qualmigen Kneipe, aus der dampfenden Felddüngergrube sollen uns die Gebilde der Schönheit und Kunst aufsteigen?
Sehr richtig! Nicht aus der schmutzigen Grundlage Eurer heutigen Kultur, nicht aus dem widerlichen Boden¬ satze Eurer modernen feinen Bildung, nicht aus den Be¬ dingungen die Eurer modernen Civilisation die einzig denk¬ bare Basis des Daseins geben, soll das Kunstwerk der Zu¬ kunft entstehen. Bedenkt aber, daß dieser Pöbel keines¬ wegs ein normales Produkt der wirklichen menschlichen Natur ist, sondern vielmehr das künstliche Erzeugniß Eurer unnatürlichen Kultur -- daß alle die Laster und Scheußlichkeiten, die Euch an diesem Pöbel anwidern, nur die verzweiflungsvollen Gebärden des Kampfes sind, den die wirkliche menschliche Natur gegen ihre grausame Un¬ terdrückerin, die moderne Civilisation, führt, und das Ab¬ schreckende in diesen Gebärden keineswegs die wahre Miene der Natur, sondern vielmehr der Widerschein der glei߬ nerischen Fratze Eurer Staats- und Criminalkultur ist. Bedenkt ferner, daß da, wo ein Theil der staatlichen Ge¬ sellschaft nur überflüssige Kunst und Literatur treibt, ein anderer Theil nothwendig nur den Schmutz Eures un¬ nützen Daseins zu tilgen hat; daß da, wo Schöngeisterei und Mode ein ganzes unnöthiges Leben erfüllen, Roh¬ heit und Plumpheit die Grundzüge eines anderen, Euch nothwendigen, Lebens ausmachen müssen; daß da, wo der
qualmigen Kneipe, aus der dampfenden Felddüngergrube ſollen uns die Gebilde der Schönheit und Kunſt aufſteigen?
Sehr richtig! Nicht aus der ſchmutzigen Grundlage Eurer heutigen Kultur, nicht aus dem widerlichen Boden¬ ſatze Eurer modernen feinen Bildung, nicht aus den Be¬ dingungen die Eurer modernen Civiliſation die einzig denk¬ bare Baſis des Daſeins geben, ſoll das Kunſtwerk der Zu¬ kunft entſtehen. Bedenkt aber, daß dieſer Pöbel keines¬ wegs ein normales Produkt der wirklichen menſchlichen Natur iſt, ſondern vielmehr das künſtliche Erzeugniß Eurer unnatürlichen Kultur — daß alle die Laſter und Scheußlichkeiten, die Euch an dieſem Pöbel anwidern, nur die verzweiflungsvollen Gebärden des Kampfes ſind, den die wirkliche menſchliche Natur gegen ihre grauſame Un¬ terdrückerin, die moderne Civiliſation, führt, und das Ab¬ ſchreckende in dieſen Gebärden keineswegs die wahre Miene der Natur, ſondern vielmehr der Widerſchein der glei߬ neriſchen Fratze Eurer Staats- und Criminalkultur iſt. Bedenkt ferner, daß da, wo ein Theil der ſtaatlichen Ge¬ ſellſchaft nur überflüſſige Kunſt und Literatur treibt, ein anderer Theil nothwendig nur den Schmutz Eures un¬ nützen Daſeins zu tilgen hat; daß da, wo Schöngeiſterei und Mode ein ganzes unnöthiges Leben erfüllen, Roh¬ heit und Plumpheit die Grundzüge eines anderen, Euch nothwendigen, Lebens ausmachen müſſen; daß da, wo der
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qualmigen Kneipe, aus der dampfenden Felddüngergrube
ſollen uns die Gebilde der Schönheit und Kunſt aufſteigen?
Sehr richtig! Nicht aus der ſchmutzigen Grundlage
Eurer heutigen Kultur, nicht aus dem widerlichen Boden¬
ſatze Eurer modernen feinen Bildung, nicht aus den Be¬
dingungen die Eurer modernen Civiliſation die einzig denk¬
bare Baſis des Daſeins geben, ſoll das Kunſtwerk der Zu¬
kunft entſtehen. Bedenkt aber, daß dieſer Pöbel keines¬
wegs ein normales Produkt der wirklichen menſchlichen
Natur iſt, ſondern vielmehr das künſtliche Erzeugniß
Eurer unnatürlichen Kultur — daß alle die Laſter und
Scheußlichkeiten, die Euch an dieſem Pöbel anwidern, nur
die verzweiflungsvollen Gebärden des Kampfes ſind, den
die wirkliche menſchliche Natur gegen ihre grauſame Un¬
terdrückerin, die moderne Civiliſation, führt, und das Ab¬
ſchreckende in dieſen Gebärden keineswegs die wahre Miene
der Natur, ſondern vielmehr der Widerſchein der glei߬
neriſchen Fratze Eurer Staats- und Criminalkultur iſt.
Bedenkt ferner, daß da, wo ein Theil der ſtaatlichen Ge¬
ſellſchaft nur überflüſſige Kunſt und Literatur treibt, ein
anderer Theil nothwendig nur den Schmutz Eures un¬
nützen Daſeins zu tilgen hat; daß da, wo Schöngeiſterei
und Mode ein ganzes unnöthiges Leben erfüllen, Roh¬
heit und Plumpheit die Grundzüge eines anderen, Euch
nothwendigen, Lebens ausmachen müſſen; daß da, wo der
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/241>, abgerufen am 16.02.2025.
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