einkehrten, höchst nöthig war, ein wenig von ih- rer Regel abzugehn, welches aber blos geschah, da- mit die Herren ein andermal wieder einsprechen möchten, folglich nur zum Besten ihrer Herrschaft. Uebrigens hatte sich Madame Schnitzerinn nicht gerrechnet, da sie gehofft hatte, an Suschen eine treue Gehülfinn zu haben. Suschen war schon vor Ablauf des ersten Jahres fähig, die ganze Wirthschaft zu versehn; und sie that dieß auch mit solchem Eifer, daß ihr alle übrige Domestiken herz- lich feind wurden. Daraus machte sie sich aber nicht das geringste: vielmehr übersah sie keinem einen Fehler, sondern brachte alles Ungleiche auf der Stelle vor die Ohren ihrer Frau, welche folg- lich die ganze Zeit zankte, und vor Aergerniß zu- sehends kränker wu de.
Gegen den Herbst des dritten Jahrs konnte Madame Schnitzerinn nicht mehr das Bette ver- lassen. Jn diesem traurigen Zustande nun war ihr größter Trost, daß Suschen, das treue und kluge Mädchen, alles versah. Auch hatte Sus- chen nunmehr volle Gewalt, zu schalten und wal- ten, zu verschließen und aufzuthun, kurz anzustel- len, was und wie sie es wollte.
Eines Tages, da sie in der Krankenstube hin- ter dem Schirm am Bette mit etwas beschäfti-
get
einkehrten, hoͤchſt noͤthig war, ein wenig von ih- rer Regel abzugehn, welches aber blos geſchah, da- mit die Herren ein andermal wieder einſprechen moͤchten, folglich nur zum Beſten ihrer Herrſchaft. Uebrigens hatte ſich Madame Schnitzerinn nicht gerrechnet, da ſie gehofft hatte, an Suschen eine treue Gehuͤlfinn zu haben. Suschen war ſchon vor Ablauf des erſten Jahres faͤhig, die ganze Wirthſchaft zu verſehn; und ſie that dieß auch mit ſolchem Eifer, daß ihr alle uͤbrige Domeſtiken herz- lich feind wurden. Daraus machte ſie ſich aber nicht das geringſte: vielmehr uͤberſah ſie keinem einen Fehler, ſondern brachte alles Ungleiche auf der Stelle vor die Ohren ihrer Frau, welche folg- lich die ganze Zeit zankte, und vor Aergerniß zu- ſehends kraͤnker wu de.
Gegen den Herbſt des dritten Jahrs konnte Madame Schnitzerinn nicht mehr das Bette ver- laſſen. Jn dieſem traurigen Zuſtande nun war ihr groͤßter Troſt, daß Suschen, das treue und kluge Maͤdchen, alles verſah. Auch hatte Sus- chen nunmehr volle Gewalt, zu ſchalten und wal- ten, zu verſchließen und aufzuthun, kurz anzuſtel- len, was und wie ſie es wollte.
Eines Tages, da ſie in der Krankenſtube hin- ter dem Schirm am Bette mit etwas beſchaͤfti-
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einkehrten, hoͤchſt noͤthig war, ein wenig von ih-
rer Regel abzugehn, welches aber blos geſchah, da-
mit die Herren ein andermal wieder einſprechen
moͤchten, folglich nur zum Beſten ihrer Herrſchaft.
Uebrigens hatte ſich Madame Schnitzerinn nicht
gerrechnet, da ſie gehofft hatte, an Suschen eine
treue Gehuͤlfinn zu haben. Suschen war ſchon
vor Ablauf des erſten Jahres faͤhig, die ganze
Wirthſchaft zu verſehn; und ſie that dieß auch mit
ſolchem Eifer, daß ihr alle uͤbrige Domeſtiken herz-
lich feind wurden. Daraus machte ſie ſich aber
nicht das geringſte: vielmehr uͤberſah ſie keinem
einen Fehler, ſondern brachte alles Ungleiche auf
der Stelle vor die Ohren ihrer Frau, welche folg-
lich die ganze Zeit zankte, und vor Aergerniß zu-
ſehends kraͤnker wu de.
Gegen den Herbſt des dritten Jahrs konnte
Madame Schnitzerinn nicht mehr das Bette ver-
laſſen. Jn dieſem traurigen Zuſtande nun war
ihr groͤßter Troſt, daß Suschen, das treue und
kluge Maͤdchen, alles verſah. Auch hatte Sus-
chen nunmehr volle Gewalt, zu ſchalten und wal-
ten, zu verſchließen und aufzuthun, kurz anzuſtel-
len, was und wie ſie es wollte.
Eines Tages, da ſie in der Krankenſtube hin-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/46>, abgerufen am 27.11.2024.
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