Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.Unsterbliche Liebe! Eins ist Alles und Alles ist Meine Seele hieng einst an der Natur, wie Glühend, zerfließend weinte meine Seele vor O sie hätte mich glücklich gemacht! Bruder! Jhr Auge befruchtete die Keime meiner Seele. Unſterbliche Liebe! Eins iſt Alles und Alles iſt Meine Seele hieng einſt an der Natur, wie Gluͤhend, zerfließend weinte meine Seele vor O ſie haͤtte mich gluͤcklich gemacht! Bruder! Jhr Auge befruchtete die Keime meiner Seele. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0111" n="111"/> <p>Unſterbliche Liebe! Eins iſt Alles und Alles iſt<lb/> Eins … das fuͤhlt ich einſt! und … nun?</p><lb/> <p>Meine Seele hieng einſt an der Natur, wie<lb/> der Saͤugling an den Bruͤſten der Mutter: ich<lb/> fuͤhlte mich ſo groß, ſo ewig, ſo geliebt!</p><lb/> <p>Gluͤhend, zerfließend weinte meine Seele vor<lb/> Wonne! Ein Lied des Dankes, Eine Freudenthraͤne<lb/> war mein Leben.</p><lb/> <p>O ſie haͤtte mich gluͤcklich gemacht! Bruder!<lb/> wenn ich vor ihr ſtand, und mein Blick ſich verlor<lb/> im Seelenmeer ihres Auges, und ihr Mund laͤchel-<lb/> te, als ob er mich baͤte, ihn zu kuͤſſen, ſo innig,<lb/> ganz Liebe, ſo ganz Hingebung, und ſie nichts<lb/> wußte, nichts kannte, als mich .... ich ihr alles,<lb/> alles war, und ſie ſo ganz befriedigt, all’ ihr Seh-<lb/> nen und Wuͤnſchen geſtillt ſchien in meinen Ar-<lb/> men …!</p><lb/> <p>Jhr Auge befruchtete die Keime meiner Seele.<lb/> Sie ſchoſſen alle auf und ſtanden alle in Bluͤthe:<lb/> ihre Thraͤnen waren der linde, traͤnkende Thau.<lb/> Jhre Seele floß von ihrem Buſen, von ihrem Au-<lb/> ge in das meine, unbegraͤnzt, endlos, ewig!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [111/0111]
Unſterbliche Liebe! Eins iſt Alles und Alles iſt
Eins … das fuͤhlt ich einſt! und … nun?
Meine Seele hieng einſt an der Natur, wie
der Saͤugling an den Bruͤſten der Mutter: ich
fuͤhlte mich ſo groß, ſo ewig, ſo geliebt!
Gluͤhend, zerfließend weinte meine Seele vor
Wonne! Ein Lied des Dankes, Eine Freudenthraͤne
war mein Leben.
O ſie haͤtte mich gluͤcklich gemacht! Bruder!
wenn ich vor ihr ſtand, und mein Blick ſich verlor
im Seelenmeer ihres Auges, und ihr Mund laͤchel-
te, als ob er mich baͤte, ihn zu kuͤſſen, ſo innig,
ganz Liebe, ſo ganz Hingebung, und ſie nichts
wußte, nichts kannte, als mich .... ich ihr alles,
alles war, und ſie ſo ganz befriedigt, all’ ihr Seh-
nen und Wuͤnſchen geſtillt ſchien in meinen Ar-
men …!
Jhr Auge befruchtete die Keime meiner Seele.
Sie ſchoſſen alle auf und ſtanden alle in Bluͤthe:
ihre Thraͤnen waren der linde, traͤnkende Thau.
Jhre Seele floß von ihrem Buſen, von ihrem Au-
ge in das meine, unbegraͤnzt, endlos, ewig!
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