Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.worten haben. Erwägt er nun aber die unendlich größere worten haben. Erwägt er nun aber die unendlich größere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0200" n="184"/> worten haben. Erwägt er nun aber die unendlich größere<lb/> Maſſe Derjenigen, die durch die Ungunſt unſrer ſocialen<lb/> Verhältniſſe nach jeder Seite ſowohl vom Verſtändniſſe<lb/> als ſelbſt vom Genuße der modernen Kunſt ausgeſchloſſen<lb/> bleiben müſſen, ſo hat der heutige Künſtler inne zu wer¬<lb/> den, daß ſein ganzes Kunſttreiben im Grunde nur ein<lb/> egoiſtiſches, ſelbſtgefälliges Treiben ganz für ſich, daß<lb/> ſeine Kunſt dem öffentlichen Leben gegenüber nichts ande¬<lb/> res als Luxus, Ueberfluß, eigenſüchtiger Zeitvertreib iſt.<lb/> Der täglich wahrgenommene und bitter beklagte Abſtand<lb/> zwiſchen ſogenannter Bildung und Unbildung iſt ſo unge¬<lb/> heuer, ein Mittelding zwiſchen beiden ſo undenkbar eine Ver¬<lb/> ſöhnung ſo unmöglich, daß, bei einiger Aufrichtigkeit, die auf<lb/> jene <hi rendition="#g">unnatürliche</hi> Bildung begründete moderne Kunſt zu<lb/> ihrer tiefſten Beſchämung ſich eingeſtehen müßte, wie ſie<lb/> einem Lebenselemente ihr Daſein verdanke, welches <hi rendition="#g">ſein</hi> Da¬<lb/> ſein wiederum nur auf die tiefſte Unbildung der eigentlichen<lb/> Maſſe der Menſchheit ſtützen kann. Das Einzige, was in<lb/> dieſer ihr zugewieſenen Stellung die moderne Kunſt ver¬<lb/> mögen ſollte und in redlichen Herzen zu vermögen ſtrebt,<lb/> nämlich <hi rendition="#g">Bildung zu verbreiten</hi>, vermag ſie nicht, und<lb/> zwar einfach daher, weil die Kunſt, um irgend wie im<lb/> Leben wirken zu können, ſelbſt die Blüthe einer <hi rendition="#g">natür¬<lb/> lichen</hi>, d. h. von unten heraufgewachſenen, Bildung ſein<lb/> muß, nie aber im Stande ſein kann, von <hi rendition="#g">oben</hi> herab<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [184/0200]
worten haben. Erwägt er nun aber die unendlich größere
Maſſe Derjenigen, die durch die Ungunſt unſrer ſocialen
Verhältniſſe nach jeder Seite ſowohl vom Verſtändniſſe
als ſelbſt vom Genuße der modernen Kunſt ausgeſchloſſen
bleiben müſſen, ſo hat der heutige Künſtler inne zu wer¬
den, daß ſein ganzes Kunſttreiben im Grunde nur ein
egoiſtiſches, ſelbſtgefälliges Treiben ganz für ſich, daß
ſeine Kunſt dem öffentlichen Leben gegenüber nichts ande¬
res als Luxus, Ueberfluß, eigenſüchtiger Zeitvertreib iſt.
Der täglich wahrgenommene und bitter beklagte Abſtand
zwiſchen ſogenannter Bildung und Unbildung iſt ſo unge¬
heuer, ein Mittelding zwiſchen beiden ſo undenkbar eine Ver¬
ſöhnung ſo unmöglich, daß, bei einiger Aufrichtigkeit, die auf
jene unnatürliche Bildung begründete moderne Kunſt zu
ihrer tiefſten Beſchämung ſich eingeſtehen müßte, wie ſie
einem Lebenselemente ihr Daſein verdanke, welches ſein Da¬
ſein wiederum nur auf die tiefſte Unbildung der eigentlichen
Maſſe der Menſchheit ſtützen kann. Das Einzige, was in
dieſer ihr zugewieſenen Stellung die moderne Kunſt ver¬
mögen ſollte und in redlichen Herzen zu vermögen ſtrebt,
nämlich Bildung zu verbreiten, vermag ſie nicht, und
zwar einfach daher, weil die Kunſt, um irgend wie im
Leben wirken zu können, ſelbſt die Blüthe einer natür¬
lichen, d. h. von unten heraufgewachſenen, Bildung ſein
muß, nie aber im Stande ſein kann, von oben herab
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