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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Phaethon an Theodor.

O Theodor! ich mußte sie sehen, wenn ich nicht
zu Grunde gehen sollte.

Es schlief in meinem Jnnern, wie im Stein
die Flamme, wie der unsichtbare Keim in der Erde,
der warmen, allnährenden Mutter.

Heut hab' ich einen wunderbaren Tag. Mei-
nen Johannes sah ich nicht seit einigen Tagen. Jch
rannte durch die Felder, und wußte nichts von all'
dem, was mich umgab. Dann formt' ich wieder
am Thon zu meiner Polyxena; dann küßt' ich die
Rosen an der Stirne Homers, die sie berührt mit
ihren Fingern, und lesen mocht' ich gar nicht. Ach
und morgen, morgen!



5 *
Phaethon an Theodor.

O Theodor! ich mußte ſie ſehen, wenn ich nicht
zu Grunde gehen ſollte.

Es ſchlief in meinem Jnnern, wie im Stein
die Flamme, wie der unſichtbare Keim in der Erde,
der warmen, allnaͤhrenden Mutter.

Heut hab’ ich einen wunderbaren Tag. Mei-
nen Johannes ſah ich nicht ſeit einigen Tagen. Jch
rannte durch die Felder, und wußte nichts von all’
dem, was mich umgab. Dann formt’ ich wieder
am Thon zu meiner Polyxena; dann kuͤßt’ ich die
Roſen an der Stirne Homers, die ſie beruͤhrt mit
ihren Fingern, und leſen mocht’ ich gar nicht. Ach
und morgen, morgen!



5 *
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[67/0077] Phaethon an Theodor. O Theodor! ich mußte ſie ſehen, wenn ich nicht zu Grunde gehen ſollte. Es ſchlief in meinem Jnnern, wie im Stein die Flamme, wie der unſichtbare Keim in der Erde, der warmen, allnaͤhrenden Mutter. Heut hab’ ich einen wunderbaren Tag. Mei- nen Johannes ſah ich nicht ſeit einigen Tagen. Jch rannte durch die Felder, und wußte nichts von all’ dem, was mich umgab. Dann formt’ ich wieder am Thon zu meiner Polyxena; dann kuͤßt’ ich die Roſen an der Stirne Homers, die ſie beruͤhrt mit ihren Fingern, und leſen mocht’ ich gar nicht. Ach und morgen, morgen! 5 *

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/77>, abgerufen am 04.05.2024.