sich unterwerfen mußte, wenn er auch höhere Stu- fen erreicht hätte, einen augenblick ruhig sein?
Jch schwur an dem Tage, da ich in dieser Fe- stung ankam, meine Fesseln abzuwerfen, was es auch kosten möchte, die Schwierigkeit, dort zu entkom- men, vermehrte meine Begierde darzu; ich hatte forthin nur einen fixen Gedanken, welcher über der Möglichkeit wegzugehn brütete; alles was ich sonst that, wurde mechanisch betrieben. Da ich meine Unzufriedenheit gegen mehrere meiner Kameraden äußerte, erfuhr ich, daß viele von ihnen gleiche Ge- sinnung hegten; diese bestärkte ich immer mehr in denselben, that das möglichste, um ihnen unser Sklavenjoch recht unerträglich vorzustellen, und er- munterte sie zu einem Complot mit mir. Jch hatte meine Leute mit inniger Behutsamkeit gewählt, es waren vier leichtsinnige Kerls, denen es gleich viel war, ob sie durch Stehlen oder Betteln fortkämen, wenn sie nur in die weite Welt hinaus wären, sie gaben mir um so williger Gehör, da ich ihnen gold- ne Berge vormahlte, die ich ihnen nicht nur in mei- nem Vaterlande verhieß, welches eben damals mit dem Monarchen, dem ich diente, in Uneinigkeit war, wobei keine Auslieferung Statt fand, sondern auch in andern Ländern, wo ich Bekannte und gro- ße Verwandte hätte. Sie ließen sich von mir bere- den, ich machte, als der Anführer, zu unserer De- sertion mit einer Verwegenheit Anstalten, vor der ich mich noch jetzt entsetze, weil mich die Liebe zur Freiheit mein theures Leben, welches ich doch so sehr schätzte, hätte kosten können.
Es
ſich unterwerfen mußte, wenn er auch hoͤhere Stu- fen erreicht haͤtte, einen augenblick ruhig ſein?
Jch ſchwur an dem Tage, da ich in dieſer Fe- ſtung ankam, meine Feſſeln abzuwerfen, was es auch koſten moͤchte, die Schwierigkeit, dort zu entkom- men, vermehrte meine Begierde darzu; ich hatte forthin nur einen fixen Gedanken, welcher uͤber der Moͤglichkeit wegzugehn bruͤtete; alles was ich ſonſt that, wurde mechaniſch betrieben. Da ich meine Unzufriedenheit gegen mehrere meiner Kameraden aͤußerte, erfuhr ich, daß viele von ihnen gleiche Ge- ſinnung hegten; dieſe beſtaͤrkte ich immer mehr in denſelben, that das moͤglichſte, um ihnen unſer Sklavenjoch recht unertraͤglich vorzuſtellen, und er- munterte ſie zu einem Complot mit mir. Jch hatte meine Leute mit inniger Behutſamkeit gewaͤhlt, es waren vier leichtſinnige Kerls, denen es gleich viel war, ob ſie durch Stehlen oder Betteln fortkaͤmen, wenn ſie nur in die weite Welt hinaus waͤren, ſie gaben mir um ſo williger Gehoͤr, da ich ihnen gold- ne Berge vormahlte, die ich ihnen nicht nur in mei- nem Vaterlande verhieß, welches eben damals mit dem Monarchen, dem ich diente, in Uneinigkeit war, wobei keine Auslieferung Statt fand, ſondern auch in andern Laͤndern, wo ich Bekannte und gro- ße Verwandte haͤtte. Sie ließen ſich von mir bere- den, ich machte, als der Anfuͤhrer, zu unſerer De- ſertion mit einer Verwegenheit Anſtalten, vor der ich mich noch jetzt entſetze, weil mich die Liebe zur Freiheit mein theures Leben, welches ich doch ſo ſehr ſchaͤtzte, haͤtte koſten koͤnnen.
Es
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ſich unterwerfen mußte, wenn er auch hoͤhere Stu-
fen erreicht haͤtte, einen augenblick ruhig ſein?
Jch ſchwur an dem Tage, da ich in dieſer Fe-
ſtung ankam, meine Feſſeln abzuwerfen, was es auch
koſten moͤchte, die Schwierigkeit, dort zu entkom-
men, vermehrte meine Begierde darzu; ich hatte
forthin nur einen fixen Gedanken, welcher uͤber der
Moͤglichkeit wegzugehn bruͤtete; alles was ich ſonſt
that, wurde mechaniſch betrieben. Da ich meine
Unzufriedenheit gegen mehrere meiner Kameraden
aͤußerte, erfuhr ich, daß viele von ihnen gleiche Ge-
ſinnung hegten; dieſe beſtaͤrkte ich immer mehr in
denſelben, that das moͤglichſte, um ihnen unſer
Sklavenjoch recht unertraͤglich vorzuſtellen, und er-
munterte ſie zu einem Complot mit mir. Jch hatte
meine Leute mit inniger Behutſamkeit gewaͤhlt, es
waren vier leichtſinnige Kerls, denen es gleich viel
war, ob ſie durch Stehlen oder Betteln fortkaͤmen,
wenn ſie nur in die weite Welt hinaus waͤren, ſie
gaben mir um ſo williger Gehoͤr, da ich ihnen gold-
ne Berge vormahlte, die ich ihnen nicht nur in mei-
nem Vaterlande verhieß, welches eben damals mit
dem Monarchen, dem ich diente, in Uneinigkeit
war, wobei keine Auslieferung Statt fand, ſondern
auch in andern Laͤndern, wo ich Bekannte und gro-
ße Verwandte haͤtte. Sie ließen ſich von mir bere-
den, ich machte, als der Anfuͤhrer, zu unſerer De-
ſertion mit einer Verwegenheit Anſtalten, vor der
ich mich noch jetzt entſetze, weil mich die Liebe zur
Freiheit mein theures Leben, welches ich doch ſo ſehr
ſchaͤtzte, haͤtte koſten koͤnnen.
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/481>, abgerufen am 22.11.2024.
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