) – Frischbier2, 3965.


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[[883]/0889] *448 Wî red a ok naben der Wôrhêt. (Schles.) – Frommann, III, 408, 305. *449 Zwischen uns sei Wahrheit. Diese Worte, welche Orest in Goethe's Iphigenia (Act 3, Scene 1) an seine Schwester richtete, wandte Friedrich Wilhelm IV. von Preussen in der Thronrede an, die er am 11. April 1847 vor dem Vereinigten Landtage hielt, wodurch sie in den Volkmund gekommen ist. (Vgl. Büchmann, 9. Aufl., S. 293.) Wahrlang. In Wahrlang1 dauert der Hunger en Jaohrlang. – Schmidt, Jubelschrift, 21. 1) Kleine pommersche Stadt am Haff. (S. Penkun.) Wahrlich. *1 I wett koan Währle schwere. (Rottenburg.) Ich wollte kein Wahrlich schwören, dass es nicht so sei. *2 Warlich, ich wolt, es were nicht. – Agricola I, 582. Betheuerungsformel. In Warschau jüdisch- deutsch: Usser (oder Osser, d. i. wahrlich nicht, bei Leibe nicht, fern von mir) is kein Schwüje (Schwur); Küsch in Tuches (= lecken) is kein Klule (Fluch). *3 Warlich ynn allem guten. – Agricola I, 588. Als Versicherung, dass jemandem irgendwo im Guten gedacht worden sei. Währmann. Währmann haben hilft nicht (bei Injurien). – Eiselein, 626; Graf, 352, 412. „Die Berufung eines Schmähers auf dritte Personen als Gewährsleute wendet die Klage wegen Ehrenkränkung oder Verleumdung nicht ab; denn jeder muss seine Rede selbständig vertreten.“ Wahrmann. Wahrmanns hauss steht am lengsten. – Petri, II, 585; Latendorf II, 32; Simrock, 11139; Theatrum Diabolorum, 463a. Wahrsagen. 1 Das Wahrsagen (Wahrheit sagen) bringt nur Klagen. – Parömiakon, 183. Schwed.: Spåmän ha tu wilkor. (Grubb, 757.) 2 Vom Wahrsagen kann man wol leben, aber nicht vom Wahrheit sagen. „Vom Wahrsagen kann man wol noch hier und da in Deutschland leben, aber nicht vom Wahrheit sagen.“ (Lichtenberg, Hogarth, 8, 185.) „Wahrsagen steht noch jedem frei, doch mit der Wahrheit ist's vorbei.“ (Hoffmann von Fallersleben, Deutsche Lieder.) Dän.: Sjelden fangen spaa-kone god skebne. (Prov. dan., 523.) 3 Wer nicht kan warsagen, der gibt einen bösen Zigeuner. – Petri, II, 741. 4 Wer wahrsagen lernen will, muss Koth von jungen Hühnern essen. Spott auf diejenigen, die sich für Wahrsager ausgeben. It.: Chi mangia merda di galetto, diventa indovina. (Biber.) *5 Er hat im Wahrsagen kein Glück. Um verhüllend zu sagen, dass er gern die Unwahrheit redet. Die Finnen: Ich gehöre nicht zu des Wahrsagers Geschlecht; ich bin kein Lappenkind. (Bertram, 53.) Holl.: Hij is ongelukkig in het waarzeggen. (Harrebomée, II, 136b.) Wahrsager. 1 Der beste Wahrsager ist, wer nicht zuräth. 2 Des Wahrsagers Kind ist an Haaren im Munde gestorben. (Surinam.) Andern will er helfen, aber seinen eigenen Kindern kann er nicht helfen. 3 Ein Wahrsager kann's wol treffen, wenn er nicht lügt. Lat.: Fatidicus verum fatur vel figmina rerum. (Reuterdahl, 319.) Schwed.: Hwa so gaether han antigia lingher aeller sigher sant. (Reuterdahl, 319.) 4 Ein Wahrsager lebt besser als ein Wahrheitsager. Dieser Ansicht war auch Lichtenberg. (Witzfunken, VIIIb, 217.) 5 Es ist der letzte Wahrsager, der die Dinge verkündet, wenn sie geschehen sind. Frz.: Ce n'est pas un grand devin, qui devine les fêtes quand elles sont venuës. (Kritzinger, 231a.) 6 Es kann, kein Wahrsager den andern ansehen, ohne zu lachen. Lat.: Cato mirari se ajebat, quod non rideret aruspex, aruspicem cum videret. (Cicero.) 7 Es sagt auch wol ein Wahrsager die Wahrheit, wenn er's trifft. Dän.: Spaa-mand har to vilkaar at sige løgn eller sanden. (Prov. dan., 523.) *8 Gib dem Wahrsager kein Geld dafür. – Burckhardt, 740. Die Hoffnungen, welche der Wahrsager in dir erregt, sind nichtig und es wäre thöricht, ihn dafür zu bezahlen. Wahrsagerin. Eine Wahrsagerin nimmt selten ein gut Ende. Lat.: Raro solet fieri bene fatidice mulieri. (Reuterdahl, 839.) Schwed.: Siaellan fik spakona goda oendalykth. (Reuterdahl, 839.) Wahrschaft. Wahrschaft ist Mannschaft. – Graf, 468, 587. Bei dem altdeutschen Rechtsverfahren war es für jedermann wünschenswerth, immer die erforderliche Anzahl Eideshelfer in Bereitschaft zu haben, mit Hülfe deren er seine angefochtene Unschuld herstellen oder den Gegner überwinden konnte. Sie waren für jeden die Mannschaft zur Vertheidigung und zur Gewinnung des Rechtssieges. Fries.: Warschop dat is mannschop. (Richthofen, 570, 17.) Wahrscheinlich. Wahrscheinlich hend d' Gäns auch Waden, aber nur wol oben. (Nürtingen.) Wahrt. 1 Einer ist's Wahrt, der ander der der Korb (?). Lat.: Illic respiciens, sed hic remitte bona. (Sutor, 727.) 2 Es liegt mehr an der Wahrt als am Kosten. – Sutor, 398. Währwolf, s. Werwolf. Wahrzeichen. 1 Wahrzeichen muss man nehmen, wie man sie hat. – Graf, 84, 103. Bezieht sich auf die Grenz- und Marksteine, welche zur Abgrenzung anstossender Fluren gesetzt wurden und die in streitigen Fällen den natürlichsten Anhaltpunkt zur Entscheidung von Grenzstreitigkeiten gaben. Altfries.: Dene werne skelme nime sa ma thene het. (Richthofen, 155, 12.) *2 Er hat das dresdener Wahrzeichen in seinem Hause. (Sachsen.) *3 Er schickte sich gut ins dresdener Wahrzeichen. *4 Er wird zum dresdener Wahrzeichen. (Sachsen.) M. Hielscher (Dresdener Brückengeschichte vom Jahre 1729) beschreibt dies dresdener Stadtwahrzeichen (ein Steinbild) als: einen auf Händen und Füssen ein herkriechenden Mann, auf welchem ein galantes und junges Frauenzimmer sitzt, so denselben durch den ihm ins Maul gelegten Zaum nach ihrem Willen regiert, und ihm mit der Karbatsche Gehorsam lehrt. Nach der Sage soll sich der Besitzer des Hauses, über welchem das Steinbild von 1550-1714 als Wahrzeichen Dresdens gestanden hat, als in Jahren vorgeschrittener Witwer zu einer zweiten Heirath mit einer sehr jungen Frau entschlossen haben; da er in keiner Beziehung ihren Ansprüchen habe genügen können, sei er, um sie bei guter Laune zu erhalten, ein willenloser Spielball derselben geworden. (Vgl. Illustr. Zeitung 1857, Nr. 716, S. 254.) Waidmann, s. Weidmann. Waise. 1 Das seynd wol arm Waisen zu achten, welch jhre Eltern nichts haben lernen lassen. – Lehmann, 169, 14; Wirth, II, 504. 2 Den Waisen wird der Vetter bald fremd. (Wend. Lausitz.) Die Osmanen: Der Magen der Waisen wird nicht satt (Schlechta, 90.) 3 Die Waise muss auf eigenen Beinen gehen. Die Osmanen sagen um auszudrücken, dass es sich selber helfen müsse: Das Waisenkind schneidet sich selbst den Nabel. 4 Die Waisen gleichhalten den Weisen, heisst Gott preisen. – Parömiakon, 858. 5 Wenn die Waisen kommen in der Vormünder Hand, das ist, als wenn die Vögel kommen in der Kinder Hände. – Petri, II, 646. 6 Wer Waisen erzieht, pflanzt sich Kreuzblumen und Stachelpilze. Böhm.: Schovanéc, má dvojí ústa, jednĕmí, druhými laje – Vypĕstuj sirotka, vytrhne ti oči. (Čelakovsky, 51.) 7 Zur Waise wird geschwind ein spät geboren Kind. Poln.: Sierota cięźsza niź kamień. (Čelakovsky, 174.) *8 Oesse armet Waiske mot op et Erdke pösse. (Goldapp.) – Frischbier2, 3965.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [883]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/889>, abgerufen am 23.11.2024.