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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Phaethon an Theodor.

Unser Himmel ist nicht für die Kunst. Uns glänzt
die Freyheit, wie der Dioskuren Liebe, nur als ein
matter Stern am Himmel. Wo sind die Hirten
der Völker?

Die unbeschränkteste Freyheit führte dem gött-
lichen Aristofanes, wie ein launichter Genius, den
kühnen Griffel.

Die Griechen kannten nicht, was wir Gelehr-
samkeit nennen. Der junge frische Geist ward nicht
durch Formeln ausgetrocknet: Das heitere Gemüth
erschwoll am Busen der allliebenden Natur. Darum
lernten sie auch früher denken.

So wuchsen sie auf, schön und voll wie die
Rosen, ein erhabenes Geschlecht, würdig, abzustam-
men von den Göttern.

Und ist nicht alles bey ihnen der Abglanz ihrer
Schöne? Jhre Werke sind schön, wie sie selbst.

Phaethon an Theodor.

Unſer Himmel iſt nicht fuͤr die Kunſt. Uns glaͤnzt
die Freyheit, wie der Dioskuren Liebe, nur als ein
matter Stern am Himmel. Wo ſind die Hirten
der Voͤlker?

Die unbeſchraͤnkteſte Freyheit fuͤhrte dem goͤtt-
lichen Ariſtofanes, wie ein launichter Genius, den
kuͤhnen Griffel.

Die Griechen kannten nicht, was wir Gelehr-
ſamkeit nennen. Der junge friſche Geiſt ward nicht
durch Formeln ausgetrocknet: Das heitere Gemuͤth
erſchwoll am Buſen der allliebenden Natur. Darum
lernten ſie auch fruͤher denken.

So wuchſen ſie auf, ſchoͤn und voll wie die
Roſen, ein erhabenes Geſchlecht, wuͤrdig, abzuſtam-
men von den Goͤttern.

Und iſt nicht alles bey ihnen der Abglanz ihrer
Schoͤne? Jhre Werke ſind ſchoͤn, wie ſie ſelbſt.

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[13/0023] Phaethon an Theodor. Unſer Himmel iſt nicht fuͤr die Kunſt. Uns glaͤnzt die Freyheit, wie der Dioskuren Liebe, nur als ein matter Stern am Himmel. Wo ſind die Hirten der Voͤlker? Die unbeſchraͤnkteſte Freyheit fuͤhrte dem goͤtt- lichen Ariſtofanes, wie ein launichter Genius, den kuͤhnen Griffel. Die Griechen kannten nicht, was wir Gelehr- ſamkeit nennen. Der junge friſche Geiſt ward nicht durch Formeln ausgetrocknet: Das heitere Gemuͤth erſchwoll am Buſen der allliebenden Natur. Darum lernten ſie auch fruͤher denken. So wuchſen ſie auf, ſchoͤn und voll wie die Roſen, ein erhabenes Geſchlecht, wuͤrdig, abzuſtam- men von den Goͤttern. Und iſt nicht alles bey ihnen der Abglanz ihrer Schoͤne? Jhre Werke ſind ſchoͤn, wie ſie ſelbſt.

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/23>, abgerufen am 25.04.2024.