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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.

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gestellt haben, wie mein Deutsches Sprichwörter-Lexikon oder eine andere; in jedem Falle musste er etwas Vollkommeneres liefern; vor allen Dingen musste er alle die Fehler vermeiden, die er an meiner Arbeit gerügt hatte. Aber bei ihm muss es rasch gehen1, wie man sich nach dem Abendbrot etwa niedersetzt und eine Novelle schreibt. Es scheint ihm ja auch nur darauf angekommen zu sein, den Inhalt der bereits erschienenen acht Bücher in eine andere Form zu bringen.2 Da aber das Sprichwort ein "Praktikus" ist, so konnte sich Freih. von Reinsberg unmöglich, wie die wiener Presse meint, auf ein einziges Buch beschränken. Es galt mit Einem Schuss zwei, vielleicht drei Hasen zu erlegen. Die Menge muss es bringen. Daher wurden zwar die Sprichwörter der sämmtlichen deutschen Mundarten, deren man habhaft geworden war, in Gruppen und zwar der leichtern Arbeit wegen und, um nicht unnütze Zeit zu verschwenden, ohne alle und jede Quellenangabe3 zusammengestellt. Diesen Gruppen wurde ein hochdeutsches Sprichwort als Anführer gegeben, wenn man eins fand; sonst nahm man dazu ein Sprichwort aus einer andern germanischen oder romanischen Sprache. Denn das vergleichende Werk bietet Sprichwörter der deutschen, dänischen, englischen, französischen, italienischen und spanischen Sprache. Der erste Band enthält 960 Gruppen und geht bis K; schliesst der folgende Band mit Z und bietet ebenso viel, so wird das Werk ungefähr 2000 Sprichwörter in sechs Sprachen enthalten und zwölf Thaler kosten. Da die Slawen aber auch nicht übersehen werden dürfen, und inzwischen nicht zweihundert neue deutsche Mundarten entstanden sein werden, so wird ein neues Sprichwörterbuch folgen, das die Sprichwörter der zweihundert deutschen Mundarten mit den slawischen Sprachen zusammenstellt und etwa auch zwölf Thaler kostet. Mittlerweile wird sich das Bedürfniss herausstellen, es wäre besser, bequemer, leichter zu übersehen, wenn die Sprachen alle in Einem Werke vereinigt wären, wie etwa in dem "wissenschaftlich werthlosen" von Wander, und man veranstaltet ein grosses europäisches Sprichwörterbuch, etwa unter dem Haupttitel Das Sprichwort als Pfiffikus, für sechzehn bis zwanzig Thaler.

Ich erblicke nur Einen Fehler in diesem Plane, den, dass die germanischen und romanischen Sprachen nicht getrennt behandelt worden sind, dann konnten die zweihundert deutschen Mundarten viermal verwerthet werden. Versteht sich bei Freih. von Reinsberg von selbst - ohne Quellenangaben, die ihm nur ein "Leichtes", also nicht wissenschaftlich sind.4 Hierin unterscheiden wir uns nun wesentlich; denn ich betrachte eben als erste Bedingung eines wissenschaftlichen Sprichwörterwerks die Quellenangaben.

Hätte mein Deutsches Sprichwörter-Lexikon auch sonst gar kein Verdienst; hätte es selbst noch mehr Fehler, als ihm Freih. von Reinsberg andichtet: so wird doch niemand, der auch nur einen Anflug von wissenschaftlicher Bildung besitzt, darüber in Zweifel sein, welche von beiden Arbeiten er zu wählen hat, wenn er sich in Besitz des geordneten Sprichwörterschatzes setzen will. Es gibt keine Spalte, selten einen Absatz, der nicht auch die Quellen angibt und so die Beziehungen zur Literatur nachweist.5

Ich bin um so berechtigter davon zu sprechen, als ich bisjetzt mehr als zehn Jahre meines Lebens dieser Aufgabe gewidmet habe; die ursprüngliche Handschrift war ohne Quellennachweis. So weit mir die

1 Grosse Geister arbeiten schnell. Erasmus begann 1496 Sprichwörter zu sammeln, und soll diese Arbeit in "wenig Tagen" zu Stande gebracht haben. (Vgl. Nopitsch, 177.)
2 Der bereits erwähnte Artikel in der Presse veranschaulicht uns das Verfahren. "Man schüttet den gesammten Inhalt derselben wieder in einen grossen Topf, macht ein vergleichendes Sprichwörterbuch mit neuem Titel daraus und versichert hoch und theuer, daas es das erste Sprichwörterbuch sei, das wissenschaftlich Werth habe.
3 Die wiener Presse sagt: "Für den gesammten Inhalt hat man keine andere Garantie, als Ida und Otto, oder Otto und Ida."
4 Als Ersatz vielleicht für das Quellenverzeichniss hat der Bearbeiter des Sprichworts als Praktikus sein Buch dem deutschen Kaiser gewidmet. Ich wurde unwillkürlich dabei an einen praktischen Yankee erinnert. Als ich im Jahre 1851 in Washington lebte - Freih. von Reinsberg-Düringsfeld mag hieraus ersehen, dass ich auch einmal aus den engen Schulstubenfenstern und über das A-b-c hinausgeschaut habe - wurde erzählt, dass ein Amerikaner eine Schlafmütze erfunden und dem Präsidenten überreicht habe, die ausserordentliche Vorzüge besitzen (z. B. Mosquitos abwehren u. s. w.) sollte und worauf er ein Patent verlangte.
5 Dr. H. Schramm in dem erwähnten Artikel der Gegenwart sagt S. 248: "Ich weiss nicht, was die Verfasser (des Freih. von Reinsberg'schen Buchs) zur wissenschaftlichen Benutzung für nothwendig erachten. Wie aber das Wander'sche Lexikon den Begriff "wissenschaftlich" auffasst, zeigt uns Ein Beispiel. Wir schlagen den zweiten Band auf und stossen da auf den Artikel "Krähe", der allein 148 Sprichwörter aufführt. Unter Nr. 47 steht: "Eine krahe hackt der andern kein auge aus." Dahinter nun finden sich bis auf Luther zurück achtundzwanzig Quellenschriften, in denen das Sprichwort in verschiedenen Fassungen, Schreibungen und Anwendungsformen vorkommt. Was die Mundarten anbetrifft, so ist in Betreff Hannovers auf Schambach, Westfalens auf Woeste und Firmenich, des Niederrheins auf Firmenich, Waldecks auf Curtze und Schlesiens auf Gomolcke verwiesen. Köln ist vertreten durch Weyden, Steiermark durch Firmenich, Siebenbürgen durch Schuster, Oberösterreich durch Baumgarten; die theologische Anwendung durch Luther und Mathesy, die sprachliche durch Schottel, die juridische durch Pistorius, die pädagogische durch Hollenberg, die naturgeschichtliche durch Naumann und Gesner. Dann folgen die sinnverwandten Sprichwörter aus vierzehn Sprachen mit Quellenangabe, (nicht blos) germanische, (und) romanische, (sondern auch) slawische. Sie werden in alphabetischer Ordnung aufgeführt, welche überhaupt die gesammte Verarbeitung des Materials im Wander'schen Werke mit peinlicher Genauigkeit beherrscht, also bei unserm Beispiel: Böhmisch (Celakovsky), französisch (Leroux, Bohn, Gaal, Masson), holländisch (Harrebomee), italienisch (Gaal und Masson), krainisch und kroatisch (Celakovsky), lateinisch (Binder, Seybold u. a.) u. s. f."
"Selbstredend", fährt der Verfasser fort, "hat nicht jedes Sprichwort eine so ausgedehnte Literatur, weil sein Anwendungskreis ein beschränkterer ist; aber diese Bearbeitungsform ist im ganzen Sprichwörter-Lexikon von Wander consequent durchgeführt. Ob nun nach der gegenwärtigen Entwickelung der Sprichwörterliteratur noch höhere Ansprüche an eine wissenschaftliche Sammlung zu stellen sind, weiss ich nicht u. s. w."

gestellt haben, wie mein Deutsches Sprichwörter-Lexikon oder eine andere; in jedem Falle musste er etwas Vollkommeneres liefern; vor allen Dingen musste er alle die Fehler vermeiden, die er an meiner Arbeit gerügt hatte. Aber bei ihm muss es rasch gehen1, wie man sich nach dem Abendbrot etwa niedersetzt und eine Novelle schreibt. Es scheint ihm ja auch nur darauf angekommen zu sein, den Inhalt der bereits erschienenen acht Bücher in eine andere Form zu bringen.2 Da aber das Sprichwort ein „Praktikus“ ist, so konnte sich Freih. von Reinsberg unmöglich, wie die wiener Presse meint, auf ein einziges Buch beschränken. Es galt mit Einem Schuss zwei, vielleicht drei Hasen zu erlegen. Die Menge muss es bringen. Daher wurden zwar die Sprichwörter der sämmtlichen deutschen Mundarten, deren man habhaft geworden war, in Gruppen und zwar der leichtern Arbeit wegen und, um nicht unnütze Zeit zu verschwenden, ohne alle und jede Quellenangabe3 zusammengestellt. Diesen Gruppen wurde ein hochdeutsches Sprichwort als Anführer gegeben, wenn man eins fand; sonst nahm man dazu ein Sprichwort aus einer andern germanischen oder romanischen Sprache. Denn das vergleichende Werk bietet Sprichwörter der deutschen, dänischen, englischen, französischen, italienischen und spanischen Sprache. Der erste Band enthält 960 Gruppen und geht bis K; schliesst der folgende Band mit Z und bietet ebenso viel, so wird das Werk ungefähr 2000 Sprichwörter in sechs Sprachen enthalten und zwölf Thaler kosten. Da die Slawen aber auch nicht übersehen werden dürfen, und inzwischen nicht zweihundert neue deutsche Mundarten entstanden sein werden, so wird ein neues Sprichwörterbuch folgen, das die Sprichwörter der zweihundert deutschen Mundarten mit den slawischen Sprachen zusammenstellt und etwa auch zwölf Thaler kostet. Mittlerweile wird sich das Bedürfniss herausstellen, es wäre besser, bequemer, leichter zu übersehen, wenn die Sprachen alle in Einem Werke vereinigt wären, wie etwa in dem „wissenschaftlich werthlosen“ von Wander, und man veranstaltet ein grosses europäisches Sprichwörterbuch, etwa unter dem Haupttitel Das Sprichwort als Pfiffikus, für sechzehn bis zwanzig Thaler.

Ich erblicke nur Einen Fehler in diesem Plane, den, dass die germanischen und romanischen Sprachen nicht getrennt behandelt worden sind, dann konnten die zweihundert deutschen Mundarten viermal verwerthet werden. Versteht sich bei Freih. von Reinsberg von selbst – ohne Quellenangaben, die ihm nur ein „Leichtes“, also nicht wissenschaftlich sind.4 Hierin unterscheiden wir uns nun wesentlich; denn ich betrachte eben als erste Bedingung eines wissenschaftlichen Sprichwörterwerks die Quellenangaben.

Hätte mein Deutsches Sprichwörter-Lexikon auch sonst gar kein Verdienst; hätte es selbst noch mehr Fehler, als ihm Freih. von Reinsberg andichtet: so wird doch niemand, der auch nur einen Anflug von wissenschaftlicher Bildung besitzt, darüber in Zweifel sein, welche von beiden Arbeiten er zu wählen hat, wenn er sich in Besitz des geordneten Sprichwörterschatzes setzen will. Es gibt keine Spalte, selten einen Absatz, der nicht auch die Quellen angibt und so die Beziehungen zur Literatur nachweist.5

Ich bin um so berechtigter davon zu sprechen, als ich bisjetzt mehr als zehn Jahre meines Lebens dieser Aufgabe gewidmet habe; die ursprüngliche Handschrift war ohne Quellennachweis. So weit mir die

1 Grosse Geister arbeiten schnell. Erasmus begann 1496 Sprichwörter zu sammeln, und soll diese Arbeit in „wenig Tagen“ zu Stande gebracht haben. (Vgl. Nopitsch, 177.)
2 Der bereits erwähnte Artikel in der Presse veranschaulicht uns das Verfahren. „Man schüttet den gesammten Inhalt derselben wieder in einen grossen Topf, macht ein vergleichendes Sprichwörterbuch mit neuem Titel daraus und versichert hoch und theuer, daas es das erste Sprichwörterbuch sei, das wissenschaftlich Werth habe.
3 Die wiener Presse sagt: „Für den gesammten Inhalt hat man keine andere Garantie, als Ida und Otto, oder Otto und Ida.“
4 Als Ersatz vielleicht für das Quellenverzeichniss hat der Bearbeiter des Sprichworts als Praktikus sein Buch dem deutschen Kaiser gewidmet. Ich wurde unwillkürlich dabei an einen praktischen Yankee erinnert. Als ich im Jahre 1851 in Washington lebte – Freih. von Reinsberg-Düringsfeld mag hieraus ersehen, dass ich auch einmal aus den engen Schulstubenfenstern und über das A-b-c hinausgeschaut habe – wurde erzählt, dass ein Amerikaner eine Schlafmütze erfunden und dem Präsidenten überreicht habe, die ausserordentliche Vorzüge besitzen (z. B. Mosquitos abwehren u. s. w.) sollte und worauf er ein Patent verlangte.
5 Dr. H. Schramm in dem erwähnten Artikel der Gegenwart sagt S. 248: „Ich weiss nicht, was die Verfasser (des Freih. von Reinsberg'schen Buchs) zur wissenschaftlichen Benutzung für nothwendig erachten. Wie aber das Wander'sche Lexikon den Begriff „wissenschaftlich“ auffasst, zeigt uns Ein Beispiel. Wir schlagen den zweiten Band auf und stossen da auf den Artikel „Krähe“, der allein 148 Sprichwörter aufführt. Unter Nr. 47 steht: „Eine krahe hackt der andern kein auge aus.“ Dahinter nun finden sich bis auf Luther zurück achtundzwanzig Quellenschriften, in denen das Sprichwort in verschiedenen Fassungen, Schreibungen und Anwendungsformen vorkommt. Was die Mundarten anbetrifft, so ist in Betreff Hannovers auf Schambach, Westfalens auf Woeste und Firmenich, des Niederrheins auf Firmenich, Waldecks auf Curtze und Schlesiens auf Gomolcke verwiesen. Köln ist vertreten durch Weyden, Steiermark durch Firmenich, Siebenbürgen durch Schuster, Oberösterreich durch Baumgarten; die theologische Anwendung durch Luther und Mathesy, die sprachliche durch Schottel, die juridische durch Pistorius, die pädagogische durch Hollenberg, die naturgeschichtliche durch Naumann und Gesner. Dann folgen die sinnverwandten Sprichwörter aus vierzehn Sprachen mit Quellenangabe, (nicht blos) germanische, (und) romanische, (sondern auch) slawische. Sie werden in alphabetischer Ordnung aufgeführt, welche überhaupt die gesammte Verarbeitung des Materials im Wander'schen Werke mit peinlicher Genauigkeit beherrscht, also bei unserm Beispiel: Böhmisch (Čelakovský), französisch (Leroux, Bohn, Gaal, Masson), holländisch (Harrebomée), italienisch (Gaal und Masson), krainisch und kroatisch (Čelakovský), lateinisch (Binder, Seybold u. a.) u. s. f.“
„Selbstredend“, fährt der Verfasser fort, „hat nicht jedes Sprichwort eine so ausgedehnte Literatur, weil sein Anwendungskreis ein beschränkterer ist; aber diese Bearbeitungsform ist im ganzen Sprichwörter-Lexikon von Wander consequent durchgeführt. Ob nun nach der gegenwärtigen Entwickelung der Sprichwörterliteratur noch höhere Ansprüche an eine wissenschaftliche Sammlung zu stellen sind, weiss ich nicht u. s. w.“
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[XIII/0011] gestellt haben, wie mein Deutsches Sprichwörter-Lexikon oder eine andere; in jedem Falle musste er etwas Vollkommeneres liefern; vor allen Dingen musste er alle die Fehler vermeiden, die er an meiner Arbeit gerügt hatte. Aber bei ihm muss es rasch gehen 1, wie man sich nach dem Abendbrot etwa niedersetzt und eine Novelle schreibt. Es scheint ihm ja auch nur darauf angekommen zu sein, den Inhalt der bereits erschienenen acht Bücher in eine andere Form zu bringen. 2 Da aber das Sprichwort ein „Praktikus“ ist, so konnte sich Freih. von Reinsberg unmöglich, wie die wiener Presse meint, auf ein einziges Buch beschränken. Es galt mit Einem Schuss zwei, vielleicht drei Hasen zu erlegen. Die Menge muss es bringen. Daher wurden zwar die Sprichwörter der sämmtlichen deutschen Mundarten, deren man habhaft geworden war, in Gruppen und zwar der leichtern Arbeit wegen und, um nicht unnütze Zeit zu verschwenden, ohne alle und jede Quellenangabe 3 zusammengestellt. Diesen Gruppen wurde ein hochdeutsches Sprichwort als Anführer gegeben, wenn man eins fand; sonst nahm man dazu ein Sprichwort aus einer andern germanischen oder romanischen Sprache. Denn das vergleichende Werk bietet Sprichwörter der deutschen, dänischen, englischen, französischen, italienischen und spanischen Sprache. Der erste Band enthält 960 Gruppen und geht bis K; schliesst der folgende Band mit Z und bietet ebenso viel, so wird das Werk ungefähr 2000 Sprichwörter in sechs Sprachen enthalten und zwölf Thaler kosten. Da die Slawen aber auch nicht übersehen werden dürfen, und inzwischen nicht zweihundert neue deutsche Mundarten entstanden sein werden, so wird ein neues Sprichwörterbuch folgen, das die Sprichwörter der zweihundert deutschen Mundarten mit den slawischen Sprachen zusammenstellt und etwa auch zwölf Thaler kostet. Mittlerweile wird sich das Bedürfniss herausstellen, es wäre besser, bequemer, leichter zu übersehen, wenn die Sprachen alle in Einem Werke vereinigt wären, wie etwa in dem „wissenschaftlich werthlosen“ von Wander, und man veranstaltet ein grosses europäisches Sprichwörterbuch, etwa unter dem Haupttitel Das Sprichwort als Pfiffikus, für sechzehn bis zwanzig Thaler. Ich erblicke nur Einen Fehler in diesem Plane, den, dass die germanischen und romanischen Sprachen nicht getrennt behandelt worden sind, dann konnten die zweihundert deutschen Mundarten viermal verwerthet werden. Versteht sich bei Freih. von Reinsberg von selbst – ohne Quellenangaben, die ihm nur ein „Leichtes“, also nicht wissenschaftlich sind. 4 Hierin unterscheiden wir uns nun wesentlich; denn ich betrachte eben als erste Bedingung eines wissenschaftlichen Sprichwörterwerks die Quellenangaben. Hätte mein Deutsches Sprichwörter-Lexikon auch sonst gar kein Verdienst; hätte es selbst noch mehr Fehler, als ihm Freih. von Reinsberg andichtet: so wird doch niemand, der auch nur einen Anflug von wissenschaftlicher Bildung besitzt, darüber in Zweifel sein, welche von beiden Arbeiten er zu wählen hat, wenn er sich in Besitz des geordneten Sprichwörterschatzes setzen will. Es gibt keine Spalte, selten einen Absatz, der nicht auch die Quellen angibt und so die Beziehungen zur Literatur nachweist. 5 Ich bin um so berechtigter davon zu sprechen, als ich bisjetzt mehr als zehn Jahre meines Lebens dieser Aufgabe gewidmet habe; die ursprüngliche Handschrift war ohne Quellennachweis. So weit mir die 1 Grosse Geister arbeiten schnell. Erasmus begann 1496 Sprichwörter zu sammeln, und soll diese Arbeit in „wenig Tagen“ zu Stande gebracht haben. (Vgl. Nopitsch, 177.) 2 Der bereits erwähnte Artikel in der Presse veranschaulicht uns das Verfahren. „Man schüttet den gesammten Inhalt derselben wieder in einen grossen Topf, macht ein vergleichendes Sprichwörterbuch mit neuem Titel daraus und versichert hoch und theuer, daas es das erste Sprichwörterbuch sei, das wissenschaftlich Werth habe. 3 Die wiener Presse sagt: „Für den gesammten Inhalt hat man keine andere Garantie, als Ida und Otto, oder Otto und Ida.“ 4 Als Ersatz vielleicht für das Quellenverzeichniss hat der Bearbeiter des Sprichworts als Praktikus sein Buch dem deutschen Kaiser gewidmet. Ich wurde unwillkürlich dabei an einen praktischen Yankee erinnert. Als ich im Jahre 1851 in Washington lebte – Freih. von Reinsberg-Düringsfeld mag hieraus ersehen, dass ich auch einmal aus den engen Schulstubenfenstern und über das A-b-c hinausgeschaut habe – wurde erzählt, dass ein Amerikaner eine Schlafmütze erfunden und dem Präsidenten überreicht habe, die ausserordentliche Vorzüge besitzen (z. B. Mosquitos abwehren u. s. w.) sollte und worauf er ein Patent verlangte. 5 Dr. H. Schramm in dem erwähnten Artikel der Gegenwart sagt S. 248: „Ich weiss nicht, was die Verfasser (des Freih. von Reinsberg'schen Buchs) zur wissenschaftlichen Benutzung für nothwendig erachten. Wie aber das Wander'sche Lexikon den Begriff „wissenschaftlich“ auffasst, zeigt uns Ein Beispiel. Wir schlagen den zweiten Band auf und stossen da auf den Artikel „Krähe“, der allein 148 Sprichwörter aufführt. Unter Nr. 47 steht: „Eine krahe hackt der andern kein auge aus.“ Dahinter nun finden sich bis auf Luther zurück achtundzwanzig Quellenschriften, in denen das Sprichwort in verschiedenen Fassungen, Schreibungen und Anwendungsformen vorkommt. Was die Mundarten anbetrifft, so ist in Betreff Hannovers auf Schambach, Westfalens auf Woeste und Firmenich, des Niederrheins auf Firmenich, Waldecks auf Curtze und Schlesiens auf Gomolcke verwiesen. Köln ist vertreten durch Weyden, Steiermark durch Firmenich, Siebenbürgen durch Schuster, Oberösterreich durch Baumgarten; die theologische Anwendung durch Luther und Mathesy, die sprachliche durch Schottel, die juridische durch Pistorius, die pädagogische durch Hollenberg, die naturgeschichtliche durch Naumann und Gesner. Dann folgen die sinnverwandten Sprichwörter aus vierzehn Sprachen mit Quellenangabe, (nicht blos) germanische, (und) romanische, (sondern auch) slawische. Sie werden in alphabetischer Ordnung aufgeführt, welche überhaupt die gesammte Verarbeitung des Materials im Wander'schen Werke mit peinlicher Genauigkeit beherrscht, also bei unserm Beispiel: Böhmisch (Čelakovský), französisch (Leroux, Bohn, Gaal, Masson), holländisch (Harrebomée), italienisch (Gaal und Masson), krainisch und kroatisch (Čelakovský), lateinisch (Binder, Seybold u. a.) u. s. f.“ „Selbstredend“, fährt der Verfasser fort, „hat nicht jedes Sprichwort eine so ausgedehnte Literatur, weil sein Anwendungskreis ein beschränkterer ist; aber diese Bearbeitungsform ist im ganzen Sprichwörter-Lexikon von Wander consequent durchgeführt. Ob nun nach der gegenwärtigen Entwickelung der Sprichwörterliteratur noch höhere Ansprüche an eine wissenschaftliche Sammlung zu stellen sind, weiss ich nicht u. s. w.“

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/11>, abgerufen am 24.11.2024.