Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.apathischer Ruhe. Im Reichthume und in der Mannigfal¬ Der Rhythmus ist keineswegs eine willkürliche An¬ Durch den Rhythmus wird der Tanz erst zur Kunst. apathiſcher Ruhe. Im Reichthume und in der Mannigfal¬ Der Rhythmus iſt keineswegs eine willkürliche An¬ Durch den Rhythmus wird der Tanz erſt zur Kunſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0069" n="53"/> apathiſcher Ruhe. Im Reichthume und in der Mannigfal¬<lb/> tigkeit der Uebergänge ſpricht ſich der edlere gebildete Menſch<lb/> aus; je reicher und mannigfaltiger dieſe Uebergänge, deſto<lb/> ruhiger und geſicherter die Anordnung ihres beziehungs¬<lb/> vollen Wechſels: das Geſetz dieſer Ordnung iſt aber der<lb/><hi rendition="#g">Rhythmus</hi>.</p><lb/> <p>Der Rhythmus iſt keineswegs eine willkürliche An¬<lb/> nahme, nach welcher der künſtleriſche Menſch ſeine Leibes¬<lb/> glieder etwa bewegen <hi rendition="#g">will</hi>, ſondern er iſt die dem künſtle¬<lb/> riſchen Menſchen bewußt gewordene Seele der nothwendi¬<lb/> gen Bewegungen ſelbſt, durch welche dieſer ſeine Empfin¬<lb/> dungen unwillkürlich mitzutheilen ſtrebt. Iſt die Bewegung,<lb/> die Gebärde, ſelbſt der gefühlvolle <hi rendition="#g">Ton</hi> der Empfindung,<lb/> ſo iſt der Rhythmus ihre verſtändigungsfähige <hi rendition="#g">Sprache</hi>.<lb/> Je ſchneller der Wechſel der Empfindung, deſto leiden¬<lb/> ſchaftlich befangener, deſto unklarer iſt ſich der Menſch ſelbſt,<lb/> und deſto unfähiger iſt er daher auch ſeine Empfindung<lb/> verſtändlich mitzutheilen; je ruhiger der Wechſel, deſto an¬<lb/> ſchaulicher wird dagegen die Empfindung. Ruhe iſt Ver¬<lb/> weilen; Verweilen der Bewegung iſt aber Wiederholen der<lb/> Bewegung: was ſich wiederholt, läßt ſich zählen, und da<gap unit="chars" quantity="1"/><lb/><hi rendition="#g">Geſetz</hi> dieſer Zählung iſt der <hi rendition="#g">Rhythmus</hi>.</p><lb/> <p>Durch den Rhythmus wird der Tanz erſt zur Kunſt.<lb/> Er iſt <hi rendition="#g">das Maß</hi> der Bewegungen, durch welche die Em¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0069]
apathiſcher Ruhe. Im Reichthume und in der Mannigfal¬
tigkeit der Uebergänge ſpricht ſich der edlere gebildete Menſch
aus; je reicher und mannigfaltiger dieſe Uebergänge, deſto
ruhiger und geſicherter die Anordnung ihres beziehungs¬
vollen Wechſels: das Geſetz dieſer Ordnung iſt aber der
Rhythmus.
Der Rhythmus iſt keineswegs eine willkürliche An¬
nahme, nach welcher der künſtleriſche Menſch ſeine Leibes¬
glieder etwa bewegen will, ſondern er iſt die dem künſtle¬
riſchen Menſchen bewußt gewordene Seele der nothwendi¬
gen Bewegungen ſelbſt, durch welche dieſer ſeine Empfin¬
dungen unwillkürlich mitzutheilen ſtrebt. Iſt die Bewegung,
die Gebärde, ſelbſt der gefühlvolle Ton der Empfindung,
ſo iſt der Rhythmus ihre verſtändigungsfähige Sprache.
Je ſchneller der Wechſel der Empfindung, deſto leiden¬
ſchaftlich befangener, deſto unklarer iſt ſich der Menſch ſelbſt,
und deſto unfähiger iſt er daher auch ſeine Empfindung
verſtändlich mitzutheilen; je ruhiger der Wechſel, deſto an¬
ſchaulicher wird dagegen die Empfindung. Ruhe iſt Ver¬
weilen; Verweilen der Bewegung iſt aber Wiederholen der
Bewegung: was ſich wiederholt, läßt ſich zählen, und da_
Geſetz dieſer Zählung iſt der Rhythmus.
Durch den Rhythmus wird der Tanz erſt zur Kunſt.
Er iſt das Maß der Bewegungen, durch welche die Em¬
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