Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.Uneigennützig ist sie. Siehe, wie sie lächelt, Jch lernte lieben, lieben aus ihrem Auge, ih- Jhn lernt' ich erkennen, fassen, lieben! den O! richtet nicht!! Jch weiß ja wohl; es ist nichts leichter, als Menschen, die keine Leidenschaften haben, weil Uneigennuͤtzig iſt ſie. Siehe, wie ſie laͤchelt, Jch lernte lieben, lieben aus ihrem Auge, ih- Jhn lernt’ ich erkennen, faſſen, lieben! den O! richtet nicht!! Jch weiß ja wohl; es iſt nichts leichter, als Menſchen, die keine Leidenſchaften haben, weil <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0134" n="124"/> <p>Uneigennuͤtzig iſt ſie. Siehe, wie ſie laͤchelt,<lb/> die Unſterbliche, aus dem Auge der Mutter, wann<lb/> ſie den Saͤugling an den Bruͤſten traͤnkt. Geben<lb/> und Rehmen, das wird ihr zu Einem.</p><lb/> <p>Jch lernte lieben, lieben aus ihrem Auge, ih-<lb/> rem Kuſſe, lieben aus ihrer Seele, ihrem Geiſte.</p><lb/> <p>Jhn lernt’ ich erkennen, faſſen, lieben! den<lb/> alten ewigen Geiſt, den Wandelloſen, der alles<lb/> Daſeyn ſchafft und giebt, den Vater des Maaßes,<lb/> das Maaß ſelbſt, den Urheber alles Lichts, das<lb/> Licht ſelbſt, die Urkraft und das Urleben, der die<lb/> Weisheit erfand, ihn, den Alleinigen, Unerſchaffe-<lb/> nen, ihn, die Liebe, die Wahrheit.</p><lb/> <p>O! <hi rendition="#g">richtet nicht!!</hi></p><lb/> <p>Jch weiß ja wohl; es iſt nichts leichter, als<lb/> urtheilen und verdammen. Tauſendmal wird ge-<lb/> richtet, bis Einmal der Richter verſteht, was er zu<lb/> richten waget. Er braucht, um vieles zu erkennen,<lb/> eine Kraft, ein angebor’nes Etwas, das man nicht<lb/> lernen, nicht erwerben kann.</p><lb/> <p>Menſchen, die keine Leidenſchaften haben, weil<lb/> ſie ohne Herz, ohne Kraft ſind, predigen der Ju-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0134]
Uneigennuͤtzig iſt ſie. Siehe, wie ſie laͤchelt,
die Unſterbliche, aus dem Auge der Mutter, wann
ſie den Saͤugling an den Bruͤſten traͤnkt. Geben
und Rehmen, das wird ihr zu Einem.
Jch lernte lieben, lieben aus ihrem Auge, ih-
rem Kuſſe, lieben aus ihrer Seele, ihrem Geiſte.
Jhn lernt’ ich erkennen, faſſen, lieben! den
alten ewigen Geiſt, den Wandelloſen, der alles
Daſeyn ſchafft und giebt, den Vater des Maaßes,
das Maaß ſelbſt, den Urheber alles Lichts, das
Licht ſelbſt, die Urkraft und das Urleben, der die
Weisheit erfand, ihn, den Alleinigen, Unerſchaffe-
nen, ihn, die Liebe, die Wahrheit.
O! richtet nicht!!
Jch weiß ja wohl; es iſt nichts leichter, als
urtheilen und verdammen. Tauſendmal wird ge-
richtet, bis Einmal der Richter verſteht, was er zu
richten waget. Er braucht, um vieles zu erkennen,
eine Kraft, ein angebor’nes Etwas, das man nicht
lernen, nicht erwerben kann.
Menſchen, die keine Leidenſchaften haben, weil
ſie ohne Herz, ohne Kraft ſind, predigen der Ju-
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