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Walter, Marie: Das Frauenstimmrecht. Zürich, 1913.

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An die Eroberung des Frauenstimmrechtes knüpfen sich in-
dessen nicht nur praktische Momente. Es bringt auch starke geistige,
ideelle Kräfte zur Auswirkung. Vor allem vermittelt es den Ein-
blick in den geschichtlichen Entwicklungsgang der menschlichen Ge-
sellschaft, wobei das Stimmrecht sich zu einem Mittel der sozialen
Verteidigung und der Anerkennung sozialer Mündigkeit des weib-
lichen Geschlechtes gestaltet. Der gedrückten Klassenlage der Aus-
gebeuteten, Minderberechtigten und Unfreien, entsprießt der so-
ziale Gerechtigkeitssinn, der das gewaltige Unrecht dem Weibe
gegenüber lebhaft nachfühlen läßt. Mit dem Grade des Fort-
schreitens der proletarischen Bewegung und damit der Kultur-
entwicklung wächst der Drang nach Mitarbeit, nach Nutzung der
Kräfte für die Gemeinschaft, nach Entfaltung der persönlichen
Eigenart. Daher wird überall, wo der Same des Sozialismus
in die vollen Aehren schießt, auch die Saat bereitet der Mensch-
heitsbefreiung des Weibes.

Wohl liegt die Gewißheit nahe, daß mit der Einführung des
Frauenstimmrechtes die Macht der Reaktion, des Rückschrittes,
vorübergehend gestärkt werde. Sei es! Die Sozialdemokratie kennt
nicht den Ehrgeiz des momentanen Erfolges. Jhr schwebt stets
vor Augen das leuchtende Ziel der Menschheitsveredlung. Daher
bedeutet für sie das Frauenstimmrecht ein wertvolles Mittel der
politischen Sammlung und Schulung der proletarischen Frauen-
massen.

Denn die rechtlose Proletarierin wird durch die ihr von
bürgerlicher Seite erwiesenen Wohltaten geblendet, irregeführt,
nicht selten von ihren eigenen Todfeinden als Werkzeug gegen die
Arbeitsbrüder verwendet. Als Vollbürgerin im öffentlichen Leben
stehend, wird sie zur begeisterten Kampfesgenossin im Dienste des
Sozialismus, wird sie zur begeisterten Kampfesgenossin in den
Anstürmen gegen die Ausbeutung und Unterdrückung durch die
herrschende kapitalistische Klasse. Als Vollbürgerin wird sie als
verständige, den Blick aufs Große gerichteten Mutter aber auch in
ihren Kindern ein brauchbares, tüchtiges Geschlecht von Kämpfern
und Kämpferinnen für den Sozialismus heranziehen. So besehen
ist der Kampf ums Frauenstimmrecht mehr als eine Forderung
der Gerechtigkeit und mehr als eine Sache der Frauen. Er
ist auch Männersache, er ist ein Kampf zur Abschaffung der
Klassenherrschaft, ein Kampf um Menschenrechte, ein sieghafter
Kampf, der altersgraue Mauern niederreißt und die gesamte
befreite Menschheit in die lichten weiten Sonnenhallen des Kom-
munismus und der Demokratie hineinführen wird, wo beide Ge-
schlechter, Mann und Weib, erst der Menschwerdung entgegen-
reifen.



An die Eroberung des Frauenstimmrechtes knüpfen sich in-
dessen nicht nur praktische Momente. Es bringt auch starke geistige,
ideelle Kräfte zur Auswirkung. Vor allem vermittelt es den Ein-
blick in den geschichtlichen Entwicklungsgang der menschlichen Ge-
sellschaft, wobei das Stimmrecht sich zu einem Mittel der sozialen
Verteidigung und der Anerkennung sozialer Mündigkeit des weib-
lichen Geschlechtes gestaltet. Der gedrückten Klassenlage der Aus-
gebeuteten, Minderberechtigten und Unfreien, entsprießt der so-
ziale Gerechtigkeitssinn, der das gewaltige Unrecht dem Weibe
gegenüber lebhaft nachfühlen läßt. Mit dem Grade des Fort-
schreitens der proletarischen Bewegung und damit der Kultur-
entwicklung wächst der Drang nach Mitarbeit, nach Nutzung der
Kräfte für die Gemeinschaft, nach Entfaltung der persönlichen
Eigenart. Daher wird überall, wo der Same des Sozialismus
in die vollen Aehren schießt, auch die Saat bereitet der Mensch-
heitsbefreiung des Weibes.

Wohl liegt die Gewißheit nahe, daß mit der Einführung des
Frauenstimmrechtes die Macht der Reaktion, des Rückschrittes,
vorübergehend gestärkt werde. Sei es! Die Sozialdemokratie kennt
nicht den Ehrgeiz des momentanen Erfolges. Jhr schwebt stets
vor Augen das leuchtende Ziel der Menschheitsveredlung. Daher
bedeutet für sie das Frauenstimmrecht ein wertvolles Mittel der
politischen Sammlung und Schulung der proletarischen Frauen-
massen.

Denn die rechtlose Proletarierin wird durch die ihr von
bürgerlicher Seite erwiesenen Wohltaten geblendet, irregeführt,
nicht selten von ihren eigenen Todfeinden als Werkzeug gegen die
Arbeitsbrüder verwendet. Als Vollbürgerin im öffentlichen Leben
stehend, wird sie zur begeisterten Kampfesgenossin im Dienste des
Sozialismus, wird sie zur begeisterten Kampfesgenossin in den
Anstürmen gegen die Ausbeutung und Unterdrückung durch die
herrschende kapitalistische Klasse. Als Vollbürgerin wird sie als
verständige, den Blick aufs Große gerichteten Mutter aber auch in
ihren Kindern ein brauchbares, tüchtiges Geschlecht von Kämpfern
und Kämpferinnen für den Sozialismus heranziehen. So besehen
ist der Kampf ums Frauenstimmrecht mehr als eine Forderung
der Gerechtigkeit und mehr als eine Sache der Frauen. Er
ist auch Männersache, er ist ein Kampf zur Abschaffung der
Klassenherrschaft, ein Kampf um Menschenrechte, ein sieghafter
Kampf, der altersgraue Mauern niederreißt und die gesamte
befreite Menschheit in die lichten weiten Sonnenhallen des Kom-
munismus und der Demokratie hineinführen wird, wo beide Ge-
schlechter, Mann und Weib, erst der Menschwerdung entgegen-
reifen.



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[22/0022] An die Eroberung des Frauenstimmrechtes knüpfen sich in- dessen nicht nur praktische Momente. Es bringt auch starke geistige, ideelle Kräfte zur Auswirkung. Vor allem vermittelt es den Ein- blick in den geschichtlichen Entwicklungsgang der menschlichen Ge- sellschaft, wobei das Stimmrecht sich zu einem Mittel der sozialen Verteidigung und der Anerkennung sozialer Mündigkeit des weib- lichen Geschlechtes gestaltet. Der gedrückten Klassenlage der Aus- gebeuteten, Minderberechtigten und Unfreien, entsprießt der so- ziale Gerechtigkeitssinn, der das gewaltige Unrecht dem Weibe gegenüber lebhaft nachfühlen läßt. Mit dem Grade des Fort- schreitens der proletarischen Bewegung und damit der Kultur- entwicklung wächst der Drang nach Mitarbeit, nach Nutzung der Kräfte für die Gemeinschaft, nach Entfaltung der persönlichen Eigenart. Daher wird überall, wo der Same des Sozialismus in die vollen Aehren schießt, auch die Saat bereitet der Mensch- heitsbefreiung des Weibes. Wohl liegt die Gewißheit nahe, daß mit der Einführung des Frauenstimmrechtes die Macht der Reaktion, des Rückschrittes, vorübergehend gestärkt werde. Sei es! Die Sozialdemokratie kennt nicht den Ehrgeiz des momentanen Erfolges. Jhr schwebt stets vor Augen das leuchtende Ziel der Menschheitsveredlung. Daher bedeutet für sie das Frauenstimmrecht ein wertvolles Mittel der politischen Sammlung und Schulung der proletarischen Frauen- massen. Denn die rechtlose Proletarierin wird durch die ihr von bürgerlicher Seite erwiesenen Wohltaten geblendet, irregeführt, nicht selten von ihren eigenen Todfeinden als Werkzeug gegen die Arbeitsbrüder verwendet. Als Vollbürgerin im öffentlichen Leben stehend, wird sie zur begeisterten Kampfesgenossin im Dienste des Sozialismus, wird sie zur begeisterten Kampfesgenossin in den Anstürmen gegen die Ausbeutung und Unterdrückung durch die herrschende kapitalistische Klasse. Als Vollbürgerin wird sie als verständige, den Blick aufs Große gerichteten Mutter aber auch in ihren Kindern ein brauchbares, tüchtiges Geschlecht von Kämpfern und Kämpferinnen für den Sozialismus heranziehen. So besehen ist der Kampf ums Frauenstimmrecht mehr als eine Forderung der Gerechtigkeit und mehr als eine Sache der Frauen. Er ist auch Männersache, er ist ein Kampf zur Abschaffung der Klassenherrschaft, ein Kampf um Menschenrechte, ein sieghafter Kampf, der altersgraue Mauern niederreißt und die gesamte befreite Menschheit in die lichten weiten Sonnenhallen des Kom- munismus und der Demokratie hineinführen wird, wo beide Ge- schlechter, Mann und Weib, erst der Menschwerdung entgegen- reifen.

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Zitationshilfe: Walter, Marie: Das Frauenstimmrecht. Zürich, 1913, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walter_frauenstimmrecht_1913/22>, abgerufen am 24.11.2024.