Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
zogen ich auch gewesen sein mochte, am Ende jeder Woche einen Lobzettel zu geben, den meine Mutter dem Vater frohlockend überbrachte. Der gute Mann begann würklich zu glauben, daß ich noch zum Guten zu ziehen sein würde, er ward dem Ge- danken, daß ich sein Sohn wäre, wieder gewogen, und liebte mich nun eben so wie seine Lene. Wir sollten oft beide bei ihm sein, doch Mutter Sus- chen, welche mich durch Schmeichelei und das Ver- sprechen eines Geschenks manchmal dahin brachte, daß ich in Gegenwart des Vaters ziemlich artig war, der mich dann dafür lobte, und mir jedes- mal auch zum Zeichen seiner Zufriedenheit etwas schenkte, hüthete sich hingegen so viel möglich, mich mit meiner Schwester zusammen bei ihm zu lassen, denn sie fürchtete, daß ich irgend eine Bosheit an dieser ausüben, und so dem Vater beweisen würde, ich sei um nichts besser, vielmehr schlimmer, wie man das fast alle Tage mit Recht wiederholen konnte. Zwar hatte Madelon einmal, als sie allein beim Vater war, ihm geklagt, daß ich sie immer schlüge, ihr alles wegnähme, und ihr, wenn sie nicht ganz still dazu schwiege, noch dazu bei der Mutter Schläge zuzöge, indem ich bei dieser die Sache umzudrehen und sie als die Sünderinn an mir anzuklagen wüßte; da aber Johann Jacob hier- über
zogen ich auch geweſen ſein mochte, am Ende jeder Woche einen Lobzettel zu geben, den meine Mutter dem Vater frohlockend uͤberbrachte. Der gute Mann begann wuͤrklich zu glauben, daß ich noch zum Guten zu ziehen ſein wuͤrde, er ward dem Ge- danken, daß ich ſein Sohn waͤre, wieder gewogen, und liebte mich nun eben ſo wie ſeine Lene. Wir ſollten oft beide bei ihm ſein, doch Mutter Sus- chen, welche mich durch Schmeichelei und das Ver- ſprechen eines Geſchenks manchmal dahin brachte, daß ich in Gegenwart des Vaters ziemlich artig war, der mich dann dafuͤr lobte, und mir jedes- mal auch zum Zeichen ſeiner Zufriedenheit etwas ſchenkte, huͤthete ſich hingegen ſo viel moͤglich, mich mit meiner Schweſter zuſammen bei ihm zu laſſen, denn ſie fuͤrchtete, daß ich irgend eine Bosheit an dieſer ausuͤben, und ſo dem Vater beweiſen wuͤrde, ich ſei um nichts beſſer, vielmehr ſchlimmer, wie man das faſt alle Tage mit Recht wiederholen konnte. Zwar hatte Madelon einmal, als ſie allein beim Vater war, ihm geklagt, daß ich ſie immer ſchluͤge, ihr alles wegnaͤhme, und ihr, wenn ſie nicht ganz ſtill dazu ſchwiege, noch dazu bei der Mutter Schlaͤge zuzoͤge, indem ich bei dieſer die Sache umzudrehen und ſie als die Suͤnderinn an mir anzuklagen wuͤßte; da aber Johann Jacob hier- uͤber
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zogen ich auch geweſen ſein mochte, am Ende jeder
Woche einen Lobzettel zu geben, den meine Mutter
dem Vater frohlockend uͤberbrachte. Der gute
Mann begann wuͤrklich zu glauben, daß ich noch
zum Guten zu ziehen ſein wuͤrde, er ward dem Ge-
danken, daß ich ſein Sohn waͤre, wieder gewogen,
und liebte mich nun eben ſo wie ſeine Lene. Wir
ſollten oft beide bei ihm ſein, doch Mutter Sus-
chen, welche mich durch Schmeichelei und das Ver-
ſprechen eines Geſchenks manchmal dahin brachte,
daß ich in Gegenwart des Vaters ziemlich artig
war, der mich dann dafuͤr lobte, und mir jedes-
mal auch zum Zeichen ſeiner Zufriedenheit etwas
ſchenkte, huͤthete ſich hingegen ſo viel moͤglich, mich
mit meiner Schweſter zuſammen bei ihm zu laſſen,
denn ſie fuͤrchtete, daß ich irgend eine Bosheit an
dieſer ausuͤben, und ſo dem Vater beweiſen wuͤrde,
ich ſei um nichts beſſer, vielmehr ſchlimmer, wie
man das faſt alle Tage mit Recht wiederholen
konnte. Zwar hatte Madelon einmal, als ſie allein
beim Vater war, ihm geklagt, daß ich ſie immer
ſchluͤge, ihr alles wegnaͤhme, und ihr, wenn ſie
nicht ganz ſtill dazu ſchwiege, noch dazu bei der
Mutter Schlaͤge zuzoͤge, indem ich bei dieſer die
Sache umzudrehen und ſie als die Suͤnderinn an
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Zitationshilfe: | Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/80>, abgerufen am 16.02.2025. |