Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Hieronimus ward nicht durchgängig ausgelacht oder
verachtet, es fanden sich Personen, die ihm sehr ernst-
haft zuhörten, ihn für einen unterhaltenden Mann,
der sich was in der Welt versucht hatte, erklärten,
und unter den Dächern solcher Leute fand er zuwei-
len Monate lang Zuflucht, wo er denn recht hono-
rig gehalten ward. Es nahm freilich immer ein En-
de, wo nicht mit Schrecken, doch mit wenig Com-
plimenten, denn Lieutenant Schlupfloch ward, wenn
er ein wenig eingewohnt war, seinen Wirthen zu
keck, wollte immer ein Liebesverständniß mit der
Frau oder den Töchtern vom Hause anknüpfen, wel-
ches nicht immer mit Dankbarkeit angenommen wur-
de. Hatte er das Glück eine der genannten Perso-
nen auf seine Seite zu bekommen (welches zuweilen
geschah, weil er ein hübscher stammhafter Mann war);
so ging er so ungenirt zu Werke, daß die es sehr bald
entdeckten, welche es noch nicht wissen sollten, und
bei solchen Gelegenheiten soll er ein paarmal aus
dem Hause geprügelt worden sein. Wo aber der-
gleichen Feindseligkeiten durch die Liebe auch nicht
vorfielen, da hatte der brave Hieronimus doch oft
einen runden Abschied blos darum bekommen, weil
er mit i[m]mer mehr Dreustigkeit, alles, was ihm
jede Stunde beliebte, gefordert und den Gebieter
gemacht hatte.

Einst war er auf eine oder die andere Art so ent-
lassen worden, als er die Bekanntschaft meines Stief-
vaters machte. Dieß geschah in der Stadt, wohin
Treff zuweilen ritt, um den Rebensaft eines Wein-
schenken mit dem seinigen zu verwechseln. Schlupf-
loch,
Hieronimus ward nicht durchgaͤngig ausgelacht oder
verachtet, es fanden ſich Perſonen, die ihm ſehr ernſt-
haft zuhoͤrten, ihn fuͤr einen unterhaltenden Mann,
der ſich was in der Welt verſucht hatte, erklaͤrten,
und unter den Daͤchern ſolcher Leute fand er zuwei-
len Monate lang Zuflucht, wo er denn recht hono-
rig gehalten ward. Es nahm freilich immer ein En-
de, wo nicht mit Schrecken, doch mit wenig Com-
plimenten, denn Lieutenant Schlupfloch ward, wenn
er ein wenig eingewohnt war, ſeinen Wirthen zu
keck, wollte immer ein Liebesverſtaͤndniß mit der
Frau oder den Toͤchtern vom Hauſe anknuͤpfen, wel-
ches nicht immer mit Dankbarkeit angenommen wur-
de. Hatte er das Gluͤck eine der genannten Perſo-
nen auf ſeine Seite zu bekommen (welches zuweilen
geſchah, weil er ein huͤbſcher ſtammhafter Mann war);
ſo ging er ſo ungenirt zu Werke, daß die es ſehr bald
entdeckten, welche es noch nicht wiſſen ſollten, und
bei ſolchen Gelegenheiten ſoll er ein paarmal aus
dem Hauſe gepruͤgelt worden ſein. Wo aber der-
gleichen Feindſeligkeiten durch die Liebe auch nicht
vorfielen, da hatte der brave Hieronimus doch oft
einen runden Abſchied blos darum bekommen, weil
er mit i[m]mer mehr Dreuſtigkeit, alles, was ihm
jede Stunde beliebte, gefordert und den Gebieter
gemacht hatte.

Einſt war er auf eine oder die andere Art ſo ent-
laſſen worden, als er die Bekanntſchaft meines Stief-
vaters machte. Dieß geſchah in der Stadt, wohin
Treff zuweilen ritt, um den Rebenſaft eines Wein-
ſchenken mit dem ſeinigen zu verwechſeln. Schlupf-
loch,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#JCH">
          <p><pb facs="#f0444" n="440"/>
Hieronimus ward nicht durchga&#x0364;ngig ausgelacht oder<lb/>
verachtet, es fanden &#x017F;ich Per&#x017F;onen, die ihm &#x017F;ehr ern&#x017F;t-<lb/>
haft zuho&#x0364;rten, ihn fu&#x0364;r einen unterhaltenden Mann,<lb/>
der &#x017F;ich was in der Welt ver&#x017F;ucht hatte, erkla&#x0364;rten,<lb/>
und unter den Da&#x0364;chern &#x017F;olcher Leute fand er zuwei-<lb/>
len Monate lang Zuflucht, wo er denn recht hono-<lb/>
rig gehalten ward. Es nahm freilich immer ein En-<lb/>
de, wo nicht mit Schrecken, doch mit wenig Com-<lb/>
plimenten, denn Lieutenant Schlupfloch ward, wenn<lb/>
er ein wenig eingewohnt war, &#x017F;einen Wirthen zu<lb/>
keck, wollte immer ein Liebesver&#x017F;ta&#x0364;ndniß mit der<lb/>
Frau oder den To&#x0364;chtern vom Hau&#x017F;e anknu&#x0364;pfen, wel-<lb/>
ches nicht immer mit Dankbarkeit angenommen wur-<lb/>
de. Hatte er das Glu&#x0364;ck eine der genannten Per&#x017F;o-<lb/>
nen auf &#x017F;eine Seite zu bekommen (welches zuweilen<lb/>
ge&#x017F;chah, weil er ein hu&#x0364;b&#x017F;cher &#x017F;tammhafter Mann war);<lb/>
&#x017F;o ging er &#x017F;o ungenirt zu Werke, daß die es &#x017F;ehr bald<lb/>
entdeckten, welche es noch nicht wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollten, und<lb/>
bei &#x017F;olchen Gelegenheiten &#x017F;oll er ein paarmal aus<lb/>
dem Hau&#x017F;e gepru&#x0364;gelt worden &#x017F;ein. Wo aber der-<lb/>
gleichen Feind&#x017F;eligkeiten durch die Liebe auch nicht<lb/>
vorfielen, da hatte der brave Hieronimus doch oft<lb/>
einen runden Ab&#x017F;chied blos darum bekommen, weil<lb/>
er mit i<supplied>m</supplied>mer mehr Dreu&#x017F;tigkeit, alles, was ihm<lb/>
jede Stunde beliebte, gefordert und den Gebieter<lb/>
gemacht hatte.</p><lb/>
          <p>Ein&#x017F;t war er auf eine oder die andere Art &#x017F;o ent-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en worden, als er die Bekannt&#x017F;chaft meines Stief-<lb/>
vaters machte. Dieß ge&#x017F;chah in der Stadt, wohin<lb/>
Treff zuweilen ritt, um den Reben&#x017F;aft eines Wein-<lb/>
&#x017F;chenken mit dem &#x017F;einigen zu verwech&#x017F;eln. Schlupf-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">loch,</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0444] Hieronimus ward nicht durchgaͤngig ausgelacht oder verachtet, es fanden ſich Perſonen, die ihm ſehr ernſt- haft zuhoͤrten, ihn fuͤr einen unterhaltenden Mann, der ſich was in der Welt verſucht hatte, erklaͤrten, und unter den Daͤchern ſolcher Leute fand er zuwei- len Monate lang Zuflucht, wo er denn recht hono- rig gehalten ward. Es nahm freilich immer ein En- de, wo nicht mit Schrecken, doch mit wenig Com- plimenten, denn Lieutenant Schlupfloch ward, wenn er ein wenig eingewohnt war, ſeinen Wirthen zu keck, wollte immer ein Liebesverſtaͤndniß mit der Frau oder den Toͤchtern vom Hauſe anknuͤpfen, wel- ches nicht immer mit Dankbarkeit angenommen wur- de. Hatte er das Gluͤck eine der genannten Perſo- nen auf ſeine Seite zu bekommen (welches zuweilen geſchah, weil er ein huͤbſcher ſtammhafter Mann war); ſo ging er ſo ungenirt zu Werke, daß die es ſehr bald entdeckten, welche es noch nicht wiſſen ſollten, und bei ſolchen Gelegenheiten ſoll er ein paarmal aus dem Hauſe gepruͤgelt worden ſein. Wo aber der- gleichen Feindſeligkeiten durch die Liebe auch nicht vorfielen, da hatte der brave Hieronimus doch oft einen runden Abſchied blos darum bekommen, weil er mit immer mehr Dreuſtigkeit, alles, was ihm jede Stunde beliebte, gefordert und den Gebieter gemacht hatte. Einſt war er auf eine oder die andere Art ſo ent- laſſen worden, als er die Bekanntſchaft meines Stief- vaters machte. Dieß geſchah in der Stadt, wohin Treff zuweilen ritt, um den Rebenſaft eines Wein- ſchenken mit dem ſeinigen zu verwechſeln. Schlupf- loch,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/444
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/444>, abgerufen am 29.06.2024.