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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Phaethon an Theodor.

O wenn ich ihr so nahe bin, so nahe, daß ich ihr
um den Hals fallen könnte! --

Ach! was ist's mit all' unsern Wünschen? Wir
wünschen nur, daß uns das Bischen, das wir ha-
ben, auch entleide. Und warum bin ich denn nicht
zufrieden, so um sie zu seyn, wie ich bin? Jst
denn das nicht genug? Was fordert dieses Herz
noch?

Wie geläutert ist mein ganzes Wesen in ihrer
Nähe. Und wenn ich sie einmal von ungefähr be-
rühre, da zuckt es wie ein Blitz durch's Jnnre
und ich fahre zusammen, und blicke sie an, als
wollt' ich um Vergebung flehen.

Jch mag gehn, wohin ich |will, sie wandelt
mir zur Seite, wie mein Genius. Lieber! ich
könnt' ihr nimmer vor's Auge treten, hätt' ich et-s

Phaethon an Theodor.

O wenn ich ihr ſo nahe bin, ſo nahe, daß ich ihr
um den Hals fallen koͤnnte! —

Ach! was iſt’s mit all’ unſern Wuͤnſchen? Wir
wuͤnſchen nur, daß uns das Bischen, das wir ha-
ben, auch entleide. Und warum bin ich denn nicht
zufrieden, ſo um ſie zu ſeyn, wie ich bin? Jſt
denn das nicht genug? Was fordert dieſes Herz
noch?

Wie gelaͤutert iſt mein ganzes Weſen in ihrer
Naͤhe. Und wenn ich ſie einmal von ungefaͤhr be-
ruͤhre, da zuckt es wie ein Blitz durch’s Jnnre
und ich fahre zuſammen, und blicke ſie an, als
wollt’ ich um Vergebung flehen.

Jch mag gehn, wohin ich |will, ſie wandelt
mir zur Seite, wie mein Genius. Lieber! ich
koͤnnt’ ihr nimmer vor’s Auge treten, haͤtt’ ich et-ſ

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[90/0100] Phaethon an Theodor. O wenn ich ihr ſo nahe bin, ſo nahe, daß ich ihr um den Hals fallen koͤnnte! — Ach! was iſt’s mit all’ unſern Wuͤnſchen? Wir wuͤnſchen nur, daß uns das Bischen, das wir ha- ben, auch entleide. Und warum bin ich denn nicht zufrieden, ſo um ſie zu ſeyn, wie ich bin? Jſt denn das nicht genug? Was fordert dieſes Herz noch? Wie gelaͤutert iſt mein ganzes Weſen in ihrer Naͤhe. Und wenn ich ſie einmal von ungefaͤhr be- ruͤhre, da zuckt es wie ein Blitz durch’s Jnnre und ich fahre zuſammen, und blicke ſie an, als wollt’ ich um Vergebung flehen. Jch mag gehn, wohin ich |will, ſie wandelt mir zur Seite, wie mein Genius. Lieber! ich koͤnnt’ ihr nimmer vor’s Auge treten, haͤtt’ ich et-ſ

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/100>, abgerufen am 04.05.2024.