sich in Erwartung des Barons und des Grafen so elegant kleidete, welches sie doch nicht Wort ha- ben wollte.
Es erklärte sich aber leider, daß der Lieutenant vollkommen recht hatte, denn siehe da, die Herren, auf deren Zurückkunft Suschen so lange vergebens geharret hatte, reisten ab, ohne nur noch einmal nach ihr zu fragen. Nicht wenig schmerzte dies ihr zärtliches und hochstrebendes Herz, und der Schmerz ward größer, da sie erkundet hatte, daß dieser an dem Hof, jener bei einem Gesandschafts- posten u. s. w. angestellt sei. Doch der Jammer über zu Wasser gewordene Einbildung verwandelte sich bald in Wuth und bittere Galle, die sie an den Eltern und Verwandten der Verbrecher ausließ. Diese hatten sie nicht wieder bitten lassen, und wichen ihr, wenn sich ohngefähre Zusammenkunft traf, geflissentlich aus; es war billig, daß meine Mutter für eine solche Geringschätzung nach allen ihren Fähigkeiten auf sie lästerte, und alle Bruch- stücke von dem, was sie hin und her, die Umstän- de, so wie die Moralgeschichte dieser Häuser be- treffend, erfahren hatte, sammelte, um sie nun vermehrt und verbessert aufs neue auszugeben. Jn dieses vortreffliche Werk wurden auch andere Häu- ser, welche zwar keine Söhne hatten, von denen
Madam
ſich in Erwartung des Barons und des Grafen ſo elegant kleidete, welches ſie doch nicht Wort ha- ben wollte.
Es erklaͤrte ſich aber leider, daß der Lieutenant vollkommen recht hatte, denn ſiehe da, die Herren, auf deren Zuruͤckkunft Suschen ſo lange vergebens geharret hatte, reiſten ab, ohne nur noch einmal nach ihr zu fragen. Nicht wenig ſchmerzte dies ihr zaͤrtliches und hochſtrebendes Herz, und der Schmerz ward groͤßer, da ſie erkundet hatte, daß dieſer an dem Hof, jener bei einem Geſandſchafts- poſten u. ſ. w. angeſtellt ſei. Doch der Jammer uͤber zu Waſſer gewordene Einbildung verwandelte ſich bald in Wuth und bittere Galle, die ſie an den Eltern und Verwandten der Verbrecher ausließ. Dieſe hatten ſie nicht wieder bitten laſſen, und wichen ihr, wenn ſich ohngefaͤhre Zuſammenkunft traf, gefliſſentlich aus; es war billig, daß meine Mutter fuͤr eine ſolche Geringſchaͤtzung nach allen ihren Faͤhigkeiten auf ſie laͤſterte, und alle Bruch- ſtuͤcke von dem, was ſie hin und her, die Umſtaͤn- de, ſo wie die Moralgeſchichte dieſer Haͤuſer be- treffend, erfahren hatte, ſammelte, um ſie nun vermehrt und verbeſſert aufs neue auszugeben. Jn dieſes vortreffliche Werk wurden auch andere Haͤu- ſer, welche zwar keine Soͤhne hatten, von denen
Madam
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ſich in Erwartung des Barons und des Grafen ſo
elegant kleidete, welches ſie doch nicht Wort ha-
ben wollte.
Es erklaͤrte ſich aber leider, daß der Lieutenant
vollkommen recht hatte, denn ſiehe da, die Herren,
auf deren Zuruͤckkunft Suschen ſo lange vergebens
geharret hatte, reiſten ab, ohne nur noch einmal
nach ihr zu fragen. Nicht wenig ſchmerzte dies
ihr zaͤrtliches und hochſtrebendes Herz, und der
Schmerz ward groͤßer, da ſie erkundet hatte, daß
dieſer an dem Hof, jener bei einem Geſandſchafts-
poſten u. ſ. w. angeſtellt ſei. Doch der Jammer
uͤber zu Waſſer gewordene Einbildung verwandelte
ſich bald in Wuth und bittere Galle, die ſie an den
Eltern und Verwandten der Verbrecher ausließ.
Dieſe hatten ſie nicht wieder bitten laſſen, und
wichen ihr, wenn ſich ohngefaͤhre Zuſammenkunft
traf, gefliſſentlich aus; es war billig, daß meine
Mutter fuͤr eine ſolche Geringſchaͤtzung nach allen
ihren Faͤhigkeiten auf ſie laͤſterte, und alle Bruch-
ſtuͤcke von dem, was ſie hin und her, die Umſtaͤn-
de, ſo wie die Moralgeſchichte dieſer Haͤuſer be-
treffend, erfahren hatte, ſammelte, um ſie nun
vermehrt und verbeſſert aufs neue auszugeben. Jn
dieſes vortreffliche Werk wurden auch andere Haͤu-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/198>, abgerufen am 23.11.2024.
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