Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
über mit der Mutter gesprochen, und sich beküm- mert darüber gestellt, sie sogar ermahnet hatte, doch nicht so partheiisch zu sein, ward Madelon dafür gezüchtigt, und ihr angedeutet, daß es ihr weit schrecklicher ergehen sollte, wenn sie sich noch einmal bei dem Vater über mich oder sie, die Mut- ter, beschweren würde. Das schüchterne Mädchen schwieg also, und Vater Schnitzer glaubte, sie habe keine Ursache mehr zum Klagen. So klug wußte also meine Mutter ihre Dispositionen zu machen, und wenigstens wird man doch gestehen müssen, daß sie dabei das Berdienst hatte, ihren Johann Jacob in angenehmer Täuschung zu wiegen. Diese Täuschung versüßte ihm seine letzten Tage, er bildete sich ein, zwei Kinder guter Art zu hinterlassen, und daß dieses in Ansehung meiner nicht so, wie ers verstand, gegründet war, hinterbrachte ihm kein Mensch, denn auch den alten Marqueur gewann meine Mutter, da sie durch- aus beschlossen hatte, ihr lieber Jacob sollte in vol- ler Zufriedenheit mit ihr aus der Welt scheiden. Er kam zuletzt, wenn er nicht um Luft zu genießen auswankte, wenig mehr aus seinem Stübchen, wußte daher nicht, was im Hause vorgieng, und ich mir zu Schulden kommen ließ; erfuhr er aber auch mit- unter etwas, oder kam selbst dazu, so grämte er sich
uͤber mit der Mutter geſprochen, und ſich bekuͤm- mert daruͤber geſtellt, ſie ſogar ermahnet hatte, doch nicht ſo partheiiſch zu ſein, ward Madelon dafuͤr gezuͤchtigt, und ihr angedeutet, daß es ihr weit ſchrecklicher ergehen ſollte, wenn ſie ſich noch einmal bei dem Vater uͤber mich oder ſie, die Mut- ter, beſchweren wuͤrde. Das ſchuͤchterne Maͤdchen ſchwieg alſo, und Vater Schnitzer glaubte, ſie habe keine Urſache mehr zum Klagen. So klug wußte alſo meine Mutter ihre Diſpoſitionen zu machen, und wenigſtens wird man doch geſtehen muͤſſen, daß ſie dabei das Berdienſt hatte, ihren Johann Jacob in angenehmer Taͤuſchung zu wiegen. Dieſe Taͤuſchung verſuͤßte ihm ſeine letzten Tage, er bildete ſich ein, zwei Kinder guter Art zu hinterlaſſen, und daß dieſes in Anſehung meiner nicht ſo, wie ers verſtand, gegruͤndet war, hinterbrachte ihm kein Menſch, denn auch den alten Marqueur gewann meine Mutter, da ſie durch- aus beſchloſſen hatte, ihr lieber Jacob ſollte in vol- ler Zufriedenheit mit ihr aus der Welt ſcheiden. Er kam zuletzt, wenn er nicht um Luft zu genießen auswankte, wenig mehr aus ſeinem Stuͤbchen, wußte daher nicht, was im Hauſe vorgieng, und ich mir zu Schulden kommen ließ; erfuhr er aber auch mit- unter etwas, oder kam ſelbſt dazu, ſo graͤmte er ſich
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uͤber mit der Mutter geſprochen, und ſich bekuͤm-
mert daruͤber geſtellt, ſie ſogar ermahnet hatte,
doch nicht ſo partheiiſch zu ſein, ward Madelon
dafuͤr gezuͤchtigt, und ihr angedeutet, daß es ihr
weit ſchrecklicher ergehen ſollte, wenn ſie ſich noch
einmal bei dem Vater uͤber mich oder ſie, die Mut-
ter, beſchweren wuͤrde. Das ſchuͤchterne Maͤdchen
ſchwieg alſo, und Vater Schnitzer glaubte, ſie habe
keine Urſache mehr zum Klagen. So klug wußte
alſo meine Mutter ihre Diſpoſitionen zu machen,
und wenigſtens wird man doch geſtehen muͤſſen, daß
ſie dabei das Berdienſt hatte, ihren Johann
Jacob in angenehmer Taͤuſchung zu wiegen.
Dieſe Taͤuſchung verſuͤßte ihm ſeine letzten Tage,
er bildete ſich ein, zwei Kinder guter Art
zu hinterlaſſen, und daß dieſes in Anſehung
meiner nicht ſo, wie ers verſtand, gegruͤndet
war, hinterbrachte ihm kein Menſch, denn auch den
alten Marqueur gewann meine Mutter, da ſie durch-
aus beſchloſſen hatte, ihr lieber Jacob ſollte in vol-
ler Zufriedenheit mit ihr aus der Welt ſcheiden. Er
kam zuletzt, wenn er nicht um Luft zu genießen
auswankte, wenig mehr aus ſeinem Stuͤbchen, wußte
daher nicht, was im Hauſe vorgieng, und ich mir
zu Schulden kommen ließ; erfuhr er aber auch mit-
unter etwas, oder kam ſelbſt dazu, ſo graͤmte er
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