Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

erschlossen wurde, daß der Zusammenhang aller in ihr sich
kundgebenden Erscheinungen ihrem Wesen nach unzweifelhaft
erwiesen ist. Der Drang, der zu diesen Entdeckungen
führte, suchte gleichzeitig sich in derjenigen Kunstart eben¬
falls auszusprechen, in der er am geeignetsten zu künst¬
lerischer Befriedigung gelangen konnte. Beim Wiederer¬
wachen der Künste knüpfte auch die Malerei, im Drange
nach Veredelung ihre künstlerische Wiedergeburt an die An¬
tike an; unter dem Schutze der üppigen Kirche gedieh sie
zur Darstellung kirchlicher Historien, und ging von diesen
zu Scenen wirklicher Geschichte und aus dem wirklichen
Leben über, jederzeit sich des Vortheils erfreuend, diesem
wirklichen Leben Form und Farbe entnehmen zu können.
Je mehr die sinnliche Gegenwart dem entstellenden Ein¬
flusse der Mode zu erliegen hatte, und während die neuere
Historienmalerei, um schön zu sein, von der Unschönheit
des Lebens sich zum Construiren aus dem Gedanken und
zum willkürlichen Combiniren von, wiederum der Kunst¬
geschichte, -- nicht dem Leben selbst -- entnommenen,
Manieren und Stylen gedrängt sah, -- machte sich, von
der Darstellung des modischen Menschen abliegend, die¬
jenige Richtung der Malerei aber Bahn, der wir das liebe¬
volle Verständniß der Natur in der Landschaft ver¬
danken.

Der Mensch, um den sich bisher die Landschaft wie

erſchloſſen wurde, daß der Zuſammenhang aller in ihr ſich
kundgebenden Erſcheinungen ihrem Weſen nach unzweifelhaft
erwieſen iſt. Der Drang, der zu dieſen Entdeckungen
führte, ſuchte gleichzeitig ſich in derjenigen Kunſtart eben¬
falls auszuſprechen, in der er am geeignetſten zu künſt¬
leriſcher Befriedigung gelangen konnte. Beim Wiederer¬
wachen der Künſte knüpfte auch die Malerei, im Drange
nach Veredelung ihre künſtleriſche Wiedergeburt an die An¬
tike an; unter dem Schutze der üppigen Kirche gedieh ſie
zur Darſtellung kirchlicher Hiſtorien, und ging von dieſen
zu Scenen wirklicher Geſchichte und aus dem wirklichen
Leben über, jederzeit ſich des Vortheils erfreuend, dieſem
wirklichen Leben Form und Farbe entnehmen zu können.
Je mehr die ſinnliche Gegenwart dem entſtellenden Ein¬
fluſſe der Mode zu erliegen hatte, und während die neuere
Hiſtorienmalerei, um ſchön zu ſein, von der Unſchönheit
des Lebens ſich zum Conſtruiren aus dem Gedanken und
zum willkürlichen Combiniren von, wiederum der Kunſt¬
geſchichte, — nicht dem Leben ſelbſt — entnommenen,
Manieren und Stylen gedrängt ſah, — machte ſich, von
der Darſtellung des modiſchen Menſchen abliegend, die¬
jenige Richtung der Malerei aber Bahn, der wir das liebe¬
volle Verſtändniß der Natur in der Landſchaft ver¬
danken.

Der Menſch, um den ſich bisher die Landſchaft wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0195" n="179"/>
er&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wurde, daß der Zu&#x017F;ammenhang aller in ihr &#x017F;ich<lb/>
kundgebenden Er&#x017F;cheinungen ihrem We&#x017F;en nach unzweifelhaft<lb/>
erwie&#x017F;en i&#x017F;t. Der Drang, der zu die&#x017F;en Entdeckungen<lb/>
führte, &#x017F;uchte gleichzeitig &#x017F;ich in derjenigen Kun&#x017F;tart eben¬<lb/>
falls auszu&#x017F;prechen, in der er am geeignet&#x017F;ten zu kün&#x017F;<lb/>
leri&#x017F;cher Befriedigung gelangen konnte. Beim Wiederer¬<lb/>
wachen der Kün&#x017F;te knüpfte auch die <hi rendition="#g">Malerei</hi>, im Drange<lb/>
nach Veredelung ihre kün&#x017F;tleri&#x017F;che Wiedergeburt an die An¬<lb/>
tike an; unter dem Schutze der üppigen Kirche gedieh &#x017F;ie<lb/>
zur Dar&#x017F;tellung kirchlicher Hi&#x017F;torien, und ging von die&#x017F;en<lb/>
zu Scenen wirklicher Ge&#x017F;chichte und aus dem wirklichen<lb/>
Leben über, jederzeit &#x017F;ich des Vortheils erfreuend, die&#x017F;em<lb/>
wirklichen Leben Form und Farbe entnehmen zu können.<lb/>
Je mehr die &#x017F;innliche Gegenwart dem ent&#x017F;tellenden Ein¬<lb/>
flu&#x017F;&#x017F;e der Mode zu erliegen hatte, und während die neuere<lb/>
Hi&#x017F;torienmalerei, um &#x017F;chön zu &#x017F;ein, von der Un&#x017F;chönheit<lb/>
des Lebens &#x017F;ich zum Con&#x017F;truiren aus dem Gedanken und<lb/>
zum willkürlichen Combiniren von, wiederum der Kun&#x017F;<lb/>
ge&#x017F;chichte, &#x2014; nicht dem Leben &#x017F;elb&#x017F;t &#x2014; entnommenen,<lb/>
Manieren und Stylen gedrängt &#x017F;ah, &#x2014; machte &#x017F;ich, von<lb/>
der Dar&#x017F;tellung des modi&#x017F;chen Men&#x017F;chen abliegend, die¬<lb/>
jenige Richtung der Malerei aber Bahn, der wir das liebe¬<lb/>
volle Ver&#x017F;tändniß der Natur in der <hi rendition="#g">Land&#x017F;chaft</hi> ver¬<lb/>
danken.</p><lb/>
          <p>Der Men&#x017F;ch, um den &#x017F;ich bisher die Land&#x017F;chaft wie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0195] erſchloſſen wurde, daß der Zuſammenhang aller in ihr ſich kundgebenden Erſcheinungen ihrem Weſen nach unzweifelhaft erwieſen iſt. Der Drang, der zu dieſen Entdeckungen führte, ſuchte gleichzeitig ſich in derjenigen Kunſtart eben¬ falls auszuſprechen, in der er am geeignetſten zu künſt¬ leriſcher Befriedigung gelangen konnte. Beim Wiederer¬ wachen der Künſte knüpfte auch die Malerei, im Drange nach Veredelung ihre künſtleriſche Wiedergeburt an die An¬ tike an; unter dem Schutze der üppigen Kirche gedieh ſie zur Darſtellung kirchlicher Hiſtorien, und ging von dieſen zu Scenen wirklicher Geſchichte und aus dem wirklichen Leben über, jederzeit ſich des Vortheils erfreuend, dieſem wirklichen Leben Form und Farbe entnehmen zu können. Je mehr die ſinnliche Gegenwart dem entſtellenden Ein¬ fluſſe der Mode zu erliegen hatte, und während die neuere Hiſtorienmalerei, um ſchön zu ſein, von der Unſchönheit des Lebens ſich zum Conſtruiren aus dem Gedanken und zum willkürlichen Combiniren von, wiederum der Kunſt¬ geſchichte, — nicht dem Leben ſelbſt — entnommenen, Manieren und Stylen gedrängt ſah, — machte ſich, von der Darſtellung des modiſchen Menſchen abliegend, die¬ jenige Richtung der Malerei aber Bahn, der wir das liebe¬ volle Verſtändniß der Natur in der Landſchaft ver¬ danken. Der Menſch, um den ſich bisher die Landſchaft wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/195
Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/195>, abgerufen am 06.05.2024.