Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Weltereignisse waren Visitationen Seitens des Konsistoriums , Thurmknopfvergoldungen, Kanzeldeckengeschenke, Anschaffung neuer Zifferbretter, Kirchenstuhlvermiethungen, Grabverkäufe, Nothtaufen, Armesünderbeerdigungen, und vor allem solche Vorfälle, welche geeignet schienen, die überlieferte Ehelosigkeit der Hedeper Küster in Gefahr zu bringen. Und hier müssen wir zweier Kleinigkeiten Erwähnung thun, welche ein Weltereigniß solcher Art verschulden konnten: einerseits des in Papier gewickelten Groschens, andererseits des Wittwenzaun-Erkletterns, dessen sich der Küster schuldig machte, als er zum verspäteten Mittagsläuten den kürzesten Weg einzuschlagen für gerechtfertigt hielt. Der eingewickelte Groschen wurde von der ledigen ältesten Habermus entdeckt, ehe der Handwerksbursche herbeikam, führte zu Auseinandersetzungen zwischen diesem und der ältlichen Jungfrau und leitete sie auf die Spur des geistlichen Bruders, der ihrer Kurzsichtigkeit ohne diesen Wegweiser entgangen wäre. Sie beschloß sogleich in dem kaffeebraunen Hinterstübchen Posto zu fassen und, so gut die in der Küsterei aufbewahrte Brille des verstorbenen Oheims es zuließ, die Vorgänge im Giebelhause auf künstlich optischem Wege zu überwachen. Nachdem bei diesem Geschäfte ihre Geduld über die Gebühr auf die Probe gestellt worden war, erschreckte sie plötzlich der Anblick des Zaunkletterers, in dem sie Anfangs einen Kirchendieb witterte, bis sie, roth vor Beschämung und Entrüstung, ihren geistlichen Bruder erkannte. Während des folgenden Läutens absolvirte sie sich von dem Weltereignisse waren Visitationen Seitens des Konsistoriums , Thurmknopfvergoldungen, Kanzeldeckengeschenke, Anschaffung neuer Zifferbretter, Kirchenstuhlvermiethungen, Grabverkäufe, Nothtaufen, Armesünderbeerdigungen, und vor allem solche Vorfälle, welche geeignet schienen, die überlieferte Ehelosigkeit der Hedeper Küster in Gefahr zu bringen. Und hier müssen wir zweier Kleinigkeiten Erwähnung thun, welche ein Weltereigniß solcher Art verschulden konnten: einerseits des in Papier gewickelten Groschens, andererseits des Wittwenzaun-Erkletterns, dessen sich der Küster schuldig machte, als er zum verspäteten Mittagsläuten den kürzesten Weg einzuschlagen für gerechtfertigt hielt. Der eingewickelte Groschen wurde von der ledigen ältesten Habermus entdeckt, ehe der Handwerksbursche herbeikam, führte zu Auseinandersetzungen zwischen diesem und der ältlichen Jungfrau und leitete sie auf die Spur des geistlichen Bruders, der ihrer Kurzsichtigkeit ohne diesen Wegweiser entgangen wäre. Sie beschloß sogleich in dem kaffeebraunen Hinterstübchen Posto zu fassen und, so gut die in der Küsterei aufbewahrte Brille des verstorbenen Oheims es zuließ, die Vorgänge im Giebelhause auf künstlich optischem Wege zu überwachen. Nachdem bei diesem Geschäfte ihre Geduld über die Gebühr auf die Probe gestellt worden war, erschreckte sie plötzlich der Anblick des Zaunkletterers, in dem sie Anfangs einen Kirchendieb witterte, bis sie, roth vor Beschämung und Entrüstung, ihren geistlichen Bruder erkannte. Während des folgenden Läutens absolvirte sie sich von dem <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0045"/> Weltereignisse waren Visitationen Seitens des Konsistoriums , Thurmknopfvergoldungen, Kanzeldeckengeschenke, Anschaffung neuer Zifferbretter, Kirchenstuhlvermiethungen, Grabverkäufe, Nothtaufen, Armesünderbeerdigungen, und vor allem solche Vorfälle, welche geeignet schienen, die überlieferte Ehelosigkeit der Hedeper Küster in Gefahr zu bringen.</p><lb/> <p>Und hier müssen wir zweier Kleinigkeiten Erwähnung thun, welche ein Weltereigniß solcher Art verschulden konnten: einerseits des in Papier gewickelten Groschens, andererseits des Wittwenzaun-Erkletterns, dessen sich der Küster schuldig machte, als er zum verspäteten Mittagsläuten den kürzesten Weg einzuschlagen für gerechtfertigt hielt. Der eingewickelte Groschen wurde von der ledigen ältesten Habermus entdeckt, ehe der Handwerksbursche herbeikam, führte zu Auseinandersetzungen zwischen diesem und der ältlichen Jungfrau und leitete sie auf die Spur des geistlichen Bruders, der ihrer Kurzsichtigkeit ohne diesen Wegweiser entgangen wäre. Sie beschloß sogleich in dem kaffeebraunen Hinterstübchen Posto zu fassen und, so gut die in der Küsterei aufbewahrte Brille des verstorbenen Oheims es zuließ, die Vorgänge im Giebelhause auf künstlich optischem Wege zu überwachen. Nachdem bei diesem Geschäfte ihre Geduld über die Gebühr auf die Probe gestellt worden war, erschreckte sie plötzlich der Anblick des Zaunkletterers, in dem sie Anfangs einen Kirchendieb witterte, bis sie, roth vor Beschämung und Entrüstung, ihren geistlichen Bruder erkannte. Während des folgenden Läutens absolvirte sie sich von dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
Weltereignisse waren Visitationen Seitens des Konsistoriums , Thurmknopfvergoldungen, Kanzeldeckengeschenke, Anschaffung neuer Zifferbretter, Kirchenstuhlvermiethungen, Grabverkäufe, Nothtaufen, Armesünderbeerdigungen, und vor allem solche Vorfälle, welche geeignet schienen, die überlieferte Ehelosigkeit der Hedeper Küster in Gefahr zu bringen.
Und hier müssen wir zweier Kleinigkeiten Erwähnung thun, welche ein Weltereigniß solcher Art verschulden konnten: einerseits des in Papier gewickelten Groschens, andererseits des Wittwenzaun-Erkletterns, dessen sich der Küster schuldig machte, als er zum verspäteten Mittagsläuten den kürzesten Weg einzuschlagen für gerechtfertigt hielt. Der eingewickelte Groschen wurde von der ledigen ältesten Habermus entdeckt, ehe der Handwerksbursche herbeikam, führte zu Auseinandersetzungen zwischen diesem und der ältlichen Jungfrau und leitete sie auf die Spur des geistlichen Bruders, der ihrer Kurzsichtigkeit ohne diesen Wegweiser entgangen wäre. Sie beschloß sogleich in dem kaffeebraunen Hinterstübchen Posto zu fassen und, so gut die in der Küsterei aufbewahrte Brille des verstorbenen Oheims es zuließ, die Vorgänge im Giebelhause auf künstlich optischem Wege zu überwachen. Nachdem bei diesem Geschäfte ihre Geduld über die Gebühr auf die Probe gestellt worden war, erschreckte sie plötzlich der Anblick des Zaunkletterers, in dem sie Anfangs einen Kirchendieb witterte, bis sie, roth vor Beschämung und Entrüstung, ihren geistlichen Bruder erkannte. Während des folgenden Läutens absolvirte sie sich von dem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |