pörte, ward durch den Gedanken niedergeschlagen, daß sie in kurzem Frau Obristlieutenantinn von Tur- ner, also von eben dem Rang als die vornehmen Damen der Nachbarschaft sein würde, und Reit- manns dann mit der größten Berechtigung über die Ach el ansehen könnte, welches sie auch bei aller Ge- legeuheit auf das ausgezeichnetste zu thun in ihrem Herzen beschwor. Was das rauhe und gebietherische Wesen des Obristlieutenants betraf, so hoffte sie es ihm bald abzugewöhnen, er kennt mich, dachte sie, noch nicht, und meint vielleicht eine feige Gans an mir zu finden, die sich einschrecken läßt, aber ich will ihm zeigen, daß ich eben so viel Courage habe, als er, und ich hoffe noch dazu Siegerinn zu wer- den, sobald es zum ersten Streit unter uns kommt, dann aber verfolge ich diesen Sieg auch so, daß er gern für immer unter meinen Zopter kriecht.
Jch bin der Meinung, daß meine Mutter sich Wort gehalten, und den alten Herrn, wo nicht ganz so geduldig als den seligen Johann Jacob, doch sehr nachgebend gemacht hätte, denn wie ich von Leuten, die ihn kannten, vernahm, so war sein Herz weit sanfter als sein Ton; nicht nur beleidig- te er keinen Menschen, war frohsinnig und gut- müthig, sondern er liebte auch den Frieden, und soll oft gesagt haben, daß der Soldat, wenn ers
nicht
O 4
poͤrte, ward durch den Gedanken niedergeſchlagen, daß ſie in kurzem Frau Obriſtlieutenantinn von Tur- ner, alſo von eben dem Rang als die vornehmen Damen der Nachbarſchaft ſein wuͤrde, und Reit- manns dann mit der groͤßten Berechtigung uͤber die Ach el anſehen koͤnnte, welches ſie auch bei aller Ge- legeuheit auf das ausgezeichnetſte zu thun in ihrem Herzen beſchwor. Was das rauhe und gebietheriſche Weſen des Obriſtlieutenants betraf, ſo hoffte ſie es ihm bald abzugewoͤhnen, er kennt mich, dachte ſie, noch nicht, und meint vielleicht eine feige Gans an mir zu finden, die ſich einſchrecken laͤßt, aber ich will ihm zeigen, daß ich eben ſo viel Courage habe, als er, und ich hoffe noch dazu Siegerinn zu wer- den, ſobald es zum erſten Streit unter uns kommt, dann aber verfolge ich dieſen Sieg auch ſo, daß er gern fuͤr immer unter meinen Zopter kriecht.
Jch bin der Meinung, daß meine Mutter ſich Wort gehalten, und den alten Herrn, wo nicht ganz ſo geduldig als den ſeligen Johann Jacob, doch ſehr nachgebend gemacht haͤtte, denn wie ich von Leuten, die ihn kannten, vernahm, ſo war ſein Herz weit ſanfter als ſein Ton; nicht nur beleidig- te er keinen Menſchen, war frohſinnig und gut- muͤthig, ſondern er liebte auch den Frieden, und ſoll oft geſagt haben, daß der Soldat, wenn ers
nicht
O 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0219"n="215"/>
poͤrte, ward durch den Gedanken niedergeſchlagen,<lb/>
daß ſie in kurzem Frau Obriſtlieutenantinn von Tur-<lb/>
ner, alſo von eben dem Rang als die vornehmen<lb/>
Damen der Nachbarſchaft ſein wuͤrde, und Reit-<lb/>
manns dann mit der groͤßten Berechtigung uͤber die<lb/>
Ach el anſehen koͤnnte, welches ſie auch bei aller Ge-<lb/>
legeuheit auf das ausgezeichnetſte zu thun in ihrem<lb/>
Herzen beſchwor. Was das rauhe und gebietheriſche<lb/>
Weſen des Obriſtlieutenants betraf, ſo hoffte ſie es<lb/>
ihm bald abzugewoͤhnen, er kennt mich, dachte ſie,<lb/>
noch nicht, und meint vielleicht eine feige Gans an<lb/>
mir zu finden, die ſich einſchrecken laͤßt, aber ich<lb/>
will ihm zeigen, daß ich eben ſo viel Courage habe,<lb/>
als er, und ich hoffe noch dazu Siegerinn zu wer-<lb/>
den, ſobald es zum erſten Streit unter uns kommt,<lb/>
dann aber verfolge ich dieſen Sieg auch ſo, daß er<lb/>
gern fuͤr immer unter meinen Zopter kriecht.</p><lb/><p>Jch bin der Meinung, daß meine Mutter ſich<lb/>
Wort gehalten, und den alten Herrn, wo nicht<lb/>
ganz ſo geduldig als den ſeligen Johann Jacob,<lb/>
doch ſehr nachgebend gemacht haͤtte, denn wie ich<lb/>
von Leuten, die ihn kannten, vernahm, ſo war ſein<lb/>
Herz weit ſanfter als ſein Ton; nicht nur beleidig-<lb/>
te er keinen Menſchen, war frohſinnig und gut-<lb/>
muͤthig, ſondern er liebte auch den Frieden, und<lb/>ſoll oft geſagt haben, daß der Soldat, wenn ers<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">nicht</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[215/0219]
poͤrte, ward durch den Gedanken niedergeſchlagen,
daß ſie in kurzem Frau Obriſtlieutenantinn von Tur-
ner, alſo von eben dem Rang als die vornehmen
Damen der Nachbarſchaft ſein wuͤrde, und Reit-
manns dann mit der groͤßten Berechtigung uͤber die
Ach el anſehen koͤnnte, welches ſie auch bei aller Ge-
legeuheit auf das ausgezeichnetſte zu thun in ihrem
Herzen beſchwor. Was das rauhe und gebietheriſche
Weſen des Obriſtlieutenants betraf, ſo hoffte ſie es
ihm bald abzugewoͤhnen, er kennt mich, dachte ſie,
noch nicht, und meint vielleicht eine feige Gans an
mir zu finden, die ſich einſchrecken laͤßt, aber ich
will ihm zeigen, daß ich eben ſo viel Courage habe,
als er, und ich hoffe noch dazu Siegerinn zu wer-
den, ſobald es zum erſten Streit unter uns kommt,
dann aber verfolge ich dieſen Sieg auch ſo, daß er
gern fuͤr immer unter meinen Zopter kriecht.
Jch bin der Meinung, daß meine Mutter ſich
Wort gehalten, und den alten Herrn, wo nicht
ganz ſo geduldig als den ſeligen Johann Jacob,
doch ſehr nachgebend gemacht haͤtte, denn wie ich
von Leuten, die ihn kannten, vernahm, ſo war ſein
Herz weit ſanfter als ſein Ton; nicht nur beleidig-
te er keinen Menſchen, war frohſinnig und gut-
muͤthig, ſondern er liebte auch den Frieden, und
ſoll oft geſagt haben, daß der Soldat, wenn ers
nicht
O 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/219>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.