Reinheit und Größe. Wißt ihr nichts von dem, so ist eure Kunst nur ein Handwerk. Umsonst ist's dann, wenn ein Abbild euch erscheint der unendli- chen, vollendeten Schönheit: entheiligt ist euer Auge, erloschen seine Kraft, und ihr könnet das Göttliche nimmer erkennen im Menschlichen.
Und ich kann das, Theodor, ich sag' es dir in heißen Thränen, ich kann das! Mein Busen ist keusch! Das Göttliche flieht mich nicht.
Atalanta, du Schöne, du reines, unschuldiges, keusches Kind, welch' ein namenloses Etwas quillt mir aus deinem Anschau'n!
Kraft mit Kraft .... Auge mit Auge .... Liebe mit Liebe .... Geist mit Geist .... hinüber- schwimmend, verloren in lauter Tiefe, in lauter Seele, lauter Himmel .... zuckend und zitternd in Einem, wie Kuß und Kuß, in einander lodernd wie Feuer und Feuer ... Bruder .....
Reinheit und Groͤße. Wißt ihr nichts von dem, ſo iſt eure Kunſt nur ein Handwerk. Umſonſt iſt’s dann, wenn ein Abbild euch erſcheint der unendli- chen, vollendeten Schoͤnheit: entheiligt iſt euer Auge, erloſchen ſeine Kraft, und ihr koͤnnet das Goͤttliche nimmer erkennen im Menſchlichen.
Und ich kann das, Theodor, ich ſag’ es dir in heißen Thraͤnen, ich kann das! Mein Buſen iſt keuſch! Das Goͤttliche flieht mich nicht.
Atalanta, du Schoͤne, du reines, unſchuldiges, keuſches Kind, welch’ ein namenloſes Etwas quillt mir aus deinem Anſchau’n!
Kraft mit Kraft .... Auge mit Auge .... Liebe mit Liebe .... Geiſt mit Geiſt .... hinuͤber- ſchwimmend, verloren in lauter Tiefe, in lauter Seele, lauter Himmel .... zuckend und zitternd in Einem, wie Kuß und Kuß, in einander lodernd wie Feuer und Feuer … Bruder .....
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Reinheit und Groͤße. Wißt ihr nichts von dem,
ſo iſt eure Kunſt nur ein Handwerk. Umſonſt iſt’s
dann, wenn ein Abbild euch erſcheint der unendli-
chen, vollendeten Schoͤnheit: entheiligt iſt euer
Auge, erloſchen ſeine Kraft, und ihr koͤnnet das
Goͤttliche nimmer erkennen im Menſchlichen.
Und ich kann das, Theodor, ich ſag’ es dir
in heißen Thraͤnen, ich kann das! Mein Buſen iſt
keuſch! Das Goͤttliche flieht mich nicht.
Atalanta, du Schoͤne, du reines, unſchuldiges,
keuſches Kind, welch’ ein namenloſes Etwas quillt
mir aus deinem Anſchau’n!
Kraft mit Kraft .... Auge mit Auge ....
Liebe mit Liebe .... Geiſt mit Geiſt .... hinuͤber-
ſchwimmend, verloren in lauter Tiefe, in lauter
Seele, lauter Himmel .... zuckend und zitternd in
Einem, wie Kuß und Kuß, in einander lodernd
wie Feuer und Feuer … Bruder .....
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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/102>, abgerufen am 16.02.2025.
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