Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Er war etwas über ein Jahr todt, als Herr Florian die Mumme in der Gaststube der Frau Dorothee zu der ungewohnten Morgenstunde trank. Man verdachte der Wittwe des Pfarrers, daß sie noch immer Korn auf der Küsterei liegen habe, da sie doch nicht daran denken werde, mit ihren fünf und dreißig Sommern und ihren fünf Waisen einen neuen Gatten zu beschenken, der große Kornvorrath aber manchem Freier, dem sich blanke Thaler eben nicht füglich unter die Augen bringen ließen, den Kopf behexen konnte, während sonst ihr Hab' und Gut wohl vergessen worden wäre. Was den Küster von Hedeper betrifft, so findet sich in seinen Denkwürdigkeiten nichts, was über seine persönliche Ansicht über diesen Punkt Licht verbreiten könnte. Seine Stellung war übrigens eine ausnahmsweise, und zwar aus folgenden Gründen: Das Geschlecht der Habermas schrieb sich aus einer Zeit her, welche von Einigen ins Heidenthum, von Anderen auf die Doppelregierung Otto und Wilhelm's mit dem langen Beine, also ins vierzehnte Jahrhundert, verlegt wurde. Noch Andere waren der Meinung, Otto der Lahme habe den ersten Habermus zum Küster gemacht ; zum Kaplan des im Jahre 1400 auf dem Heimwege von Frankfurt ermordeten Friedrich's von Braunschweig erhob ihn eine unverbürgte Nachricht von abermals anderer Seite. Auch gab es einige Habermus, welche behaupteten, einer ihrer Vorfahren habe die heimliche Ehe zwischen Heinrich II. und dem Hoffräulein Eva Er war etwas über ein Jahr todt, als Herr Florian die Mumme in der Gaststube der Frau Dorothee zu der ungewohnten Morgenstunde trank. Man verdachte der Wittwe des Pfarrers, daß sie noch immer Korn auf der Küsterei liegen habe, da sie doch nicht daran denken werde, mit ihren fünf und dreißig Sommern und ihren fünf Waisen einen neuen Gatten zu beschenken, der große Kornvorrath aber manchem Freier, dem sich blanke Thaler eben nicht füglich unter die Augen bringen ließen, den Kopf behexen konnte, während sonst ihr Hab' und Gut wohl vergessen worden wäre. Was den Küster von Hedeper betrifft, so findet sich in seinen Denkwürdigkeiten nichts, was über seine persönliche Ansicht über diesen Punkt Licht verbreiten könnte. Seine Stellung war übrigens eine ausnahmsweise, und zwar aus folgenden Gründen: Das Geschlecht der Habermas schrieb sich aus einer Zeit her, welche von Einigen ins Heidenthum, von Anderen auf die Doppelregierung Otto und Wilhelm's mit dem langen Beine, also ins vierzehnte Jahrhundert, verlegt wurde. Noch Andere waren der Meinung, Otto der Lahme habe den ersten Habermus zum Küster gemacht ; zum Kaplan des im Jahre 1400 auf dem Heimwege von Frankfurt ermordeten Friedrich's von Braunschweig erhob ihn eine unverbürgte Nachricht von abermals anderer Seite. Auch gab es einige Habermus, welche behaupteten, einer ihrer Vorfahren habe die heimliche Ehe zwischen Heinrich II. und dem Hoffräulein Eva <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <pb facs="#f0010"/> <p>Er war etwas über ein Jahr todt, als Herr Florian die Mumme in der Gaststube der Frau Dorothee zu der ungewohnten Morgenstunde trank. Man verdachte der Wittwe des Pfarrers, daß sie noch immer Korn auf der Küsterei liegen habe, da sie doch nicht daran denken werde, mit ihren fünf und dreißig Sommern und ihren fünf Waisen einen neuen Gatten zu beschenken, der große Kornvorrath aber manchem Freier, dem sich blanke Thaler eben nicht füglich unter die Augen bringen ließen, den Kopf behexen konnte, während sonst ihr Hab' und Gut wohl vergessen worden wäre. Was den Küster von Hedeper betrifft, so findet sich in seinen Denkwürdigkeiten nichts, was über seine persönliche Ansicht über diesen Punkt Licht verbreiten könnte. Seine Stellung war übrigens eine ausnahmsweise, und zwar aus folgenden Gründen:</p><lb/> <p>Das Geschlecht der Habermas schrieb sich aus einer Zeit her, welche von Einigen ins Heidenthum, von Anderen auf die Doppelregierung Otto und Wilhelm's mit dem langen Beine, also ins vierzehnte Jahrhundert, verlegt wurde. Noch Andere waren der Meinung, Otto der Lahme habe den ersten Habermus zum Küster gemacht ; zum Kaplan des im Jahre 1400 auf dem Heimwege von Frankfurt ermordeten Friedrich's von Braunschweig erhob ihn eine unverbürgte Nachricht von abermals anderer Seite. Auch gab es einige Habermus, welche behaupteten, einer ihrer Vorfahren habe die heimliche Ehe zwischen Heinrich II. und dem Hoffräulein Eva<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Er war etwas über ein Jahr todt, als Herr Florian die Mumme in der Gaststube der Frau Dorothee zu der ungewohnten Morgenstunde trank. Man verdachte der Wittwe des Pfarrers, daß sie noch immer Korn auf der Küsterei liegen habe, da sie doch nicht daran denken werde, mit ihren fünf und dreißig Sommern und ihren fünf Waisen einen neuen Gatten zu beschenken, der große Kornvorrath aber manchem Freier, dem sich blanke Thaler eben nicht füglich unter die Augen bringen ließen, den Kopf behexen konnte, während sonst ihr Hab' und Gut wohl vergessen worden wäre. Was den Küster von Hedeper betrifft, so findet sich in seinen Denkwürdigkeiten nichts, was über seine persönliche Ansicht über diesen Punkt Licht verbreiten könnte. Seine Stellung war übrigens eine ausnahmsweise, und zwar aus folgenden Gründen:
Das Geschlecht der Habermas schrieb sich aus einer Zeit her, welche von Einigen ins Heidenthum, von Anderen auf die Doppelregierung Otto und Wilhelm's mit dem langen Beine, also ins vierzehnte Jahrhundert, verlegt wurde. Noch Andere waren der Meinung, Otto der Lahme habe den ersten Habermus zum Küster gemacht ; zum Kaplan des im Jahre 1400 auf dem Heimwege von Frankfurt ermordeten Friedrich's von Braunschweig erhob ihn eine unverbürgte Nachricht von abermals anderer Seite. Auch gab es einige Habermus, welche behaupteten, einer ihrer Vorfahren habe die heimliche Ehe zwischen Heinrich II. und dem Hoffräulein Eva
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |