läugnet. Sie blieb nun weg, und ich glaubte sie los zu sein, aber ich hatte mich geirrt, sie woll- te nur, um uns sicher zu machen, ein paar Wo- chen hingehen lassen.
Einst als ich eben ausgehen wollte, trat sie mir in der Hausthür entgegen -- ich bitte, sagte sie gelassen freundlich und halb leise, ich bitte nur auf eine Minute mit mir umzukehren, wir haben bald ausgesprochen, Sie müssen wissen, daß ich morgen mit dem frühesten nebst Dorotheen abreise, dann sind Sie sicher vor mir und ihr.
Jch war so grosmüthig, die Bitte umzukehren zu erfüllen; Madam Starkinn nahm, als ich sie in mein Zimmer führte, den ersten besten Stuhl ein, und begann:
Starkinn.Herr Schnitzer, warum woll- ten Sie mit so teuflischer List die Unschuld zu Grun- de richten?
Jch.Welche Unschuld?
Starkinn.Sie fragen?
Jch.Sie wollen von Dorchen sprechen -- liebe Frau, entweder Sie wollen mir weis machen, daß Sie ihre Nichte unschuldig geglaubt haben, oder mir die Augen blenden helfen.
Starkinn.Ungeheuer!
Jch.Madam, ich verbitte mir dergleichen Ausdrücke, ich würde sie nirgends, geschweige in meinem Zimmer leiden.
Starkinn.(kalt lächelnd) Freilich, Herr Schnitzer, ist es nöthig mich zu mäßigen, denn wie ich Sie nun kenne, halte ich Sie für ganz fähig,
den
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laͤugnet. Sie blieb nun weg, und ich glaubte ſie los zu ſein, aber ich hatte mich geirrt, ſie woll- te nur, um uns ſicher zu machen, ein paar Wo- chen hingehen laſſen.
Einſt als ich eben ausgehen wollte, trat ſie mir in der Hausthuͤr entgegen — ich bitte, ſagte ſie gelaſſen freundlich und halb leiſe, ich bitte nur auf eine Minute mit mir umzukehren, wir haben bald ausgeſprochen, Sie muͤſſen wiſſen, daß ich morgen mit dem fruͤheſten nebſt Dorotheen abreiſe, dann ſind Sie ſicher vor mir und ihr.
Jch war ſo grosmuͤthig, die Bitte umzukehren zu erfuͤllen; Madam Starkinn nahm, als ich ſie in mein Zimmer fuͤhrte, den erſten beſten Stuhl ein, und begann:
Starkinn.Herr Schnitzer, warum woll- ten Sie mit ſo teufliſcher Liſt die Unſchuld zu Grun- de richten?
Jch.Welche Unſchuld?
Starkinn.Sie fragen?
Jch.Sie wollen von Dorchen ſprechen — liebe Frau, entweder Sie wollen mir weis machen, daß Sie ihre Nichte unſchuldig geglaubt haben, oder mir die Augen blenden helfen.
Starkinn.Ungeheuer!
Jch.Madam, ich verbitte mir dergleichen Ausdruͤcke, ich wuͤrde ſie nirgends, geſchweige in meinem Zimmer leiden.
Starkinn.(kalt laͤchelnd) Freilich, Herr Schnitzer, iſt es noͤthig mich zu maͤßigen, denn wie ich Sie nun kenne, halte ich Sie fuͤr ganz faͤhig,
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laͤugnet. Sie blieb nun weg, und ich glaubte ſie
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chen hingehen laſſen.
Einſt als ich eben ausgehen wollte, trat ſie
mir in der Hausthuͤr entgegen — ich bitte, ſagte
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auf eine Minute mit mir umzukehren, wir haben
bald ausgeſprochen, Sie muͤſſen wiſſen, daß ich
morgen mit dem fruͤheſten nebſt Dorotheen abreiſe,
dann ſind Sie ſicher vor mir und ihr.
Jch war ſo grosmuͤthig, die Bitte umzukehren
zu erfuͤllen; Madam Starkinn nahm, als ich ſie in
mein Zimmer fuͤhrte, den erſten beſten Stuhl ein,
und begann:
Starkinn. Herr Schnitzer, warum woll-
ten Sie mit ſo teufliſcher Liſt die Unſchuld zu Grun-
de richten?
Jch. Welche Unſchuld?
Starkinn. Sie fragen?
Jch. Sie wollen von Dorchen ſprechen —
liebe Frau, entweder Sie wollen mir weis machen,
daß Sie ihre Nichte unſchuldig geglaubt haben, oder
mir die Augen blenden helfen.
Starkinn. Ungeheuer!
Jch. Madam, ich verbitte mir dergleichen
Ausdruͤcke, ich wuͤrde ſie nirgends, geſchweige in
meinem Zimmer leiden.
Starkinn. (kalt laͤchelnd) Freilich, Herr
Schnitzer, iſt es noͤthig mich zu maͤßigen, denn wie
ich Sie nun kenne, halte ich Sie fuͤr ganz faͤhig,
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/361>, abgerufen am 16.02.2025.
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