Der General eines schönen Regiments, welches in einer großen Festung stand, deren Commendant er war, kam durch unser Städtchen, unser Oberster ließ sein Bataillon vor ihm in Parade erscheinen, und ich hatte das Glück, dem Herrn General in die Augen zu fallen. Er erkundigte sich nach der Ursa- che, warum ich abgegeben worden wäre? fand sie allerdings wichtig, hoffte aber, daß mich die em- pfangene Strafe würde gebessert haben. Weil man mir auch, so lange ich beim Bataillon stand, nichts Uebles nachsagen konnte, vielmehr aus meinem stil- len und schwermüthigen Betragen Reue schloß, so bestimmte der General mich zu seinem Regiment zu nehmen, welches er mir unter vielen Vermahnun- gen zu einer guten Aufführung, und Bedrohungen, im Fall neuer Excesse, selbst ankündigte.
Jch sah in dieser abermaligen Veränderung, nichts Erfreuliches, als daß ich dadurch doch wie- der in eine große Stadt käme, wo man sehn könnte was zu thun wäre? Wenn ich mich in das Schick- sal, Solbat zu sein, hätte finden können und Rück- sichten zu nehmen gewohnt gewesen wäre, so hätte ich durch die Güte meines Chefs bewogen werden müssen, treulich auszuhalten und seine Erwartun- gen zu erfüllen, ich wäre dann ohne Zweifel, wie er mir oft versprach, bald nicht mehr Gemeiner gewe- sen, und hätte vielleicht mein Glück beym Militair gemacht. Wie konnte sich aber ein Mensch, der sich in diesen Stand begeben hatte, um der Strafe einer verbotenen Handlung zu entgehen, oder eine Pflicht nicht erfüllen zu dürfen, in Subordination und Ordnung finden, und bei dem Zwang, dem er
sich
Der General eines ſchoͤnen Regiments, welches in einer großen Feſtung ſtand, deren Commendant er war, kam durch unſer Staͤdtchen, unſer Oberſter ließ ſein Bataillon vor ihm in Parade erſcheinen, und ich hatte das Gluͤck, dem Herrn General in die Augen zu fallen. Er erkundigte ſich nach der Urſa- che, warum ich abgegeben worden waͤre? fand ſie allerdings wichtig, hoffte aber, daß mich die em- pfangene Strafe wuͤrde gebeſſert haben. Weil man mir auch, ſo lange ich beim Bataillon ſtand, nichts Uebles nachſagen konnte, vielmehr aus meinem ſtil- len und ſchwermuͤthigen Betragen Reue ſchloß, ſo beſtimmte der General mich zu ſeinem Regiment zu nehmen, welches er mir unter vielen Vermahnun- gen zu einer guten Auffuͤhrung, und Bedrohungen, im Fall neuer Exceſſe, ſelbſt ankuͤndigte.
Jch ſah in dieſer abermaligen Veraͤnderung, nichts Erfreuliches, als daß ich dadurch doch wie- der in eine große Stadt kaͤme, wo man ſehn koͤnnte was zu thun waͤre? Wenn ich mich in das Schick- ſal, Solbat zu ſein, haͤtte finden koͤnnen und Ruͤck- ſichten zu nehmen gewohnt geweſen waͤre, ſo haͤtte ich durch die Guͤte meines Chefs bewogen werden muͤſſen, treulich auszuhalten und ſeine Erwartun- gen zu erfuͤllen, ich waͤre dann ohne Zweifel, wie er mir oft verſprach, bald nicht mehr Gemeiner gewe- ſen, und haͤtte vielleicht mein Gluͤck beym Militair gemacht. Wie konnte ſich aber ein Menſch, der ſich in dieſen Stand begeben hatte, um der Strafe einer verbotenen Handlung zu entgehen, oder eine Pflicht nicht erfuͤllen zu duͤrfen, in Subordination und Ordnung finden, und bei dem Zwang, dem er
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Der General eines ſchoͤnen Regiments, welches in
einer großen Feſtung ſtand, deren Commendant er
war, kam durch unſer Staͤdtchen, unſer Oberſter
ließ ſein Bataillon vor ihm in Parade erſcheinen,
und ich hatte das Gluͤck, dem Herrn General in die
Augen zu fallen. Er erkundigte ſich nach der Urſa-
che, warum ich abgegeben worden waͤre? fand ſie
allerdings wichtig, hoffte aber, daß mich die em-
pfangene Strafe wuͤrde gebeſſert haben. Weil man
mir auch, ſo lange ich beim Bataillon ſtand, nichts
Uebles nachſagen konnte, vielmehr aus meinem ſtil-
len und ſchwermuͤthigen Betragen Reue ſchloß, ſo
beſtimmte der General mich zu ſeinem Regiment zu
nehmen, welches er mir unter vielen Vermahnun-
gen zu einer guten Auffuͤhrung, und Bedrohungen,
im Fall neuer Exceſſe, ſelbſt ankuͤndigte.
Jch ſah in dieſer abermaligen Veraͤnderung,
nichts Erfreuliches, als daß ich dadurch doch wie-
der in eine große Stadt kaͤme, wo man ſehn koͤnnte
was zu thun waͤre? Wenn ich mich in das Schick-
ſal, Solbat zu ſein, haͤtte finden koͤnnen und Ruͤck-
ſichten zu nehmen gewohnt geweſen waͤre, ſo haͤtte
ich durch die Guͤte meines Chefs bewogen werden
muͤſſen, treulich auszuhalten und ſeine Erwartun-
gen zu erfuͤllen, ich waͤre dann ohne Zweifel, wie er
mir oft verſprach, bald nicht mehr Gemeiner gewe-
ſen, und haͤtte vielleicht mein Gluͤck beym Militair
gemacht. Wie konnte ſich aber ein Menſch, der
ſich in dieſen Stand begeben hatte, um der Strafe
einer verbotenen Handlung zu entgehen, oder eine
Pflicht nicht erfuͤllen zu duͤrfen, in Subordination
und Ordnung finden, und bei dem Zwang, dem er
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/480>, abgerufen am 22.11.2024.
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