von jenen Sternen aus, ein schwachglimmendes Pünktchen, im Ozean der Unendlichkeit schwimmt, und ich mir vorstelle, wie ich selbst gegen diese kleine Erde nur bin, was sie gegen die ungemessene Schaar der sichtbaren Welten, ach! da möcht' ich mich zernichten, weil ich nur so ein kleiner Theil bin vom unendlichen All.
Und doch schwingt sich mein beflügelter Geist empor, und schwärmt durch die Räume der Unend- lichkeit, wie Bienen durch die Blumen.
Und doch bin ich unsterblich, und werd' einst mit allen meinen Brüdern, diesen unendlich kleinen Theilen der Weltseele, zusammenfließen in Eins mit ihr.
Es gab ja Menschen, die eine Welt aus sich gebaren, Urbilder der Menschheit, zusammenfließend mit Gott. Die neuere Zeit kennt nur drey solche Geister: Raphael, Shakspeare und Mozart.
O denke dir den Prometheus in der größten aller Tragödien an der himmelragenden Stirne des Kaukasos hängen, wie eine kleine Welt im Raume der Unendlichkeit. Und wenn auch diese ewige Urkraft gefesselt ist an die starre Nothwendigkeit, es lebt in
von jenen Sternen aus, ein ſchwachglimmendes Puͤnktchen, im Ozean der Unendlichkeit ſchwimmt, und ich mir vorſtelle, wie ich ſelbſt gegen dieſe kleine Erde nur bin, was ſie gegen die ungemeſſene Schaar der ſichtbaren Welten, ach! da moͤcht’ ich mich zernichten, weil ich nur ſo ein kleiner Theil bin vom unendlichen All.
Und doch ſchwingt ſich mein befluͤgelter Geiſt empor, und ſchwaͤrmt durch die Raͤume der Unend- lichkeit, wie Bienen durch die Blumen.
Und doch bin ich unſterblich, und werd’ einſt mit allen meinen Bruͤdern, dieſen unendlich kleinen Theilen der Weltſeele, zuſammenfließen in Eins mit ihr.
Es gab ja Menſchen, die eine Welt aus ſich gebaren, Urbilder der Menſchheit, zuſammenfließend mit Gott. Die neuere Zeit kennt nur drey ſolche Geiſter: Raphael, Shakſpeare und Mozart.
O denke dir den Prometheus in der groͤßten aller Tragoͤdien an der himmelragenden Stirne des Kaukaſos haͤngen, wie eine kleine Welt im Raume der Unendlichkeit. Und wenn auch dieſe ewige Urkraft gefeſſelt iſt an die ſtarre Nothwendigkeit, es lebt in
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von jenen Sternen aus, ein ſchwachglimmendes
Puͤnktchen, im Ozean der Unendlichkeit ſchwimmt,
und ich mir vorſtelle, wie ich ſelbſt gegen dieſe
kleine Erde nur bin, was ſie gegen die ungemeſſene
Schaar der ſichtbaren Welten, ach! da moͤcht’ ich
mich zernichten, weil ich nur ſo ein kleiner Theil
bin vom unendlichen All.
Und doch ſchwingt ſich mein befluͤgelter Geiſt
empor, und ſchwaͤrmt durch die Raͤume der Unend-
lichkeit, wie Bienen durch die Blumen.
Und doch bin ich unſterblich, und werd’ einſt
mit allen meinen Bruͤdern, dieſen unendlich kleinen
Theilen der Weltſeele, zuſammenfließen in Eins
mit ihr.
Es gab ja Menſchen, die eine Welt aus ſich
gebaren, Urbilder der Menſchheit, zuſammenfließend
mit Gott. Die neuere Zeit kennt nur drey ſolche
Geiſter: Raphael, Shakſpeare und Mozart.
O denke dir den Prometheus in der groͤßten
aller Tragoͤdien an der himmelragenden Stirne des
Kaukaſos haͤngen, wie eine kleine Welt im Raume
der Unendlichkeit. Und wenn auch dieſe ewige Urkraft
gefeſſelt iſt an die ſtarre Nothwendigkeit, es lebt in
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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/57>, abgerufen am 16.02.2025.
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