Den Damen war es noch am meisten zu ver- geben, daß sie Felßen verachteten, er war noch in seinen besten Jahren und allerdings ein hübscher Mann, es war also eine Niederträchtigkeit, sich mit einer Hausmagd abzugeben und sich nicht, wenn man dem Gott der Liebe opfern wollte, an vornehmere Frauenzimmer zu wenden. Hieraus sah man klar, daß Felß ein schlechter Mann war. Ein ganz anderes wäre es, meinten sie, mit Leu- ten beiderlei Geschlechts, von denen jeder wüßte, wer sie wären; wenn solche einmal zur Verände- rung einen hübschen Gegenstand aus der untern Klasse begünstigten, so benähme dies ihrem schon bekannten Ansehn nichts; ein Mensch aber der fremd an einem Ort wär, müßte sich, um ein Ansehn zu gewinnen, an eine Dame von Ge- schmack wenden. Eben so wenig konnten sie Fel- ßen verzeihn, daß er Schnitzern auf seine Frau auf- gebracht und ihm heimlich Geld abgenommen hat- te, sie hätten's ihm allenfalls eher verziehn, wenn es der umgekehrte Fall gewesen wäre, denn eine Frau auf seine Seite zu ziehn und ihren Mann mit ihr zu hintergehen, je nun so eine Schwachheit lief, wie viele von ihnen aus eigner Erfahrung wußten, bei manchem artigen Herrn mit un- ter.
Mit
Den Damen war es noch am meiſten zu ver- geben, daß ſie Felßen verachteten, er war noch in ſeinen beſten Jahren und allerdings ein huͤbſcher Mann, es war alſo eine Niedertraͤchtigkeit, ſich mit einer Hausmagd abzugeben und ſich nicht, wenn man dem Gott der Liebe opfern wollte, an vornehmere Frauenzimmer zu wenden. Hieraus ſah man klar, daß Felß ein ſchlechter Mann war. Ein ganz anderes waͤre es, meinten ſie, mit Leu- ten beiderlei Geſchlechts, von denen jeder wuͤßte, wer ſie waͤren; wenn ſolche einmal zur Veraͤnde- rung einen huͤbſchen Gegenſtand aus der untern Klaſſe beguͤnſtigten, ſo benaͤhme dies ihrem ſchon bekannten Anſehn nichts; ein Menſch aber der fremd an einem Ort waͤr, muͤßte ſich, um ein Anſehn zu gewinnen, an eine Dame von Ge- ſchmack wenden. Eben ſo wenig konnten ſie Fel- ßen verzeihn, daß er Schnitzern auf ſeine Frau auf- gebracht und ihm heimlich Geld abgenommen hat- te, ſie haͤtten’s ihm allenfalls eher verziehn, wenn es der umgekehrte Fall geweſen waͤre, denn eine Frau auf ſeine Seite zu ziehn und ihren Mann mit ihr zu hintergehen, je nun ſo eine Schwachheit lief, wie viele von ihnen aus eigner Erfahrung wußten, bei manchem artigen Herrn mit un- ter.
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Den Damen war es noch am meiſten zu ver-
geben, daß ſie Felßen verachteten, er war noch in
ſeinen beſten Jahren und allerdings ein huͤbſcher
Mann, es war alſo eine Niedertraͤchtigkeit, ſich
mit einer Hausmagd abzugeben und ſich nicht,
wenn man dem Gott der Liebe opfern wollte, an
vornehmere Frauenzimmer zu wenden. Hieraus
ſah man klar, daß Felß ein ſchlechter Mann war.
Ein ganz anderes waͤre es, meinten ſie, mit Leu-
ten beiderlei Geſchlechts, von denen jeder wuͤßte,
wer ſie waͤren; wenn ſolche einmal zur Veraͤnde-
rung einen huͤbſchen Gegenſtand aus der untern
Klaſſe beguͤnſtigten, ſo benaͤhme dies ihrem ſchon
bekannten Anſehn nichts; ein Menſch aber der
fremd an einem Ort waͤr, muͤßte ſich, um ein
Anſehn zu gewinnen, an eine Dame von Ge-
ſchmack wenden. Eben ſo wenig konnten ſie Fel-
ßen verzeihn, daß er Schnitzern auf ſeine Frau auf-
gebracht und ihm heimlich Geld abgenommen hat-
te, ſie haͤtten’s ihm allenfalls eher verziehn, wenn
es der umgekehrte Fall geweſen waͤre, denn eine
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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