Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen Rechte ausgewichen, um sie nicht todt zu
treten. Dabei hätte Busch nun freilich für seine
Absicht immer wenig gewonnen, denn diese leise
Empfindung durfte sich darum nicht auf die Men-
schen, welche mit ihr leben mußten, erstrecken, sie
konnte diesen das Leben so schwer machen, als es
ihr gut dünkte, sie quälen, sie nicht der gering-
sten Schonung werth halten, und doch bei der
zärtlichen Theilnahme beim Leben des Wurms ein
frommes empfindsames Geschöpf scheinen.

Jn Ermangelung solcher Schriften nun that
dieser und andre Romane das nemliche. Madam
Schnitzer war, besonders weil die Sache den Reiz
der Neuheit hatte, überaus sanftmüthig, sprach
in einem ganz leisen Ton, übte sich vor dem Spie-
gel in sanften Mienen, war besonders gegen ihren
Mann sehr liebreich und setzte das, was sie wollte,
jetzt mit Bitten durch, welches den weichherzigen
Johann Jacob, da er eine solche Sprache nicht
gewohnt war, so sehr rührte, daß er den Mond
für sie würde herunter zu holen versucht haben,
wenn sie es verlangt hätte. Die Romanheldinn
stand unter einem harten Vormund, der sie zu
einer Heirath mit einem verhaßten Gegenstand
zwingen wollte und ihr unfreundlich begegnete, woge-
gen sie sehr gelassen war und alles mit Langmuth

litt.
T

lichen Rechte ausgewichen, um ſie nicht todt zu
treten. Dabei haͤtte Buſch nun freilich fuͤr ſeine
Abſicht immer wenig gewonnen, denn dieſe leiſe
Empfindung durfte ſich darum nicht auf die Men-
ſchen, welche mit ihr leben mußten, erſtrecken, ſie
konnte dieſen das Leben ſo ſchwer machen, als es
ihr gut duͤnkte, ſie quaͤlen, ſie nicht der gering-
ſten Schonung werth halten, und doch bei der
zaͤrtlichen Theilnahme beim Leben des Wurms ein
frommes empfindſames Geſchoͤpf ſcheinen.

Jn Ermangelung ſolcher Schriften nun that
dieſer und andre Romane das nemliche. Madam
Schnitzer war, beſonders weil die Sache den Reiz
der Neuheit hatte, uͤberaus ſanftmuͤthig, ſprach
in einem ganz leiſen Ton, uͤbte ſich vor dem Spie-
gel in ſanften Mienen, war beſonders gegen ihren
Mann ſehr liebreich und ſetzte das, was ſie wollte,
jetzt mit Bitten durch, welches den weichherzigen
Johann Jacob, da er eine ſolche Sprache nicht
gewohnt war, ſo ſehr ruͤhrte, daß er den Mond
fuͤr ſie wuͤrde herunter zu holen verſucht haben,
wenn ſie es verlangt haͤtte. Die Romanheldinn
ſtand unter einem harten Vormund, der ſie zu
einer Heirath mit einem verhaßten Gegenſtand
zwingen wollte und ihr unfreundlich begegnete, woge-
gen ſie ſehr gelaſſen war und alles mit Langmuth

litt.
T
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0295" n="289"/>
lichen Rechte ausgewichen, um &#x017F;ie nicht todt zu<lb/>
treten. Dabei ha&#x0364;tte Bu&#x017F;ch nun freilich fu&#x0364;r &#x017F;eine<lb/>
Ab&#x017F;icht immer wenig gewonnen, denn die&#x017F;e lei&#x017F;e<lb/>
Empfindung durfte &#x017F;ich darum nicht auf die Men-<lb/>
&#x017F;chen, welche mit ihr leben mußten, er&#x017F;trecken, &#x017F;ie<lb/>
konnte die&#x017F;en das Leben &#x017F;o &#x017F;chwer machen, als es<lb/>
ihr gut du&#x0364;nkte, &#x017F;ie qua&#x0364;len, &#x017F;ie nicht der gering-<lb/>
&#x017F;ten Schonung werth halten, und doch bei der<lb/>
za&#x0364;rtlichen Theilnahme beim Leben des Wurms ein<lb/>
frommes empfind&#x017F;ames Ge&#x017F;cho&#x0364;pf &#x017F;cheinen.</p><lb/>
        <p>Jn Ermangelung &#x017F;olcher Schriften nun that<lb/>
die&#x017F;er und andre Romane das nemliche. Madam<lb/>
Schnitzer war, be&#x017F;onders weil die Sache den Reiz<lb/>
der Neuheit hatte, u&#x0364;beraus &#x017F;anftmu&#x0364;thig, &#x017F;prach<lb/>
in einem ganz lei&#x017F;en Ton, u&#x0364;bte &#x017F;ich vor dem Spie-<lb/>
gel in &#x017F;anften Mienen, war be&#x017F;onders gegen ihren<lb/>
Mann &#x017F;ehr liebreich und &#x017F;etzte das, was &#x017F;ie wollte,<lb/>
jetzt mit Bitten durch, welches den weichherzigen<lb/>
Johann Jacob, da er eine &#x017F;olche Sprache nicht<lb/>
gewohnt war, &#x017F;o &#x017F;ehr ru&#x0364;hrte, daß er den Mond<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ie wu&#x0364;rde herunter zu holen ver&#x017F;ucht haben,<lb/>
wenn &#x017F;ie es verlangt ha&#x0364;tte. Die Romanheldinn<lb/>
&#x017F;tand unter einem harten Vormund, der &#x017F;ie zu<lb/>
einer Heirath mit einem verhaßten Gegen&#x017F;tand<lb/>
zwingen wollte und ihr unfreundlich begegnete, woge-<lb/>
gen &#x017F;ie &#x017F;ehr gela&#x017F;&#x017F;en war und alles mit Langmuth<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T</fw><fw place="bottom" type="catch">litt.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0295] lichen Rechte ausgewichen, um ſie nicht todt zu treten. Dabei haͤtte Buſch nun freilich fuͤr ſeine Abſicht immer wenig gewonnen, denn dieſe leiſe Empfindung durfte ſich darum nicht auf die Men- ſchen, welche mit ihr leben mußten, erſtrecken, ſie konnte dieſen das Leben ſo ſchwer machen, als es ihr gut duͤnkte, ſie quaͤlen, ſie nicht der gering- ſten Schonung werth halten, und doch bei der zaͤrtlichen Theilnahme beim Leben des Wurms ein frommes empfindſames Geſchoͤpf ſcheinen. Jn Ermangelung ſolcher Schriften nun that dieſer und andre Romane das nemliche. Madam Schnitzer war, beſonders weil die Sache den Reiz der Neuheit hatte, uͤberaus ſanftmuͤthig, ſprach in einem ganz leiſen Ton, uͤbte ſich vor dem Spie- gel in ſanften Mienen, war beſonders gegen ihren Mann ſehr liebreich und ſetzte das, was ſie wollte, jetzt mit Bitten durch, welches den weichherzigen Johann Jacob, da er eine ſolche Sprache nicht gewohnt war, ſo ſehr ruͤhrte, daß er den Mond fuͤr ſie wuͤrde herunter zu holen verſucht haben, wenn ſie es verlangt haͤtte. Die Romanheldinn ſtand unter einem harten Vormund, der ſie zu einer Heirath mit einem verhaßten Gegenſtand zwingen wollte und ihr unfreundlich begegnete, woge- gen ſie ſehr gelaſſen war und alles mit Langmuth litt. T

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/295
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/295>, abgerufen am 12.06.2024.