Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.
zu sagen: "mein Herr, ein andermal lassen Sie die Leute ausreden, ehe sie ihre Berichte kritisiren, wenn sie das nicht können, so schweigen sie, d. h. in ihrem Fall lesen sie die Werke recht durch, be- vor sie ein Urtheil über ihren Jnhalt fällen, wenn sie dazu nicht Zeit haben, so sparen sie ihre Bes- serwisserei zu einer andern Gelegenheit, wo sie vollkommen überzeugt sind, daß sie tadeln kön- nen! -- Da spricht mein Nachbar, der Schulmeister, welcher es nicht erwarten kann, daß ich mein Buch drucken lasse, sondern immer hinter mir steht und von der Feder weg liest: ei Herr Nickel! das streichen sie ja weg, man muß, wie ich von dem Herrn Pastor, der auch Bücher schreibt, und sich manchen Hieb in den gelehrten Zeitungen ge- fallen läßt, hörte, es nicht mit den Recensenten aufnehmen, sonst sticht man in ein Wespennest! Jch antworte, Herr Nachbar, was mich betrifft, so mach' ich mir nichts daraus, wenn diese Her- ren auf mich schimpfen, vielmehr wird es mir zur Ehre gereichen, denn da ist ein gewisser sehr ge- lehrter Mann, der, wie ich, Nickel heißt, dieser zankt sich schon seit vielen Jahren mit allen andern Gelehrten, weil sie ihn nicht das große Wort füh- ren lassen. Er schimpft sich tüchtig mit ihnen her- um,
zu ſagen: „mein Herr, ein andermal laſſen Sie die Leute ausreden, ehe ſie ihre Berichte kritiſiren, wenn ſie das nicht koͤnnen, ſo ſchweigen ſie, d. h. in ihrem Fall leſen ſie die Werke recht durch, be- vor ſie ein Urtheil uͤber ihren Jnhalt faͤllen, wenn ſie dazu nicht Zeit haben, ſo ſparen ſie ihre Beſ- ſerwiſſerei zu einer andern Gelegenheit, wo ſie vollkommen uͤberzeugt ſind, daß ſie tadeln koͤn- nen! — Da ſpricht mein Nachbar, der Schulmeiſter, welcher es nicht erwarten kann, daß ich mein Buch drucken laſſe, ſondern immer hinter mir ſteht und von der Feder weg lieſt: ei Herr Nickel! das ſtreichen ſie ja weg, man muß, wie ich von dem Herrn Paſtor, der auch Buͤcher ſchreibt, und ſich manchen Hieb in den gelehrten Zeitungen ge- fallen laͤßt, hoͤrte, es nicht mit den Recenſenten aufnehmen, ſonſt ſticht man in ein Weſpenneſt! Jch antworte, Herr Nachbar, was mich betrifft, ſo mach’ ich mir nichts daraus, wenn dieſe Her- ren auf mich ſchimpfen, vielmehr wird es mir zur Ehre gereichen, denn da iſt ein gewiſſer ſehr ge- lehrter Mann, der, wie ich, Nickel heißt, dieſer zankt ſich ſchon ſeit vielen Jahren mit allen andern Gelehrten, weil ſie ihn nicht das große Wort fuͤh- ren laſſen. Er ſchimpft ſich tuͤchtig mit ihnen her- um,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#SCHNITZ"> <p><pb facs="#f0220" n="214"/> zu ſagen: „mein Herr, ein andermal laſſen Sie<lb/> die Leute ausreden, ehe ſie ihre Berichte kritiſiren,<lb/> wenn ſie das nicht koͤnnen, ſo ſchweigen ſie, d. h.<lb/> in ihrem Fall leſen ſie die Werke recht durch, be-<lb/> vor ſie ein Urtheil uͤber ihren Jnhalt faͤllen, wenn<lb/> ſie dazu nicht Zeit haben, ſo ſparen ſie ihre Beſ-<lb/> ſerwiſſerei zu einer andern Gelegenheit, wo ſie<lb/> vollkommen uͤberzeugt ſind, daß ſie tadeln koͤn-<lb/> nen! —</p><lb/> <p>Da ſpricht mein Nachbar, der Schulmeiſter,<lb/> welcher es nicht erwarten kann, daß ich mein<lb/> Buch drucken laſſe, ſondern immer hinter mir<lb/> ſteht und von der Feder weg lieſt: ei Herr Nickel!<lb/> das ſtreichen ſie ja weg, man muß, wie ich von<lb/> dem Herrn Paſtor, der auch Buͤcher ſchreibt, und<lb/> ſich manchen Hieb in den gelehrten Zeitungen ge-<lb/> fallen laͤßt, hoͤrte, es nicht mit den Recenſenten<lb/> aufnehmen, ſonſt ſticht man in ein Weſpenneſt!<lb/> Jch antworte, Herr Nachbar, was mich betrifft,<lb/> ſo mach’ ich mir nichts daraus, wenn dieſe Her-<lb/> ren auf mich ſchimpfen, vielmehr wird es mir zur<lb/> Ehre gereichen, denn da iſt ein gewiſſer ſehr ge-<lb/> lehrter Mann, der, wie ich, Nickel heißt, dieſer<lb/> zankt ſich ſchon ſeit vielen Jahren mit allen andern<lb/> Gelehrten, weil ſie ihn nicht das große Wort fuͤh-<lb/> ren laſſen. Er ſchimpft ſich tuͤchtig mit ihnen her-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">um,</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [214/0220]
zu ſagen: „mein Herr, ein andermal laſſen Sie
die Leute ausreden, ehe ſie ihre Berichte kritiſiren,
wenn ſie das nicht koͤnnen, ſo ſchweigen ſie, d. h.
in ihrem Fall leſen ſie die Werke recht durch, be-
vor ſie ein Urtheil uͤber ihren Jnhalt faͤllen, wenn
ſie dazu nicht Zeit haben, ſo ſparen ſie ihre Beſ-
ſerwiſſerei zu einer andern Gelegenheit, wo ſie
vollkommen uͤberzeugt ſind, daß ſie tadeln koͤn-
nen! —
Da ſpricht mein Nachbar, der Schulmeiſter,
welcher es nicht erwarten kann, daß ich mein
Buch drucken laſſe, ſondern immer hinter mir
ſteht und von der Feder weg lieſt: ei Herr Nickel!
das ſtreichen ſie ja weg, man muß, wie ich von
dem Herrn Paſtor, der auch Buͤcher ſchreibt, und
ſich manchen Hieb in den gelehrten Zeitungen ge-
fallen laͤßt, hoͤrte, es nicht mit den Recenſenten
aufnehmen, ſonſt ſticht man in ein Weſpenneſt!
Jch antworte, Herr Nachbar, was mich betrifft,
ſo mach’ ich mir nichts daraus, wenn dieſe Her-
ren auf mich ſchimpfen, vielmehr wird es mir zur
Ehre gereichen, denn da iſt ein gewiſſer ſehr ge-
lehrter Mann, der, wie ich, Nickel heißt, dieſer
zankt ſich ſchon ſeit vielen Jahren mit allen andern
Gelehrten, weil ſie ihn nicht das große Wort fuͤh-
ren laſſen. Er ſchimpft ſich tuͤchtig mit ihnen her-
um,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |