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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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schildert mit Geist und Witz, wie die überspannten Anhängerinnen
und Anhänger des Frauenstimmrechts in Newyork und anderen
Städten älterer Kultur regelmäßig von den tüchtigsten, verdienstvollsten
Frauen und Männern im Geisteskampfe geschlagen werden, sich nur
lächerlich machen. Viele Newyorker Damen erließen 1894 in zehn
Punkten einen treffenden Protest gegen das Frauenstimmrecht.
Derselbe wurde 1894 in The English Woman's Review, Bd. 25,
und 1895 in der Berliner "Frauenbewegung", Nr. 2, mitgeteilt. Schon
früher bildete sich nach Bryce in Massachusetts eine Ladies-Anti-
Suffrage-League
. Es giebt ferner eine Albany-Anti-Suffrage-
Association
, für die sich auch der dortige (wohl anglikanische) Bischof
ausgesprochen hat (Polit. Science Quart. 1895, S. 564.) Th. Bent-
zon berücksichtigt natürlich auch andere Seiten der Frauenfrage. Sie
giebt z. B. S. 29 ff. interessante Notizen über die Protective
Agency
in Chicago, einen Rechtsschutzverein für arme Frauen
und Mädchen.

Trotz den Verdiensten der amerikanischen Frauenvereine
ist doch folgendes zu bedenken:

A. Die häufig zu weit getriebene Abschließung gegen das
männliche Geschlecht beruht manchmal auch auf Eitelkeit, Geschwätzig-
keit, Herrschsucht, Furcht vor der Kritik der Gefühlspolitik
durch verstandespolitisch denkende Männer und Frauen.
B. Kein Frauenverein bekämpft meines Wissens die puri-
tanische
, englisch-schottisch-amerikanische Sonntagsfeier. Wenn man
Arbeiter hindert, deutsche Schulen zu besuchen, die deutsche Sprache
zu erlernen,1) Sonntags Museen zu besuchen, deutsches Bier zu trinken,
in anständigen Gartenlokalen deutsche Musik zu hören, deutsche Zei-
tungen zu lesen, so ist die Folge davon, daß Viele am Sonnabend
irischen Whisky kaufen, sich am Sonntag und Montag viehisch be-
trinken, ihre Frauen und Kinder mißhandeln. Sogar unter den reichen
Frauen Amerikas giebt es viele Säuferinnen. Die Deutschen haben
auch von den Angelsachsen manches zu lernen, aber im allgemeinen
steht die deutsche Kultur, die spöttisch s. g. german infidelity ("der
deutsche Unglaube"), hoch über jenem cant, der den Nächsten 6 Tage
wöchentlich betrügt, und den lieben Gott am 7. Tage zu betrügen
versucht.
C. Viele Politiker bekämpfen auf den Wunsch von überspannten
Frauenzimmern das deutsche Bier, während die Waldverwüstung

schildert mit Geist und Witz, wie die überspannten Anhängerinnen
und Anhänger des Frauenstimmrechts in Newyork und anderen
Städten älterer Kultur regelmäßig von den tüchtigsten, verdienstvollsten
Frauen und Männern im Geisteskampfe geschlagen werden, sich nur
lächerlich machen. Viele Newyorker Damen erließen 1894 in zehn
Punkten einen treffenden Protest gegen das Frauenstimmrecht.
Derselbe wurde 1894 in The English Woman's Review, Bd. 25,
und 1895 in der Berliner „Frauenbewegung“, Nr. 2, mitgeteilt. Schon
früher bildete sich nach Bryce in Massachusetts eine Ladies-Anti-
Suffrage-League
. Es giebt ferner eine Albany-Anti-Suffrage-
Association
, für die sich auch der dortige (wohl anglikanische) Bischof
ausgesprochen hat (Polit. Science Quart. 1895, S. 564.) Th. Bent-
zon berücksichtigt natürlich auch andere Seiten der Frauenfrage. Sie
giebt z. B. S. 29 ff. interessante Notizen über die Protective
Agency
in Chicago, einen Rechtsschutzverein für arme Frauen
und Mädchen.

Trotz den Verdiensten der amerikanischen Frauenvereine
ist doch folgendes zu bedenken:

A. Die häufig zu weit getriebene Abschließung gegen das
männliche Geschlecht beruht manchmal auch auf Eitelkeit, Geschwätzig-
keit, Herrschsucht, Furcht vor der Kritik der Gefühlspolitik
durch verstandespolitisch denkende Männer und Frauen.
B. Kein Frauenverein bekämpft meines Wissens die puri-
tanische
, englisch-schottisch-amerikanische Sonntagsfeier. Wenn man
Arbeiter hindert, deutsche Schulen zu besuchen, die deutsche Sprache
zu erlernen,1) Sonntags Museen zu besuchen, deutsches Bier zu trinken,
in anständigen Gartenlokalen deutsche Musik zu hören, deutsche Zei-
tungen zu lesen, so ist die Folge davon, daß Viele am Sonnabend
irischen Whisky kaufen, sich am Sonntag und Montag viehisch be-
trinken, ihre Frauen und Kinder mißhandeln. Sogar unter den reichen
Frauen Amerikas giebt es viele Säuferinnen. Die Deutschen haben
auch von den Angelsachsen manches zu lernen, aber im allgemeinen
steht die deutsche Kultur, die spöttisch s. g. german infidelity („der
deutsche Unglaube“), hoch über jenem cant, der den Nächsten 6 Tage
wöchentlich betrügt, und den lieben Gott am 7. Tage zu betrügen
versucht.
C. Viele Politiker bekämpfen auf den Wunsch von überspannten
Frauenzimmern das deutsche Bier, während die Waldverwüstung
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[4/0010] schildert mit Geist und Witz, wie die überspannten Anhängerinnen und Anhänger des Frauenstimmrechts in Newyork und anderen Städten älterer Kultur regelmäßig von den tüchtigsten, verdienstvollsten Frauen und Männern im Geisteskampfe geschlagen werden, sich nur lächerlich machen. Viele Newyorker Damen erließen 1894 in zehn Punkten einen treffenden Protest gegen das Frauenstimmrecht. Derselbe wurde 1894 in The English Woman's Review, Bd. 25, und 1895 in der Berliner „Frauenbewegung“, Nr. 2, mitgeteilt. Schon früher bildete sich nach Bryce in Massachusetts eine Ladies-Anti- Suffrage-League. Es giebt ferner eine Albany-Anti-Suffrage- Association, für die sich auch der dortige (wohl anglikanische) Bischof ausgesprochen hat (Polit. Science Quart. 1895, S. 564.) Th. Bent- zon berücksichtigt natürlich auch andere Seiten der Frauenfrage. Sie giebt z. B. S. 29 ff. interessante Notizen über die Protective Agency in Chicago, einen Rechtsschutzverein für arme Frauen und Mädchen. Trotz den Verdiensten der amerikanischen Frauenvereine ist doch folgendes zu bedenken: A. Die häufig zu weit getriebene Abschließung gegen das männliche Geschlecht beruht manchmal auch auf Eitelkeit, Geschwätzig- keit, Herrschsucht, Furcht vor der Kritik der Gefühlspolitik durch verstandespolitisch denkende Männer und Frauen. B. Kein Frauenverein bekämpft meines Wissens die puri- tanische, englisch-schottisch-amerikanische Sonntagsfeier. Wenn man Arbeiter hindert, deutsche Schulen zu besuchen, die deutsche Sprache zu erlernen, ¹⁾ Sonntags Museen zu besuchen, deutsches Bier zu trinken, in anständigen Gartenlokalen deutsche Musik zu hören, deutsche Zei- tungen zu lesen, so ist die Folge davon, daß Viele am Sonnabend irischen Whisky kaufen, sich am Sonntag und Montag viehisch be- trinken, ihre Frauen und Kinder mißhandeln. Sogar unter den reichen Frauen Amerikas giebt es viele Säuferinnen. Die Deutschen haben auch von den Angelsachsen manches zu lernen, aber im allgemeinen steht die deutsche Kultur, die spöttisch s. g. german infidelity („der deutsche Unglaube“), hoch über jenem cant, der den Nächsten 6 Tage wöchentlich betrügt, und den lieben Gott am 7. Tage zu betrügen versucht. C. Viele Politiker bekämpfen auf den Wunsch von überspannten Frauenzimmern das deutsche Bier, während die Waldverwüstung

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-09T14:25:10Z)

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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/10>, abgerufen am 28.11.2024.