Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nicht diejenige friedliche Stimmung bereiten, welche er für den Grundton seiner Ehestandsplane hielt. Der Gedanke an diese Plane ging indessen nicht ohne einen gelinden Gewissensschauder durch seine Seele, und er schüttelte ablehnend den Kopf, als die Wirthin den delicaten Gegenstand in ihrer gewohnten geraden Weise berührte. Ganz Hedeper, sagte sie, redet davon, Ihr ginget auf Freiersfüßen. Nun, Ihr wäret nicht der Erste und nicht der Letzte, der sich fangen ließe. Treffet Ihr's gut, warum solltet Ihr da auch nicht freien? Aber der Treffer giebt's nur nicht so viel wie der Nieten. Da sitzt der Knoten! Viel Stroh und wenig Körner! Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen einem reifen und einem faulen Apfel, oder gar einem, der noch den Mund zusammenzieht. Dirnen giebt's genug in Hedeper, Seinstedt und Wolfenbüttel, schockweise könnt Ihr sie nach jeder Kirmeß zusammenlesen. Aber findet mir Eine, die da saubere Fäden spinnt, die den Zwirn beim Nähen nicht zehnmal aus dem Nadelloch schlüpfen läßt, ehe ein einziger Saum fertig ist, die nicht schwach im Leibe wird, wenn sie einen Kessel, vom Feuer heben oder am Brunnen von früh zwei Uhr bis Mittag waschen soll; findet mir Eine, die Morgens ihre Schuhe nicht niedertritt, ihre Decke nicht übers Lager wirft, statt sauber ihr Bette zu machen, ihre Haare nicht mit den Fingern unter die garstige Haube zwängt, weil der Kamm voll Haare sitzt oder ins Waschbecken gefallen ist, findet nicht diejenige friedliche Stimmung bereiten, welche er für den Grundton seiner Ehestandsplane hielt. Der Gedanke an diese Plane ging indessen nicht ohne einen gelinden Gewissensschauder durch seine Seele, und er schüttelte ablehnend den Kopf, als die Wirthin den delicaten Gegenstand in ihrer gewohnten geraden Weise berührte. Ganz Hedeper, sagte sie, redet davon, Ihr ginget auf Freiersfüßen. Nun, Ihr wäret nicht der Erste und nicht der Letzte, der sich fangen ließe. Treffet Ihr's gut, warum solltet Ihr da auch nicht freien? Aber der Treffer giebt's nur nicht so viel wie der Nieten. Da sitzt der Knoten! Viel Stroh und wenig Körner! Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen einem reifen und einem faulen Apfel, oder gar einem, der noch den Mund zusammenzieht. Dirnen giebt's genug in Hedeper, Seinstedt und Wolfenbüttel, schockweise könnt Ihr sie nach jeder Kirmeß zusammenlesen. Aber findet mir Eine, die da saubere Fäden spinnt, die den Zwirn beim Nähen nicht zehnmal aus dem Nadelloch schlüpfen läßt, ehe ein einziger Saum fertig ist, die nicht schwach im Leibe wird, wenn sie einen Kessel, vom Feuer heben oder am Brunnen von früh zwei Uhr bis Mittag waschen soll; findet mir Eine, die Morgens ihre Schuhe nicht niedertritt, ihre Decke nicht übers Lager wirft, statt sauber ihr Bette zu machen, ihre Haare nicht mit den Fingern unter die garstige Haube zwängt, weil der Kamm voll Haare sitzt oder ins Waschbecken gefallen ist, findet <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0020"/> nicht diejenige friedliche Stimmung bereiten, welche er für den Grundton seiner Ehestandsplane hielt. Der Gedanke an diese Plane ging indessen nicht ohne einen gelinden Gewissensschauder durch seine Seele, und er schüttelte ablehnend den Kopf, als die Wirthin den delicaten Gegenstand in ihrer gewohnten geraden Weise berührte.</p><lb/> <p>Ganz Hedeper, sagte sie, redet davon, Ihr ginget auf Freiersfüßen. Nun, Ihr wäret nicht der Erste und nicht der Letzte, der sich fangen ließe. Treffet Ihr's gut, warum solltet Ihr da auch nicht freien? Aber der Treffer giebt's nur nicht so viel wie der Nieten. Da sitzt der Knoten! Viel Stroh und wenig Körner! Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen einem reifen und einem faulen Apfel, oder gar einem, der noch den Mund zusammenzieht. Dirnen giebt's genug in Hedeper, Seinstedt und Wolfenbüttel, schockweise könnt Ihr sie nach jeder Kirmeß zusammenlesen. Aber findet mir Eine, die da saubere Fäden spinnt, die den Zwirn beim Nähen nicht zehnmal aus dem Nadelloch schlüpfen läßt, ehe ein einziger Saum fertig ist, die nicht schwach im Leibe wird, wenn sie einen Kessel, vom Feuer heben oder am Brunnen von früh zwei Uhr bis Mittag waschen soll; findet mir Eine, die Morgens ihre Schuhe nicht niedertritt, ihre Decke nicht übers Lager wirft, statt sauber ihr Bette zu machen, ihre Haare nicht mit den Fingern unter die garstige Haube zwängt, weil der Kamm voll Haare sitzt oder ins Waschbecken gefallen ist, findet<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
nicht diejenige friedliche Stimmung bereiten, welche er für den Grundton seiner Ehestandsplane hielt. Der Gedanke an diese Plane ging indessen nicht ohne einen gelinden Gewissensschauder durch seine Seele, und er schüttelte ablehnend den Kopf, als die Wirthin den delicaten Gegenstand in ihrer gewohnten geraden Weise berührte.
Ganz Hedeper, sagte sie, redet davon, Ihr ginget auf Freiersfüßen. Nun, Ihr wäret nicht der Erste und nicht der Letzte, der sich fangen ließe. Treffet Ihr's gut, warum solltet Ihr da auch nicht freien? Aber der Treffer giebt's nur nicht so viel wie der Nieten. Da sitzt der Knoten! Viel Stroh und wenig Körner! Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen einem reifen und einem faulen Apfel, oder gar einem, der noch den Mund zusammenzieht. Dirnen giebt's genug in Hedeper, Seinstedt und Wolfenbüttel, schockweise könnt Ihr sie nach jeder Kirmeß zusammenlesen. Aber findet mir Eine, die da saubere Fäden spinnt, die den Zwirn beim Nähen nicht zehnmal aus dem Nadelloch schlüpfen läßt, ehe ein einziger Saum fertig ist, die nicht schwach im Leibe wird, wenn sie einen Kessel, vom Feuer heben oder am Brunnen von früh zwei Uhr bis Mittag waschen soll; findet mir Eine, die Morgens ihre Schuhe nicht niedertritt, ihre Decke nicht übers Lager wirft, statt sauber ihr Bette zu machen, ihre Haare nicht mit den Fingern unter die garstige Haube zwängt, weil der Kamm voll Haare sitzt oder ins Waschbecken gefallen ist, findet
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