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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Cäcilie stand auf und mit ihr Atalanta. Das
Mädchen schlang die Arme um die schöne Mutter,
wie junge Blumenranken um eine schlanke Säule,
und liebend sah'n sie einander ins Auge und dann
wieder hinüber in die Ferne, unendlich wie ihre
Liebe.

Sie setzten sich nieder. Caton ward immer
stiller. Ein schwärmerisches Feuer glühte in seinem
Auge. O Theodor! wie wir da saßen im Schatten
der ehrwürdigen Eiche -- die Tochter, wie ein lie-
bend Kind, an ihre Mutter geschmiegt und der
finstere, bärtige Caton, das umlockte Haupt auf
seine Arme stützend, und ich zu seiner Seite, ver-
gehend in dem Anschau'n dieser wunderbaren We-
sen! -- -- -- --

Da sagte Caton: schön ist's hier auf diesem
Hügel, liebe Kinder. Doch ach! es ist noch nicht
das Schönste. Er schwieg, dann seufzt' er, Grie-
chenland.

Jch sah' ihm starr ins Auge. Er fuhr fort:

Ja Griechenland, wo Myrthe, Lorbeer und
Cypresse, wie Schwestern neben einander grünen,
wo der schönen Flora Kinder um warme volle Hü-

Caͤcilie ſtand auf und mit ihr Atalanta. Das
Maͤdchen ſchlang die Arme um die ſchoͤne Mutter,
wie junge Blumenranken um eine ſchlanke Saͤule,
und liebend ſah’n ſie einander ins Auge und dann
wieder hinuͤber in die Ferne, unendlich wie ihre
Liebe.

Sie ſetzten ſich nieder. Caton ward immer
ſtiller. Ein ſchwaͤrmeriſches Feuer gluͤhte in ſeinem
Auge. O Theodor! wie wir da ſaßen im Schatten
der ehrwuͤrdigen Eiche — die Tochter, wie ein lie-
bend Kind, an ihre Mutter geſchmiegt und der
finſtere, baͤrtige Caton, das umlockte Haupt auf
ſeine Arme ſtuͤtzend, und ich zu ſeiner Seite, ver-
gehend in dem Anſchau’n dieſer wunderbaren We-
ſen! — — — —

Da ſagte Caton: ſchoͤn iſt’s hier auf dieſem
Huͤgel, liebe Kinder. Doch ach! es iſt noch nicht
das Schoͤnſte. Er ſchwieg, dann ſeufzt’ er, Grie-
chenland.

Jch ſah’ ihm ſtarr ins Auge. Er fuhr fort:

Ja Griechenland, wo Myrthe, Lorbeer und
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[63/0073] Caͤcilie ſtand auf und mit ihr Atalanta. Das Maͤdchen ſchlang die Arme um die ſchoͤne Mutter, wie junge Blumenranken um eine ſchlanke Saͤule, und liebend ſah’n ſie einander ins Auge und dann wieder hinuͤber in die Ferne, unendlich wie ihre Liebe. Sie ſetzten ſich nieder. Caton ward immer ſtiller. Ein ſchwaͤrmeriſches Feuer gluͤhte in ſeinem Auge. O Theodor! wie wir da ſaßen im Schatten der ehrwuͤrdigen Eiche — die Tochter, wie ein lie- bend Kind, an ihre Mutter geſchmiegt und der finſtere, baͤrtige Caton, das umlockte Haupt auf ſeine Arme ſtuͤtzend, und ich zu ſeiner Seite, ver- gehend in dem Anſchau’n dieſer wunderbaren We- ſen! — — — — Da ſagte Caton: ſchoͤn iſt’s hier auf dieſem Huͤgel, liebe Kinder. Doch ach! es iſt noch nicht das Schoͤnſte. Er ſchwieg, dann ſeufzt’ er, Grie- chenland. Jch ſah’ ihm ſtarr ins Auge. Er fuhr fort: Ja Griechenland, wo Myrthe, Lorbeer und Cypreſſe, wie Schweſtern neben einander gruͤnen, wo der ſchoͤnen Flora Kinder um warme volle Huͤ-

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/73>, abgerufen am 05.05.2024.