hatte, nicht reichte, der verlassenen Madelon ab. Diese mußte nicht nur meist mit trocknem Brod vorwillen nehmen, sondern ward, wenn ihre Auf- seherinn ausgehen wollte, entweder eingesperrt, oder konnte sich allein wo sie wollte herumtreiben. Zuweilen hatte sie aber auch eine festliche Stunde, die besonders des Abends einfiel, wenn die Liebha- ber der Köchinn sich einstellten und wohl gar was drauf gehen ließen. Jhr ward dann vergönnt, an dem Tractement sowohl als an der Unterhaltung Theil zu nehmen, und indem man sich keinen Zwang anthat, hatte sie Gelegenheit, die Mysterien der gemeinsten Freudenhäuser zu erfahren.
Als Busch und meine Großmutter die Lage meiner Schwester erfuhren, glaubten sie das Mäd- chen darüber beklagen zu müssen, und hielten es für Pflicht, es derselben zu entreißen. Meine Großmutter holte mit Buschens Bewilligung ihre Enkelinn ab; die Köchinn, welche nun ganz allein hausen konnte, hatte nichts dagegen, und so genoß Madelon, während wir uns im Bad ergötzten, Tage der Glückseligkeit in Buschens Hause, von denen sie nie einen Begriff gehabt hatte.
Meine Mutter ahndete hiervon nichts, denn sie hatte keinen Correspondenten in * * *. Sie lebte im Bade herrlich und in Freuden, und wußte
von
hatte, nicht reichte, der verlaſſenen Madelon ab. Dieſe mußte nicht nur meiſt mit trocknem Brod vorwillen nehmen, ſondern ward, wenn ihre Auf- ſeherinn ausgehen wollte, entweder eingeſperrt, oder konnte ſich allein wo ſie wollte herumtreiben. Zuweilen hatte ſie aber auch eine feſtliche Stunde, die beſonders des Abends einfiel, wenn die Liebha- ber der Koͤchinn ſich einſtellten und wohl gar was drauf gehen ließen. Jhr ward dann vergoͤnnt, an dem Tractement ſowohl als an der Unterhaltung Theil zu nehmen, und indem man ſich keinen Zwang anthat, hatte ſie Gelegenheit, die Myſterien der gemeinſten Freudenhaͤuſer zu erfahren.
Als Buſch und meine Großmutter die Lage meiner Schweſter erfuhren, glaubten ſie das Maͤd- chen daruͤber beklagen zu muͤſſen, und hielten es fuͤr Pflicht, es derſelben zu entreißen. Meine Großmutter holte mit Buſchens Bewilligung ihre Enkelinn ab; die Koͤchinn, welche nun ganz allein hauſen konnte, hatte nichts dagegen, und ſo genoß Madelon, waͤhrend wir uns im Bad ergoͤtzten, Tage der Gluͤckſeligkeit in Buſchens Hauſe, von denen ſie nie einen Begriff gehabt hatte.
Meine Mutter ahndete hiervon nichts, denn ſie hatte keinen Correſpondenten in * * *. Sie lebte im Bade herrlich und in Freuden, und wußte
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hatte, nicht reichte, der verlaſſenen Madelon ab.
Dieſe mußte nicht nur meiſt mit trocknem Brod
vorwillen nehmen, ſondern ward, wenn ihre Auf-
ſeherinn ausgehen wollte, entweder eingeſperrt,
oder konnte ſich allein wo ſie wollte herumtreiben.
Zuweilen hatte ſie aber auch eine feſtliche Stunde,
die beſonders des Abends einfiel, wenn die Liebha-
ber der Koͤchinn ſich einſtellten und wohl gar was
drauf gehen ließen. Jhr ward dann vergoͤnnt, an
dem Tractement ſowohl als an der Unterhaltung
Theil zu nehmen, und indem man ſich keinen
Zwang anthat, hatte ſie Gelegenheit, die Myſterien
der gemeinſten Freudenhaͤuſer zu erfahren.
Als Buſch und meine Großmutter die Lage
meiner Schweſter erfuhren, glaubten ſie das Maͤd-
chen daruͤber beklagen zu muͤſſen, und hielten es
fuͤr Pflicht, es derſelben zu entreißen. Meine
Großmutter holte mit Buſchens Bewilligung ihre
Enkelinn ab; die Koͤchinn, welche nun ganz allein
hauſen konnte, hatte nichts dagegen, und ſo genoß
Madelon, waͤhrend wir uns im Bad ergoͤtzten, Tage
der Gluͤckſeligkeit in Buſchens Hauſe, von denen ſie
nie einen Begriff gehabt hatte.
Meine Mutter ahndete hiervon nichts, denn
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/131>, abgerufen am 22.11.2024.
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