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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sonst ihr geläufigen Mittagsgebet, auf die passendste Anrede bedacht, mit der sie ihren Bruder zu empfangen habe. Als sie ihn endlich eintreten hörte, richtete sie sich möglichst feierlich auf und wartete mit abgewandtem Gesicht des günstigsten Moments, in welchen sie ihn durch den Blick ihrer kleinen Augen und durch das gleichzeitige Entgegenstrecken ihrer spitzen Nase außer Fassung bringen könnte.

Kaum spürte der Küster die oft schon an ihm erprobte Wirkung, als ihm der ganze Umfang der von ihm begangenen Ungebührlichkeit auf die Seele fiel und seine gehobene Stimmung mit Gewalt niederdrückte. Was sollten die Leute sagen? Stunden lang ohne zwingendes Amtsgeschäft im Wittwenhause zu verweilen, war schon ein Verstoß gegen die Ehrbarkeit eines Hedeper Küsters. Aber nun noch das Fortschleichen auf heimlichen Wegen, das Ueberklettern des Zauns zwischen seinem und dem Wittwengarten, eines Zauns, der, wie das Apfelverbot im Paradiese, allen bisherigen Bewohnern der Küsterei für heilig gegolten haben mochte, und der nun plötzlich um seine makellose Unberührtheit gebracht worden war. Der Küster legte seinen schwarzen Filzhut geräuschlos hinter den ungeheizten Ofen und stellte sich mit dem Rücken gegen diesen, in der Verlegenheit vergessend, daß seit fünf Monaten kein Kienspahn hinein gethan worden war, und daß draußen eine Augusthitze von etlichen zwanzig Grad auf den Dächern brannte.

Du thust Recht, begann endlich die Schwester, nicht

sonst ihr geläufigen Mittagsgebet, auf die passendste Anrede bedacht, mit der sie ihren Bruder zu empfangen habe. Als sie ihn endlich eintreten hörte, richtete sie sich möglichst feierlich auf und wartete mit abgewandtem Gesicht des günstigsten Moments, in welchen sie ihn durch den Blick ihrer kleinen Augen und durch das gleichzeitige Entgegenstrecken ihrer spitzen Nase außer Fassung bringen könnte.

Kaum spürte der Küster die oft schon an ihm erprobte Wirkung, als ihm der ganze Umfang der von ihm begangenen Ungebührlichkeit auf die Seele fiel und seine gehobene Stimmung mit Gewalt niederdrückte. Was sollten die Leute sagen? Stunden lang ohne zwingendes Amtsgeschäft im Wittwenhause zu verweilen, war schon ein Verstoß gegen die Ehrbarkeit eines Hedeper Küsters. Aber nun noch das Fortschleichen auf heimlichen Wegen, das Ueberklettern des Zauns zwischen seinem und dem Wittwengarten, eines Zauns, der, wie das Apfelverbot im Paradiese, allen bisherigen Bewohnern der Küsterei für heilig gegolten haben mochte, und der nun plötzlich um seine makellose Unberührtheit gebracht worden war. Der Küster legte seinen schwarzen Filzhut geräuschlos hinter den ungeheizten Ofen und stellte sich mit dem Rücken gegen diesen, in der Verlegenheit vergessend, daß seit fünf Monaten kein Kienspahn hinein gethan worden war, und daß draußen eine Augusthitze von etlichen zwanzig Grad auf den Dächern brannte.

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[0046] sonst ihr geläufigen Mittagsgebet, auf die passendste Anrede bedacht, mit der sie ihren Bruder zu empfangen habe. Als sie ihn endlich eintreten hörte, richtete sie sich möglichst feierlich auf und wartete mit abgewandtem Gesicht des günstigsten Moments, in welchen sie ihn durch den Blick ihrer kleinen Augen und durch das gleichzeitige Entgegenstrecken ihrer spitzen Nase außer Fassung bringen könnte. Kaum spürte der Küster die oft schon an ihm erprobte Wirkung, als ihm der ganze Umfang der von ihm begangenen Ungebührlichkeit auf die Seele fiel und seine gehobene Stimmung mit Gewalt niederdrückte. Was sollten die Leute sagen? Stunden lang ohne zwingendes Amtsgeschäft im Wittwenhause zu verweilen, war schon ein Verstoß gegen die Ehrbarkeit eines Hedeper Küsters. Aber nun noch das Fortschleichen auf heimlichen Wegen, das Ueberklettern des Zauns zwischen seinem und dem Wittwengarten, eines Zauns, der, wie das Apfelverbot im Paradiese, allen bisherigen Bewohnern der Küsterei für heilig gegolten haben mochte, und der nun plötzlich um seine makellose Unberührtheit gebracht worden war. Der Küster legte seinen schwarzen Filzhut geräuschlos hinter den ungeheizten Ofen und stellte sich mit dem Rücken gegen diesen, in der Verlegenheit vergessend, daß seit fünf Monaten kein Kienspahn hinein gethan worden war, und daß draußen eine Augusthitze von etlichen zwanzig Grad auf den Dächern brannte. Du thust Recht, begann endlich die Schwester, nicht

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/46>, abgerufen am 23.11.2024.