War dieses verrichtet; so konnte er wieder in sein Stübchen schleichen, sein Pfeifchen anstecken, und lesen, welches seine Lieblingsbeschäftigung war. Er las aber keinesweges, was ihm in die Hände fiel, sondern wirklich mit einer ihm ganz eignen Auswahl. Bücher, die er verstand, waren nicht nach seinem Sinne; sie kamen ihm vor, wie Men- schen, die nur gewöhnlichen Alltagsverstand haben; dagegen betrachtete er schwülstige oder schwärmeri- sche Schriften, wo es schwer zu errathen ist, was der Verfasser eigentlich meinet, oder in welcher Re- gion er schwebe, als scharfsinnige und tiefdenkende Männer, deren Umgang ihm Ehre machte.
Seine Abneigung gegen alle Mühe würde ihm diesen Geschmack ohne Zweifel bald verleitet haben, (denn immer zu lesen und zu lesen, ohne zu wissen, was man gelesen hat, ist doch keines Menschen Sa- che, der seine gesunde Vernunft besitzt;) aber er hatte einen Freund, der zwischen ihm und den großen Männern, mit deren Werken er sich unter- hielt, Dolmetscher war. Mit dieser Hülfe also überwand er jede Schwierigkeit, und gab sich ein recht gelehrtes Ansehn, wenn er mit dem Meßca- talog in der Hand, worinnen sein gelehrter Freund immer Bücher mit den am meisten Wunder versprechenden Titeln, anstrich in den
Buch-
War dieſes verrichtet; ſo konnte er wieder in ſein Stuͤbchen ſchleichen, ſein Pfeifchen anſtecken, und leſen, welches ſeine Lieblingsbeſchaͤftigung war. Er las aber keinesweges, was ihm in die Haͤnde fiel, ſondern wirklich mit einer ihm ganz eignen Auswahl. Buͤcher, die er verſtand, waren nicht nach ſeinem Sinne; ſie kamen ihm vor, wie Men- ſchen, die nur gewoͤhnlichen Alltagsverſtand haben; dagegen betrachtete er ſchwuͤlſtige oder ſchwaͤrmeri- ſche Schriften, wo es ſchwer zu errathen iſt, was der Verfaſſer eigentlich meinet, oder in welcher Re- gion er ſchwebe, als ſcharfſinnige und tiefdenkende Maͤnner, deren Umgang ihm Ehre machte.
Seine Abneigung gegen alle Muͤhe wuͤrde ihm dieſen Geſchmack ohne Zweifel bald verleitet haben, (denn immer zu leſen und zu leſen, ohne zu wiſſen, was man geleſen hat, iſt doch keines Menſchen Sa- che, der ſeine geſunde Vernunft beſitzt;) aber er hatte einen Freund, der zwiſchen ihm und den großen Maͤnnern, mit deren Werken er ſich unter- hielt, Dolmetſcher war. Mit dieſer Huͤlfe alſo uͤberwand er jede Schwierigkeit, und gab ſich ein recht gelehrtes Anſehn, wenn er mit dem Meßca- talog in der Hand, worinnen ſein gelehrter Freund immer Buͤcher mit den am meiſten Wunder verſprechenden Titeln, anſtrich in den
Buch-
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[8/0014]
War dieſes verrichtet; ſo konnte er wieder in
ſein Stuͤbchen ſchleichen, ſein Pfeifchen anſtecken,
und leſen, welches ſeine Lieblingsbeſchaͤftigung war.
Er las aber keinesweges, was ihm in die Haͤnde
fiel, ſondern wirklich mit einer ihm ganz eignen
Auswahl. Buͤcher, die er verſtand, waren nicht
nach ſeinem Sinne; ſie kamen ihm vor, wie Men-
ſchen, die nur gewoͤhnlichen Alltagsverſtand haben;
dagegen betrachtete er ſchwuͤlſtige oder ſchwaͤrmeri-
ſche Schriften, wo es ſchwer zu errathen iſt, was
der Verfaſſer eigentlich meinet, oder in welcher Re-
gion er ſchwebe, als ſcharfſinnige und tiefdenkende
Maͤnner, deren Umgang ihm Ehre machte.
Seine Abneigung gegen alle Muͤhe wuͤrde ihm
dieſen Geſchmack ohne Zweifel bald verleitet haben,
(denn immer zu leſen und zu leſen, ohne zu wiſſen,
was man geleſen hat, iſt doch keines Menſchen Sa-
che, der ſeine geſunde Vernunft beſitzt;) aber er
hatte einen Freund, der zwiſchen ihm und den
großen Maͤnnern, mit deren Werken er ſich unter-
hielt, Dolmetſcher war. Mit dieſer Huͤlfe alſo
uͤberwand er jede Schwierigkeit, und gab ſich ein
recht gelehrtes Anſehn, wenn er mit dem Meßca-
talog in der Hand, worinnen ſein gelehrter
Freund immer Buͤcher mit den am meiſten
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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